lifedays-seite

moment in time



Literatur


04.2


Gedichte

Franziska Stoecklin
_______________________________




Höhe und Abgrund

Warum verführen mich immer wieder
Höhe und Abgrund?
Ach, nicht nur das Lichte,
auch die Dunkelheit
hat ihren Traum
der Unendlichkeit und Tiefe.
Purpurne Engel
Schwarzer Paradiese!
Reich von Rausch
und strahlendem Zerfall,
dahin wir unsere Bangnis retten,
wenn die Wirklichkeit
zu kalt und fremd,
das Heilige zu hoch,
die Helle unerreichbar fern.
Nur manchmal fühlen wir
die reine Nähe
des Hüters
der kristallnen Sphäre.
Sein klarer Blick
verwundet uns mit Sehnsucht.
Auch in den brennenden Gärten
des Abgrunds
suchen wir Stillung,
Erlösung ins Ewige,
den lichten Engel.

zurück


Junitag

Einsam ruh' ich
am Feldhang.
Blicke stille ins Land.
Uber die heiteren Wiesen
und ernsteren Wälder.
Über die leuchtende Fläche,
den See.
Ferne bewegen sich
schimmernde Segel.
O gleitende Träume!
Sanft weht der Wind,
und treibt auch
die himmlischen Schiffe,
die Wolken,
entrücktere Bahnen,
wo unsere Sehnsucht
schmerzlich zerrinnt.
 
Im Schilfe
rascheln die Enten.
Regt sich geheimes Getier.
Vielleicht, daß auch bald
der Schuß eines Jägers ertönt,
denn es wartet ein Tödliches
immer dem Leben.
Schrillend singen die Grillen,
und warm tönt
das Lachen der Schnitter,
vermengt mit dem Rauschen
der Sensen.
Zur Scheune fahren die Wagen,
mächtig beladen
mit duftendem Heu.
Abendlicher werden die Farben,
und ernster die Bläue des Sees,
wenn die Sonne sich neiget
über dem Hügel,
die Bauern heimwärts ziehn.
 
Laß, Erde,
meine dankbaren Hände
deine Halme streifen!


zurück


Nordischer Frühling

Noch liegt
an verschwiegenen Waldesstellen
längst gefallener Schnee,
wie eine glitzernde Decke
über den weißen,
wartenden Glöckchen.
In der Lichtung,
wo die Sonne
ihren Überfluß schenkt,
lächelt und lebt es
von Goldprimeln, tiefblauen Sternen,
und jungem, bebendem Grün.
- Und der Duft des Seidelbastes
berauscht dich
wie ein Becher Liebestrank.

 zurück


Südlicher Himmel

Zu rasch und farbensatt kommt er,
als daß wir seine Luft
mit zitterndem Verliebtsein spürten.
Wenn nicht die Mandelbäumchen
rosige Zartheit
wie kindliche Küsse
in den blauen Himmel hauchten,
wir würden alles schwer
wie Sommer fühlen.
Kamelien leuchten tödlich rot
aus düster glänzendem Laub,
und in Gewinden feiern
Rosen und Glycinientrauben
tausendfache Feste.
An weißer Mauer baden sich
die grünen Eidechsen
in gleißenden Strahlen.
Sie sind der Sonne zierlichste Getreue.
Und wo du gehst,
raschelt es von Getier.
- Dann in des Haines Schatten ruhend
schließen sich die sonnenmüden Lider.
Und um dich wogt
ein ewig wiederkehrendes Tönen,
von Mückensang und Blumenatmen.
Das hüllt dich ein
und trägt dich fort
auf seidigen Schwingen
in das Reich der wandellosen Schönheit.

 zurück


Der Freund

Du bist sehr fern,
der Raum, der unsere Blicke trennt
ist nicht in einem Tag
zu überbrücken.
Nur meine Sehnsucht ist so stark,
daß sie mich kühn
in deine Nähe trägt.
Ich sehe dich
in deines Turmes Einsamkeit,
im kreuzgewölbten Abendzimmer.
Wie eine kleine Gottheit
dunkler Kulte, thronst du
in einem mächtigen Sessel.
Vor dir ein weißes Buch,
in das du Zahl und Zeichen gräbst.
- Die Nacht entsteigt dem Meer
mit Graun und Größe.
Ein spitzer Sichelmond
schwebt auf.
Die Wellen schlagen dumpf
und machtvoll in den unterhöhlten Fels,
darauf dein Turm
wie ein Idol der Dauer steht.
Die Wellen rauschen, schlagen, schlagen
ewig wiederkehrend in den Fels.
Dir ist es wie das Tönen
eines riesigen Herzens.
Und manchmal graut dir,
wenn es gar zu wild
und fiebernd dröhnt.
- Dann wieder fühlst du 's
wie das Pochen deines eignen Herzens.
Das Meer rauscht dumpf
und machtvoll in dem Blut,
und übersteigert
deines Knabenkörpers zarte Kraft.
Du möchtest Tempel bauen,
die wie Pyramiden dauern
und einen neuen Mythos künden.

 zurück

  


Geliebter

Laß dich wieder, und immer wieder
mit meinen Worten umarmen.
Laß sie um dich legen,
wie du um mich hüllst
den Mantel,
wenn wir an kühlen Herbstabenden
über die Felder gehn,
wo sich die Nebel
silbern schon senken,
und der Wind die Gräser bewegt.
 
Ziellos irrte ich
auf der großen Erde,
bedrängt und verführt
von Dunklem
und schillernden Sünden.
Da gingst du auf
meines Schicksals Sonne.
Dein Licht milderte
alles Harte und Schwere,
verinnigte jede Lebensstunde,
alle Wesen und Dinge,
Schmerzen und Seligkeit.
Denn du einst
die Zartheit der Freundin
mit des Jünglings
beschützender Kraft.
Lächelnde Blume bist du
und weisende Fackel.
- Und dein Mund sagt,
daß auch ich Schwache
dir schön bin.

 zurück


Das Meer singt

Singe das Leben
Trunken und weit.
Rausche euch allen
Unendlichkeit.
 
Singe die Liebe
Grausam und groß.
Breit über alles
Mein Namenlos.
 
Gott tönt aus mir.
Dunkel und Glut.
Alles ist tödlich
Und alles ist gut


zurück


oben

weiter
______________________________


   lifedays-seite - moment in time