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04.2
Gedichte
Der
zunehmende Mond
Rabindranath
Tagore
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Der
Held
Mutter,
denk' Dir, wir reisen und kommen durch ein
fremdes und gefährliches Land.
Du
reisest in einem Palankin14], und ich trabe neben Dir
auf einem roten Pferd.
Es
ist Abend, und die Sonne geht unter. Die Wüste von
Joradighi liegt fahl und grau vor uns. Das Land ist öd und brach.
Du
bist erschreckt und denkst: »Ich weiß nicht, wohin
wir geraten sind.«
Ich
sage zu Dir: »Mutter, hab' keine Angst.«
***
Die
Wiese prickelt vor spitzigem Gras, und drüber
läuft ein schmaler, holpriger Pfad.
Kein
Vieh ist zu sehn auf dem weiten Feld;
es ist in seine Ställe heimgekehrt.
Es
wird dunkel und düster auf Land und Himmel, und wir
können's nicht sagen, wohin wir gehn.
Plötzlich
rufst Du und fragst mich flüsternd: »Was für
ein Licht ist dort am Ufer?«
***
Just
da gellt ein furchtbarer Schrei, und Gestalten
kommen laufend auf uns zu.
Du
sitzest zusammengekauert in Deinem Palankin und
wiederholst betend die Namen der Götter.
Die
Träger, vor Schrecken zitternd verstecken sich im
Dornenbusch.
Ich
schrei' Dir zu: »Hab' keine Angst, Mutter, ich bin
da!«
***
Mit
langen Stöcken in den Händen und ganz wild
flatterndem Haar um ihre Schädel kommen sie näher und näher.
Ich
schreie: »Seht Euch vor, Ihr Schurken! Einen
Schritt weiter und Ihr seid des Todes!«
Sie
stoßen noch einmal ein schreckliches Geheul aus
und stürzen vorwärts.
Du
packst meine Hand und sagst: »Lieber Junge, um
Himmels willen, halt' Dich fern von ihnen!«
Ich
sage: »Mutter, gib Du nur Obacht auf mich.«
***
Dann
sporn' ich mein Roß zu wildem Galopp, und mein
Schwert und Schild klirren aneinander.
Der
Kampf wird so gräßlich, Mutter, daß
Dich ein kalter Schauer überliefe, wenn Du ihn sehen
könntest von Deinem Palankin.
Viele
von ihnen fliehn, und eine große Zahl ist in
Stücke gehaun.
Ich
weiß, Du denkst, ganz versunken in Dich, Dein
Junge muß tot sein in dieser Stunde.
Aber
ich komme zu Dir, ganz mit Blut befleckt und
sage: »Mutter, nun ist der Kampf vorüber.«
Du
kommst heraus und küssest mich, drückst mich an
Dein Herz und sagst zu Dir selbst:
»Ich
weiß nicht, was ich tun würde, wenn ich nicht
meinen Jungen zum Geleit hätte.«
***
Tausend
nutzlose Dinge geschehen Tag für Tag, warum
könnte nicht so etwas zufällig wahr werden?
Es
würde wie eine Geschichte in einem Buch sein.
Mein
Bruder würde sagen: »Ist das möglich? Ich dachte
immer, er wäre so zart!«
Unsre
Dorfleute würden alle in Verwunderung sagen:
»War es nicht ein Glück, daß der Junge mit seiner Mutter war?«
oben
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