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04.2
Gedichte
Der
zunehmende Mond
Rabindranath
Tagore
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Schlafdiebin
Wer den
Schlaf von Kindchens Augen stahl, muß ich wissen.
Den Krug auf
der Hüfte, ging Mutter Wasser holen aus dem nahen Dorf.
Es war
Mittag. Der Kinder Spielzeit war vorüber. Im Teich die Enten schwiegen.
Der
Hirtenknab' lag eingeschlafen unter dem Schatten des Feigenbaums. [2]
Der Kranich
stand ernst und still in dem Sumpf am Mangohain.
Mittlerweile
kam die Schlafdiebin, haschte den Schlaf von Kindchens Augen und flog
davon.
Als Mutter
heimkehrte, fand sie Kindchen auf allen Vieren durchs Zimmer kriechen.
Wer stahl von Kindchens Augen Schlaf, muß
ich wissen. Ich muß sie finden und anketten. Ich muß dort in die
schwarze Höhle
schaun, wo durch Felsen und düstres Gestein ein kleiner Bach sickert.
Ich muß
suchen in dem Schlummerschatten des Bakulahains, [3] wo Tauben in den
Verstecken
gurren und Elfenringe in der Stille der Sternennächte klirren. Des
abends will
ich in das flüsternde Schweigen des Bambuswaldes lugen, wo Leuchtkäfer
ihr
Licht verschwenden, und will jedes Wesen fragen, das ich treffe: »Kann
einer
mir sagen, wo die Schlafdiebin wohnt?«
Wer stahl
von Kindchens Augen Schlaf, muß ich wissen.
Würd' ich ihr nicht ordentlich Bescheid
sagen, wenn ich sie nur erwischen könnte! Ihr Nest würd' ich überfallen
und
sehn, wo sie all ihren gestohlenen Schlaf hütet. Ich würde es ganz
plündern und
ihn heimtragen.
Ich würd'
ihre zwei Flügel fest zusammenbinden, sie an das Ufer des Flusses
setzen und
sie dann die Fischerin spielen lassen zwischen den Binsen und
Wasserlilien.
Wenn abends
das Markten vorüber ist, und die Dorfkinder ihren Müttern im Schoß
sitzen,
werden die Nachtvögel ihr spottend in die Ohren kreischen:
»Wessen
Schlaf stiehlst Du Dir jetzt?«
oben
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