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Gedichte
Erich Toller

Das Schwalbenbuch
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Zum Weiterflug sammeln sich die
Schwalben



Nicht trage
in Nächten der Verfinsterung
Sehnsucht
nach Menschen.
Fürchte das Wort, das erwürgt!
 
Wahrlich,
erst wen du nennst,
stirbt deine Seele ganz





Schon wehen herbstliche Stürme
über die schwäbischen Felder,
taumeln in Lüften
heimatlose Blätter.
Aus sumpfigen Moosen der Donau
steigen die Nebel,
brauend
den fahlen Mantel
unendlicher Totenklage.
 
Zum Winterflug
sammeln sich die Schwalben.



Zur Winterstille
sammelt sich mein Herz.





Ein letztes Mal noch höre ich der Schwalben Lied:
 
Unter Myriaden Häusern werden wir im Frühling
dieses graue Hafthaus finden
Unter Mayriaden Zellen werden wir im Frühling
deine Zelle finden.




Nun habt ihr mich verlassen, liebste Gefährten ihr
meiner Haft.
Wie war die Zelle warm von eurer flirrenden Melodie, 
vom Atem eurer Körperchen, von den tönenden
Elipsen eures stürzenden Fluges.
Ihr kosmischen Gefährten meines Sommers,
Geliebteste ihr,
Fernste,
Nächste,
in demütiger Dankbarkeit
denke ich eurer schenkenden Liebe.





Bevor nicht die Menschen wiederfinden den
Grund
ihrer Tierheit,
bevor sie nicht sind,
sind,
wird ihr Kampf nur wert sein
neuen Kampfes,
und noch ihre heiligste Wandlung
wird wert sein neuer Wandlung.





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