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Literatur

04.2



Gedichte
Ernst Toller

Sonstige Gedichte





Ich habe euch umarmt

Ich habe euch umarmt mit Flammenhänden,
Worte wurden blutdurchpulste Speere,
Die euch
Zum Lichte, rauschendem, erlösten.
Ihr Tausende, fabrikgemartert, Arbeitssielen,
Ihr wurdet einzig strahlend Auge,
Ihr wurdet einzige gestraffte Hand,
Die ich ergriff in brünstiger Umklammrung —
Ich spreche ich?
Sprach ich zu euch?
Der Mensch,
Der farbige Ellipsen um Sonnenbälle fliegt.
Er sprach zu euch.
Der Mensch!
Der Mensch!

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Menschen

Krieg verjährte zum Gespenst,
Das knöchern seine Finger
Um die gekreisten Völker krallte.
Menschen taten von sich ihre Hüllen,
Leeren Auges starrten sie gekuppelt,
Keiner war, der Bruder lächeln mochte,
Keiner, der dem andern seine Arme bot,
Worte, die sie sprachen, waren Masken,
So saften sie beisammen,
Mumien oder Grammophone.

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Soldaten

Ich kann die Gesichter meiner Kameraden nicht
vergessen.
Sie ließen sich in Fabriken führen und zu Maschinen-
teilen pressen.
Vierjähriger Krieg hat ihre Seelen erdrückt und ihre
Augen geblendet.
Das Menschliche ihrer Gesichter bespien, da starb es,
geschändet.
Bei Dirnen aus dunklen Hafenschenken und
schmutzigen Bordellen
Sieht man oft unter geschminkten Masken ein gütiges
Lächeln quellen.
Aber die Gesichter meiner Kameraden gleichen
erstarrtem Lachen —
Gott! Bruder! Mensch! Werden sie jemals wieder
erwachen?!

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Deutschland

Durch das Gitter meiner Zelle
Seh ich Kinder spielen.
Eingespannt in enge Zelle,
Kerkerjahre . . . Marterjahre .
 
Deutschland,
Deine Söhne werden
Viele Jahre
Nicht mit Kindern spielen.

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Den Toten der Revolution

Todgeweihte Leiber
trotzig gestemmt
Wider den Bund
der rohen Bedränger,
Löschte euch Schicksal
mit dunkler Gebärde.
Wer die Pfade bereitet,
stirbt an der Schwelle,
Doch es neigt sich vor ihm
in Ehrfurcht der Tod.

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Den Lebenden

Euch ziemt nicht
Trauern,
Euch ziemt nicht
Verweilen,
Euch ward Vermächtnis,
Getränkt
Vom Herzblut der Brüder,
Euer
Wartet die schaffende
Tat.
Lastend
Bedränget den Nacken
Die Zeit.
Aufsprengt
Dem helleren Morgen
Die Tore!

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