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04.2
Ausgewählte
Gedichte
Emil
Verhaeren
in
Nachdichtung von Stefan Zweig
Heimatswelt
Das Brotbacken
Zum
Sonntag gab es frisches Feierbrot zu backen.
Am
Backtrog, drin sich feinstes Mehl und Milch vermischte,
Standen
die Mägde keuchend, mit gesenktem Nacken,
Vor
dem der Schweiß ins Brot heisstropfend niederzischte.
Finger
und Hand und Leib durchschütterte ein Feuer,
Es
war, als ob die Brust das Mieder sprengen müsste.
Und
aus dem Teige walkten, stark und ungeheuer,
Die
derben Fäuste Laibe, rund wie ihre Brüste.
Und
nun, da ringsum schon die schwarzen Schorne rauchten,
Fassten
die Mägde je zu zweit das Brett und tauchten
Rasch
in des Ofens Bauch das teigig-weiche Brot.
Jäh
schlugen aus der Lohe da die lechzendheissen
Glutzungen
hoch – wie Hunde tollgehetzt und rot
Aufspringend,
um ihr Antlitz wütend zu zerbeissen.
zurück
Frommer
Abend
Das
stille Land, vom Abend friedevoll umkleidet,
Ruhte
mit seinen Dörfern als noch traurig-süsse
Ein
Seufzer hauchte, sanft, wie wenn ein Mädchen scheidet,
Die
bleich vergeht, im Blicke ungesagte Grüsse,
Und
schon entgegeneilt den himmlischen Palästen. –
Im
leeren Land, darin die Winde endlich schliefen,
Raunte
nur eine Kirchenglocke fern im Westen,
Die
andern Antwort sagte, die sie mahnend riefen.
Und
die in ihrem kuttenschwarzen Bronzeschleier
Den
Schmerz der Welt, der tief im Abendgrunde brannte,
Mit
düsterm Ruf, als wie zu eines Heimgangs Feier
In
fahle Fernen und die Sterbestille standte.
So
müde ging das Klingen und so voll Gebreste,
Dass,
als es trauervoll und florumschleiert klagte,
Ein
Vöglein irgendwo im ärmlichen Geäste
Ganz
leise wiederum sein Lied zu singen wagte,
Und
dass die Saaten ihr Gewoge jählings stauten,
Indes
die finstern Wälder, die voll Träumen hingen,
Nachdenklich
auf die frommen Wanderwege schauten,
Die
durch das Land dem Angelus entgegen gingen . . .
zurück
Ein
Klosterbild
Aus
rotem Dämmer schwerster Mittagsschwüle
Starren
die Bänke mit verblichnem Stamme,
Und
durch der Fenster Feuer schlägt die Flamme
Der
Sonnenflechten bis ins Chorgestühle.
Die
Mönche, gleich in dem Gewand der Weihen,
Mit
gleichen Zeichen, gleichen Ordensfalten
Und
gleicher Starrheit in den Felsgestalten
Stehn
aufrecht in zwei stummen fahlen Reihen.
Und
man erbangt, erhofft, mit einem Male
Werde
die Starre brechen und Chorale
Aufdonnernd
in die schwere Stille steigen.
Allein
nichts regt sich längs der matten Mauern;
Ob
auch die Stunden flüchten mit Erschauern –
Die
hagern Mönche schweigen . . . schweigen . . . schweigen . . .
zurück
Die
sanften Mönche
Und
Mönche gibt es, also milde und beglückte,
Dass
man die Hände ihnen gern mit Palmen schmückte,
Und
zur Erhöhung sie mit rauschenden Altanen
Umkrönte,
die ans zarte Blau des Himmels mahnen,
Und
allen Schmuck ersehnte, ihrem Erdenschreiten
Gleissende
Teppiche und goldnen Pfad zu breiten.
Und
also zögen sie entlang dem Glanz der Seen,
Gleich
Lilien, die in weisser Reihe leuchtend gehen.
Und
diese Mönche, die wie Weihekerzen glühen,
Sind′s
, die sich um der
Gottesjungfrau Liebe mühen.
Sie
sind Entflammte, die
Sie als das Sternenkreisen,
Der
Meere Glut und Glanz der
Firmamente preisen.
Die
wie ein Engelschor vor
Gottes Herrscherstufen
Ruhm
ihres Namens stolz in
alle Winde rufen.
Und
die Sie mit so
brennendem Gelöbnis baten,
Dass
ihrer Blicke Aufglanz
alle Glut verraten,
Und
denen solche Wonnen
ihre Dienste süssen,
Dass
sie im Fegefeuer nicht
die Treue liessen,
Und
dass dem Frömmsten Sie,
von solcher Glut erweicht,
Einmal
ihr Jesukind zum
Kuss herniederreicht.
zurück
Eines
Morgens
Im
Wiesenplan, der
schimmernd wie ein Lächeln war,
Lugte
ein stiller Ort aus
den erstaunten Landen,
Wo in
zwei blauen Weihern,
die ins Ferne klar
Verglänzten,
Land und
Himmel sich im Kusse fanden.
Über
des Mooses grauen
Schaum, im goldnen Kies
Spielte
der Morgentränen
Glanz in tausend Tropfen,
Und
sanft gewiegter Zweige
Auf und Nieder liess
Sie
ihres Liedes Tanzakt
rhythmisch niederklopfen.
Die
Lärchen reihten sich,
die Arme ausgestreckt,
Wie
Priester hingewandt zur
wundersamen Helle.
Bei
ihnen schlief die
Dämmrung, tief ins Laub versteckt
Und
neigte sich zum
Spiegelschein der Silberquelle.
Rings
glühten Taukristalle
in den lichten Tag
Und
alles schien der Dinge
Stille zu behüten,
Und
wie das Beben eines
Schöpfungswortes lag
Es
duftend auf den Lippen
der erschlossnen Blüten.
zurück
Helle
Landschaft
Morgensonne
huscht mit
goldnen Glitzerlichtern,
Rinnt
in leisen Wellen über
dunklen Zweigen
Und
küsst wach den
Purpurglanz in den Gesichtern
Bunter
Blumen, die sich
farbenglühend neigen.
Und
in den Fontänen tropft
die goldne Glut
Durch
den dichten Wall von
schwerbelaubten Bäumen,
Macht
der kraftdurchrollten
Reben heisses Blut
Schwer
wie Purpurlippen,
die von Küssen träumen.
Kaum
noch hört man Rieseln
und den Lichterglanz
Hellen
Wassers an die
Marmorstufen klingen
Und
wie dunkelfrohe Käfer
blind im Tanz
Blaue
Scheiben streifen mit
verirrten Schwingen.
Leiser
Blättersang . . .
Durch schmale Ritzen geht
Glitzern
breiter
Lichterbänder aus von ferne,
Und
die Stunden kreisen,
wie ein Rad sich dreht,
Um
der Sonnenblumen dunkle
Augensterne.
zurück
Der
Regen
Wie
endlose Fäden der Regen
rinnt
Und
spinnt durch den Tag,
der grau und blind,
Viereckiges
Netzwerk in
grünen Gehegen
Mit
seinen Graufäden, die
endlos sind,
Der
Regen, der rinnt,
Der
endlos rinnt,
Der
Regen.
Seit
gestern zerfasert er
so ohne Ende
Die
Wolkenfetzen, die in
feuchtem Verblassen
Umhängen
die Himmelswände.
Seit
gestern sickert er
schwer und gelassen
In
breiten, leise rauschenden
Massen
Über
die Wege, über die
Gassen
Und
nimmt kein Ende.
Weithin
auf Meilen,
Auf
Pfaden, die sich
kreuzend durchpfeilen,
Auf
Strassen, die endlos
ins Ferne gebogen,
Kriechen
die Wagen,
Keuchend
von den Gespannen
gezogen,
Die
triefenden Decken
emporgeschlagen,
Fauchend
und rauchend,
langsam und lang
Wie
ein Leichengang. –
- Die
Schienen entlang.
Die
sich am Himmel
zusammenschliessen,
Hört
man, als sei es der
Stunden Gang,
Gurgelnd
das tropfende
Wasser fliessen.
Die
Bäume und Häuser weinen
still,
Vom
Regen beschmutzt und
geschlagen,
Der
nicht enden will.
Die
Flüsse haben die Dämme
zerrissen
Und
ergiessen
Sich
über die schwimmende
Mahd der Wiesen;
Der
Wind peitscht Weiden
und Strauch und Baum,
Und
im Wellenschaum
Brüllen
die Stiere mit
erhobener Stirn
Zum
Himmel, der sich
zerfasert wie Zwirn.
Der
Abend kommt sacht mit
den Schattenhüllen,
Die
Heide und Dickicht wie
Rauch erfüllen,
Und
immer noch giesst der
Regen und fliesst
Und
fliesst,
So
dünn und so dicht, wie
nur Seide ist.
Der
Regen rinnt,
Und
der Regen spinnt
Mit
gleichem Strich
Ein
grau Gewebe, Stich um
Stich,
Und
Masche um Masche fügt
sich,
Und
ein dichter Schleier
schmiegt sich
Um
die Dörfer, die alt und
verräuchert sind. –
Wäsche,
die in Fetzen
zerbirst
An
den langen hölzernen
Stangen,
Daran
sie gehangen,
Taubenverschläge
am
obersten First,
Hütten,
die Fenster für das
spärliche Licht
Nur
mit braunem Papier
verpicht,
Häuser,
an denen eintönige
Traufen,
Wie
Kreuze rings um die
Giebel laufen,
Mühlen,
die drohend auf
ihrem Hügel
Aufgepflanzt
stehn mit
reglosem Flügel,
Türme
von Kirchen, die
fernher blicken –
Der
Regen, der rinnt,
Der
Regen, gepeitscht vom
eisigen Wind,
Will
alles ersticken.
Der
Regen,
Der
lange Regen, in Fäden
zerfahren,
Mit
seinen Fluten und
rauschenden Haaren,
Der
Gast der Länder, die
grau und alt,
Der
Regen
Mit
seiner ewigkeitsstarren
Gewalt!
zurück
Novemberwind
Über
die Heiden, die endlos
sind,
Posaunt
der Wind November
ins Land.
Über
die Heiden, die endlos
sich dehen,
Wettert
der Wind,
Peitscht
seine schweren,
zuckenden Strähnen
Gegen
der Städte schauernde
Wand
Und
stürmt wie blind
Der
Wind, der wilde
Novemberwind.
In
den Scheunen rattern und
grollen
Der
Brunnen eiserne Räder
und Rollen,
Und
rasseln in rohem
Zusammenschlagen.
Die
Eiseneimer klappern und
zittern
Und
künden in steten
Stössen und Schüttern
Den
Tod mit ihren traurigen
Klangen.
Der
Birken sterbend
sinkende Locken
Treibt
der Wind wie
fliegende Flocken,
Der
Wind, der wilde
Novemberwind.
Die
Vogelnester, die
ästegedeckten,
Zerbeisst
er,
Der
wütende Wind,
Das
knarrende Eisen
zerschweisst er,
Und
packt den versteckten
Lawinenschnee
vom letzten
Jahre
Und
reisst ihn auf am
Schlohweissen Haare
Der
Wind, der wilde
Novemberwind.
An
den Hütten, die Speicher
und Spind
MitFlicken
aus Fetzen und
Glas verkleben,
Klappern
die Luken und
biegen und beben
Ängstlich
im wilden
Novemberwind.
Und
die Mühle, die hoch
erhoben
Über
dem bräunlichen
Rasenhügel
Schwarz
mit blitzendem
Schwunge steht,
Mäht,
Mäht
mit ihrem sausenden
Flügel
Von
oben nach unten, von
unten nach oben
Den
Wind,
Mäht
den wilden
Novemberwind.
Die
alten Hütten, die wie
auf Krücken
Wackeln,
sind ängstlich
geworden und drücken
Sich
scheu rings um ihren
Glockenturm.
Die
Hütten mit ihren
löchrigen Dächern
Klappern
im Sturm.
Und
die Kreuze des
Kirchhofs, die seltsam blinken
Und
gleichsam die Arme der
Toten sind,
Schwenken
im Fluge
seitwärts und sinken
Zu
Boden im wilden
Novemberwind.
Traft
ihr den Wind,
Den
Wind, den wilden
Novemberwind,
Dort
am Kreuzweg der
dreihundert Strassen?
Traft
ihr den Wind
Sausend
in Schauer und
rollendem Rasen?
Saht
ihr ihn damals in
jener Nacht,
Als
er den Mond vom Himmel
geschmettert
Und
die Dörfer, vom Schlafe
erwacht,
Vor
seiner Macht
Wie
erschreckte Tiere
gezetert?
Über
die Heiden, die endlos
sind,
Wettert
der Wind.
Posaunt
der Wind November
ins Land!
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