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Literatur


04.2



Politische Gedichte

Karl Frohme
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Empor
Widmung an die Arbeit


Kann dir der Dichter Trost gewähren
In deinem Kampf, in deinem Schmerz?
So nimm ihn an, still deine Zähren
Und laß uns tauschen Herz zum Herz!
Wir wollen Treue uns geloben,
In reinster Seelenharmonie
Selbander unsre Kraft erproben –
Die Arbeit und die Poesie.
 
Noch hat der Leiden schwere Bürde
Ja nicht den Stolz in dir erschlafft,
Noch bist du reich an edler Würde,
An biederm Sinn und güt’ger Kraft.
Auf deiner bleichen Stirne thronet,
Dem Schmerz geeint, ein heil’ger Geist;
In deinem treuen Auge wohnt
Die Göttermacht, die Wahrheit heißt.
 
Allzeit, im Hassen wie im Lieben
Des Menschtums Genius geweiht,
Bist du dir selber treu geblieben
Im härtesten Drang, im tiefsten Leid.
Du trugest Sklavenkleid und –banden,
Dein Adel starb darunter nicht,
Der hehre Geist ward nicht zu schanden,
Der dir die Siegeskränze flicht.
 
Das zeugt für dich die Weltgeschichte:
Ob dir geraubt dein heilig Recht
Und Thyrannei saß zu Gerichte –
Wohl warst du rauh, doch niemals schlecht!
Du konntest zürnen, wie in Wettern
Der Himmel zürnt, im Weltgericht
Ein lang getrag’nes Joch zerschmettern –
Doch heucheln, Arbeit, konnt’st du nicht.
 
Dir galt mein heißestes Begehren
Ans Schicksal und den Geist der Zeit:
Steig auf zu den verdienten Ehren
Aus Niedrigkeit zur Herrlichkeit!
Dir all mein Sinnen, all mein Streben!
Solang’ mich nicht die Muse flieht,
Will ich für dich allzeit erheben
Zu Kampf- und Festesgruß mein Lied!
 
Der Priester mag zu Gottes Ehren
Mit frommem Wort sein Fest begehn –
Was kümmert ’s uns? Auf andern Lehren
Sehn wir den Geist des Menschtums stehn.
Laßt den Gesellschaftsspitzen immer
Ihr patriotisch-prunkend Spiel –
Uns lockt des Morgenrotes Schimmer
Zum Ringen nach erhab’nem Ziel.
 
Das sind die hehrsten Feiertage,
Die, voll des Ideales Kraft
Und reifen Geist’s, trotz Not und Plage,
Der Arbeit Volk sich selber schafft.
Das sind von allen Festgesängen
Die schönsten, die das heil’ge Recht
Verherrlichen, und deren Klängen
Froh lauscht ein duldendes Geschlecht.
 
Horch, wie sie mächtig brausend tönen
Von Meer zu Meer, von Land zu Land!
Sie wollen eine Welt versöhnen,
Die sich im wildsten Streite fand.
Heil, Arbeit, dir! Dein Recht wird siegen.
Empor! die letzte Kette springt –
Und aller Haß wird unterliegen
Der Liebe, die den Frieden bringt!

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Als „Hochverräter“
(Dezember 1871)
 
So hast du denn gebunden
Die Hände und Füße mir
Mit Ketten, wie sie erfunden
Für den unbändigen Stier.
 
So schreit’ ich an deiner Seite,
Bewaffneter, grimmer Held,
Dem Räuber gleich, den im Streite
Zum Opfer des Rechts du gefällt.
 
Ja, brumme nur voll Vergnügen
In deinen Gendarmenbart:
„Jetzt wollen wir dich schon kriegen“ –
Das ist ja Gendarmenart.
 
Ich kann’ dir nicht übel nehmen,
Du dienstbefliss’ner Gendarm,
Doch muß ich für dich mich schämen,
Du Aermster, daß Gott erbarm!
 
Es wirbelt der Schnee auf uns nieder
Und knirscht unter unserm Tritt,
Und die Sonne verbirgt sich wieder, -
Die Sonne, die schämt sich mit!


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Frommer Wunsch
(1871)
 
Wenn ich einmal der Papst könnt’ sein,
Schlöss’ ich Sankt Peters Dom
Und richtete zum Wirtshaus ein
Den Vatikan in Rom.
Dann holte ich von weit und breit
Des Rebensaftes viel,
Und lüd’ die ganze Christenheit
Zu einem Weinkonzil.
 
Damit ging’s sicherlich nicht schief,
Wie mit manch anderm schon ,
Ich schriebe einen Hirtenbrief
Im tolerant’sten Ton.
Als Motto – ha, das hätte Zug! –
Müßt’ drauf zu lesen sein
Der allbekannte Bibelspruch:
„Dem Traurigen gib Wein!“
 
Ich selber übernähm’ ganz frei
Das Kellermeisteramt,
Indes die schwarze Klerisei
Zum Zusehn würd’ verdammt.
Der himmlischen Gendarmerie,
Mit oder ohn’ Tonsur,
Säng’ ich ’ne Abschiedsliturgie
Im Namen der Kultur.
 
Belegt’ sie mit dem großen Bann
Im Namen der Vernunft –
Sie könnten auf dem Monde dann
Sich suchen Unterkunft.
Und alles rief’ voll Fröhlichkeit:
„Zieht hin, wir bleiben hier,
Ihr trankt für uns gar lange Zeit, -
Für euch jetzt trinken wir!“
 
Das gäb’ ’ne lust’ge Kneiperei,
Wie nie die Welt sie sah,
Ohn’ Frömmelei und Heuchelei
Versöhnte man sich da. –
So käm’ doch einmal noch zu Ehr’
Die Siebenhügelstadt –
Und ich, ha, ha, ich wäre der,
Der das bewirket hat!


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Denkt ihr daran?
(Den belgischen „Liberalen“ 1874)
 
Laut klang ein Lied: „Genossen, Mut zum Streite,
Auf, daß der Arbeit endlich wird’ ihr Recht,
Daß länger nicht das Elend sie begleite
Und bald ersteh’ ein glückliches Geschlecht!“ –
Laut klang das Lied, - es war ein mächtig Singen,
Darob erbebte wohl manch ein Thyran; -
Bei der Champagnergläser lust’gem Klingen,
Sagt, „Ordnungsfreunde,“ denkt ihr wohl daran?
 
Wie oft das Volk im Zorn zog durch die Gassen
Und seine Dränger siegend niedertrat,
Von Not und Hunger angespornte Massen
Das stumme Dulden tauschten mit der Tat,
Wie oft im heil’gen und gerechten Grimme
Alsdann das Urteil sprach fluchwürd’ge Stimme –
Sagt, „Ordnungshelden,“ denkt ihr wohl daran?
 
Ihr brüstet euch, Roms Pfaffen zu verachten –
An größerm Uebel krankt die Menschheit noch,
Ihr dürft ja nur rings um euch her betrachten
Das Arbeitsvolk in Not und Elends Joch!
Und dieses Joch, das wollt ihr nimmer brechen,
Mit eurer Herrschaft wär’s am End’ ja dann;
Das weiß das Volk, dürft’ ihm nichts mehr versprechen –
Sagt, „Ordnungsfreunde,“ denkt ihr wohl daran?
 
O, wieviel Schweiß zu eurem Unterhalte
Bedarf es wohl an einem einz’gen Tag?
Auf wieviel Stirnen steht des Elends Falte
Tief eingegraben, Stempel unsrer Schmach?
Ihr sprecht von Freiheit, wollt die Menschheit retten,
Und tut den freien Geist in harten Bann?
O, bitt’rer Hohn, Freiheit und Recht in Ketten,
Sagt, „Ordnungsfreunde,“ denkt ihr wohl daran?
 
Vergeßt es nicht beim lauten Triumphieren,
Wenn ihr mit Glück habt einen Streich geführt:
Ihr ließt dem Volke nichts mehr zu verlieren,
Es lernt begreifen jetzt, was ihm gebührt!
’s ist wahrlich Zeit, die Mahnung zu verstehen –
Verstehe sie, wer sie verstehen kann;
Für uns giebt’s nur ein rüstig Vorwärtsgehen –
O, „Ordnungsfreunde,“ denkt, ja, denkt daran!


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