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Literatur


04.2



Politische Gedichte

Karl Frohme
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Auf Johann Jakobys Grab
(März 1877)
 
„Das Leid, das einen großen Mann zertrümmert,
Ist gleich dem Donnerschlag in einen Tempel,“ –
   Sprach einst Jean Paul
   Und ich sprech’s heute nach,
An deinem Grab, du Zierde deutscher Männer!
 
„Vasall der Wahrheit“ darf ich wohl dich nennen!
’s war dein Beruf, in ihrem Dienst zu streiten
   Mit ehrnem Mut,
   Bis der Befreier Tod
Dich abberief zur Ruh’ im Schoß der Erde.
 
Wenn diese Ruhe nach des Menschen Handeln,
Nach gut und böse sich bemessen könnte,
   Dann, wackrer Mann,
   Dann müßtest du gewiß
Den schönsten Schlaf im Erdenschoß genießen!
 
Denn unbeeinflußt von der Selbstsucht Trieben,
Rein wie der Stern, der uns den Tag verkündet,
   War stets dein Sinn –
   Und rein und schön war auch
Dein Handeln bis zum letzten Atemzuge.
 
Was galt dir mehr, wie deines Volkes Würde,
Freiheit und Ehre, Recht und Wohlergehen?
   Nichts in der Welt!
   Du liebtest es so sehr,
Das arme Volk, und bracht’st ihm jeglich Opfer!
 
Du sahest es umstrickt von einem Unding,
Von einer grausen, dutzendköpf’gen Hyder;
   Die griffst du an
   Und ließest nimmer ab
Sie zu bekämpfen, trotz der Macht des Wahnes.
 
Hei, wie da Streich auf Streich herniedersauste, -
Wie da das Unding in dem Sumpf der Lüge
   Sich bäumte wild,
   Voll Wut nach Rache schnob
Und mit Vernichtung furchtbar dich bedrohte!
 
Doch kanntest du kein Zittern und kein Zagen,
Nichts konnte deine Festigkeit erschüttern –
   Du hieltest aus! –
   „Zurück nicht einen Schritt!“ –
Dem schönen Wahlspruch bist du treu geblieben.
 
„Treu bis ans Grab!“ – so tönt’s durch Deutschlands Gauen,
„Treu einer großen, einer heil’gen Sache!“
   Und trauernd senkt
   Der Menschheit Genius
Still seine Schwingen, opfernd eine Träne.
 
Du starbest mit dem Trost der Pflichterfüllung,
Uns überlassend, kühn dir nachzueifern! –
   O schönes Los! -  -
   Ja, wer so sterben kann,
Der hat fürwahr den besten Lohn vom Leben! –
 
So ruhe denn, geliebt, beweint, geachtet,
Von vielen Tausend, die dich nie gesehen.
   Du hast’s verdient!
   Vergessen wird’s dich nicht,
Das deutsche Volk ist dankbar gegen Tote!


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Einem Freund zum 60. Geburtstage
(1902)
 
Dem wohlerprobten Kampfgenossen,
Der seit der fernen Jugendzeit
Selbstlos und treu und unverdrossen
Sich hoch bewährt im heil’gen Streit –
Dem wackern Freund, ergraut in Ehren,
Der seines Lebens besten Teil
Gewidmet hat des Menschtums Lehren:
Zu diesem Tag ein jubelnd Heil!
 
Aus vollem Herzen hörst Du’s klingen,
Es ist ein Gruß, den Liebe beut;
Der soll in Deine Seele dringen,
Daß sie den alten Bund erneut –
Den Bund, dem Du so lange lebtest,
Erfüllt vom Geist des neuen Rechts,
In dem Du opferfreudig strebtest
Fürs Glück des menschlichen Geschlechts.
 
Dir ward aus läuternder Erfahrung,
Die alle Zweifel niederzwingt,
Der Wahrheit höchste Offenbarung:
Daß sie den Siegespreis erringt.
Auch Du hast nicht umsonst gestritten
Mannhaft für sie so manches Jahr,
Von Sieg zu Sieg ist sie geschritten
Mit Dir in kampfgeweihter Schar.
 
Und weiter, weiter will sie schreiten.
Erfüllt wird Deiner Jugend Traum,
In allgewaltig ernstem Streiten
Erobert sie sich Zeit und Raum.
O große Zeit! Es will errichten
Gerechtigkeit sich ihren Thron –
Und diese Zeit mit ihren Pflichten,
Freund, ist auch Deines Wirkens Lohn.
 
Froh kannst Du schaun, mit sechzig Jahren,
Wie rings ein neues Leben sprießt,
Wie aus der Wahrheit wunderbaren
Urkräften neuer Segen fließt.
Es dringe dieses Segens Feuer
Verjüngend Dir ins Herz hinein,
Und mögst Du Guter, Vielgetreuer
Noch lange uns ein Vorbild sein!

 
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Sonnenaufgang
 
Gespenstisch steigen die Nebel
Vom schweigenden Tale herauf,
Und geflügelte Worte nehmen
Nach Osten hinüber den Lauf.
 
Sie eilen der Sonne entgegen,
Die finstern Gebilde der Nacht,
Wie zürnend, daß nun ihre Feindin
In strahlender Schönheit erwacht.
 
Schnell bleichen die glitzernden Sterne,
Sie grüßen zum Abschied sie kaum,
Und ahnungsgrausendes Dunkel
Erfüllt den unendlichen Raum.
 
Die liebliche Venus nur zögert
Noch einsam mit freundlichem Schein,
Verkündend: Es nahet der Morgen,
Der möge gesegnet auch sein!
 
Nun blinzelt sie heller und schneller,
Verheißungsvoller und bleicht
Und schwindet dann langsam, indessen
Das Dunkel der Dämmerung weicht.
 
Und eilender ziehen die Wolken.
Da zittert ein purpurner Schein
Hin über die zackigen Berge,
Das muß die Königin sein!
 
Sie ist es, sie nahet obsiegend
Der Nacht und dem Wolkenheer,
Wie schimmert und wogt es da droben,
Ein purpurdurchflutetes Meer!
 
Willkommen, Allmutter, o Sonne,
Sei gegrüßt uns viel tausendmal,
Gesegnet, du herzlich ersehnte,
Dein alles belebender Strahl!
 
Durchsichtig zerflattern die Nebel,
Erglänzend im Licht liegt die Flur;
Und die Lerche erhebt sich und schmettert
Ihr Jubellied in die Natur.


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Abendfeier
 
Ueppig Gefilde,
Du liebliche Flur,
Prangend Gebilde
Der güt’gen Natur, -
Nimm meines Herzens Gruß
Noch mit dem Scheidekuß
Der eilenden Sonne!
Feurig in Purpurstrahl
Glüht ringsum Berg und Tal –
O heil’ge, zaub’rische Wonne!
 
Eile, o eile
So schnell doch nicht,
Weile, o weile
Länger mit deinem ersterbenden Licht!
 
Doch sie fliehet tiefer immer;
Noch ein Augenblick,
Und ihr letzter Abschiedsschimmer
Strahlt auf mich zurück.
Nur die Wölkchen hoch im Aether,
Goldnen Flocken gleich,
Künden mir einsamen Beter
Ihr unendlich Reich.
Auch sie bleichen und verschwinden,
Wie die Dämm’rung siegt,
Die emporsteigt aus den Gründen,
Wo die Nacht schon liegt. –
 
Sonne, willst noch oft du ziehen
So die ew’ge Bahn,
Bis vorm mächt’gen Wahrheitsglühen
Stirbt der falsche Wahn?
Bis das Dunkel sich verlieret,
Das die Geister drückt,
Und die Freiheit triumphieret,
Allem Hohn entrückt?
Zwar der Abend ist gekommen
Dieser argen Zeit,
Und ein Stern ist schön erglommen,
Mahnend: S e i d  b e r e i t!
 
Und wir harren und wir hoffen
Auf des Morgens Licht,
Halten unsre Augen offen,
Bis es strahlend bricht
Durch den nächtlich schwarzen Schleier
Unter Sturmesgebraus –
Auferstehungsmorgen-Feier,
Meinen Gruß voraus!


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