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Literatur


04.2



Politische Gedichte

Karl Frohme
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Schöne Rast

Des Lerchenvolkes jubelndes Geschmetter
Strömt aus den blauen Höh’n und grüßt den Mai,
Den jugendstarken, herrlichen Erretter
Von Winters Ungestüm und Tyrannei.
Das dringt zum Herzen und erweckt mir wieder
Der fernen Jugend frohe Sangeslust,
Die alten, guten Frühlingsweihe-Lieder,
Die schlummerstill geruht in tiefster Brust.
 
Sie klingen auf, und eins webt sich zum andern,
Und allesamt umschlingt ein seelisch Band,
Mit ihnen will ich feierglücklich wandern
Durchs weite, freie, lenzesgrüne Land.
Und wo der Schiffe krafterprobte Masten
Hoffnungsgesegnet hin zum Meere ziehn,
Auf hohem Uferberge will ich rasten –
Da tönet aus, ihr Feiermelodien.
 
O schöne Rast! Wenn man zur Höh’ gestiegen
Auf steiler Bahn, die Augen niederwärts,
Und nun die Blicke frei wie Adler fliegen
Und Lebensodem strömt durch Geist und Herz;
Wenn vor uns liegt die Welt im Sonnenscheine,
Die Fernen durstig, Tal und Hügel blühn,
Zum großen Ganzen wird das scheinbar Kleine –
Dann ist vergessen aller sorgend Müh’n.
 
Wir sehn der Menschheit vielverschlung’ne Bahnen
Uns näher führen einem hellen Tag,
Der in vergang’ner  Zeiten bangem Ahnen
Nur matt erdämmernd durch die Nebel brach.
Des Lichtes Ströme stießen jetzt zusammen;
Aus Kunst und Wissen, aus der Arbeit Hort,
Durch Geist und Herz der Völker sehn wir’s flammen –
Die Sonne siegt, die Nebel ziehen fort!
 
Und große Wunder steigen in der Ferne
Vor den geklärten schau’nden Blicken auf,
Und hell in unsrer Brust erglänzen Sterne
Und künden uns der Menschheit fernsten Lauf. –
Drum laßt uns feiern, frei den Blick erhoben!
Die Brust geweitet und das Herz durchglüht,
An Hoffnung reich, von ihrem Strahl umwoben –
Weih’ reiner Lust sich Seele und Gemüt!

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Am Meer

Mein Aug' ruht auf dem weiten Meere,
Das schwärzlichgrau sich ängstlich regt
Und der Gewitterwolken Schwere
Nur grimmig widerstrebend trägt.
Unheimlich grollt es in den Tiefen,
Und zischend dringt die Schaumflut nach,
Naturgewalten, die lang' schliefen,
Sie werden schreckenkündend wach;
Ein wachsend Dunkel und Erbeben,
Wo Sonnenglanz und Ruh' noch eben.

Durch Flut und Luftreich zuckt es bangend;
Von oben Druck, von unten Drang;
Die Möwen kreischen sturmverlangend,
Da, plötzlich reißt der Doppelzwang.
Ein Blitz, der Sturm kommt wild geflogen,
Bricht unter Donners Krachen los,
Und heulend heben sich die Wogen,
Die Wolken öffnen ihren Schoß.
Nichts kann sie zügeln, kann sie halten,
Die nun entfesselten Gewalten.

So, oft mit ungeahnter Schnelle,
Zieht Sturm auch in das Menschenherz,
Der Kampf tritt an des Friedens Stelle
Und Frohsinn weicht dem herben Schmerz.
Was frommt's, wenn da mit starkem Willen
Der Mensch die äuß're Ruh' erringt,
Kann er die Anruhe nicht stillen,
Die ihm die Seele ganz bezwingt,
Und er zum Opfer fällt dem Spiele
Des Widerstreites der Gefühle!

O, sei bemüht, dein ganzes Leben
Der Macht des Guten nur zu weih'n,
Laß stets dein Denken und dein Streben
Der Lieb' und Wahrheit Ausdruck sein!
Das sichert dir den Seelenfrieden,
Im Kampf und Leid verläßt dich nicht
Die Kraft, die mit ihm dir beschieden,
Daß du dir setzt als schöne Pflicht:
Ausharren, nimmermehr verzagen,
Nicht klagen, sondern mutig wagen!

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Lob der Dummheit
(1878)

I.  
Du kannst, o Dummheit, aller Zeit,
Bei jeglicher Gelegenheit
Der Freiheit dich erfreuen;
Für dich gibt’s keinerlei Klausur,
Die rücksichtsloseste Zensur
Brauchst nimmer du zu scheuen.
 
Dir sagt man niemals: „Werde stumm“;
Du darfst vorm größten Publikum
Stets ungestört plädieren
Und ohne alle Furcht und Scheu,
Ganz nach Belieben, täglich neu
Die Wahrheit malträtieren.
 
Das ist dein Privileg – so alt
Als wie die „Halt-zurück“-Gewalt,
Die dich in Dienst genommen;
Die Brot dir gibt und Unterkunft,
Und mit dir jubelt, wenn Vernunft
Ist auf den Hund gekommen.
 
Vernunft ist Unsinn – fort mit ihr!
Nicht all und jedem Menschentier
Ziemt Einsicht, Klugheit, Wissen;
Man überlasse wenigen doch
Das Einsichts-, Klugheits-Wissen-Joch –
Die andern können’s missen!
 
Bedingnis für der Menschheit Ruh,
Des Glückes Inbegriff bist du,
Leicht ist das zu begreifen; -
Drum ist es auch ganz unerhört,
Wenn jemand, von Vernunft betört.
Sich gegen dich will steifen.
 
II.  
Wie die Dummheit man in Ehren
Hält ohn’ jede Kunst und List –
Gerne will ich’s jeden lehren,
Der nicht ganz ihr eigen ist!
Ja: der Adel – laßt’s euch sagen –
Der muß angeboren sein,
Soll er leuchtend weithin ragen
Ueber allem, was „gemein“.
Und die Dummheit? Nun, ich meine,
Angeboren wird auch sie –
Praxis ist bei ihr alleine,
Was beim Adel Theorie.
Zwar, den kann man auch erwerben
So mitunter ganz geschwind,
Um voll Stolz ihn zu vererben
Dann aufs fernste Kindeskind.
Aber Dummheit muß man bringen
- Will man durch sie sein ein Held
Und sich Ruhm und Ehr’ erringen –
Gleich mit auf die schöne Welt.
Also steht sie überm Adel,
Wird auch deshalb respektiert,
Weil sie ohne allen Tadel
Ueberall geduldet wird.

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Der Walfischfang

Zur Walfischfängerei bedienet man sich bekanntlich
einer List,
Die einfach zwar, jedoch fast immer erfolgreich für den
Jäger ist:
Er wirft dem Tiere leere Tonnen an langen Seilen vor
zum Spiel,
Damit es um so sich'rer werde der tödlichen Harpune Ziel.

Auch auf dem Land gibt's Walfischfänger, die sich auf  diese
Kunst verstehn;
Man kann sie draußen unablässig und voller Eifer tätig
sehn.
Der Walfisch ist das Volk, sich tummelnd in einem großen
Meer von Leid,
Speck soll es geben nach Bedürfnis, trotz aller seiner
Magerkeit.
Ihm leicht und sicher beizukommen, hat viele Tonnen man
zur Hand,
Von denen die verführerischste „Patriotismus" ist benannt.

Wer will die Köder alle nennen, an die der Walfisch Volk
gern beißt —
Indes Harpune auf Harpune ihm mitleidlos das Fleisch
zerreißt?! —
O, würd' der Walfisch doch vernünftig, so wär' es sicherlich
vorbei
Für alle Zeiten mit den Künsten polit‘scher Walfischfängerei! 

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