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Literatur


04.2



Politische Gedichte

Karl Frohme
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Nutzanwendung

Wer wohl darf von sich sagen,
Er könne allezeit
Mit gleichem Mute tragen,
Ohn' Zittern und ohn' Zagen,
Des Lebens Drangsal, Müh' und Leid?

Den Stärksten oft kann zwingen
Ein plötzliches Geschick,
Kann ihn zu Falle bringen,
Trotz allem mut'gen Ringen
In einem kurzen Augenblick.

Drum prahl' mit deinem Mute,
Mit deiner Stärke nicht; —
Mach' dir den Satz zugute:
„Was in der Zukunft ruhte,
Hielt manchem Prahler schon Gericht.“

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Bestie Mensch

Blutdürstig zu zerfleischen voller Gier
Sind spitze Hörner, Klau'n und Zähne worden
Als furchtbar Werkzeug allem Wildgetier;
Du aber, Mensch, bist nicht bestimmt zum Morden,
Dir gab Natur nicht Tigerklau und -Zahn,
Doch schufest du dir grimme Kriegerhorden.
Beherrscht von einem teuflisch-bösen Wahn,
Den die Vernunft dir nimmer kann vergeben,
Kennzeichnest du mit Unheil deine Bahn.
Krieg scheint der Hauptzweck dir vom ganzen Leben
Und aller Tatkraft Endziel dir zu sein;
Auf Krieg zu richten sich dein höchstes Streben,
Und was Natur sich schämt', dir zu verleih'n,
Um dich fürs wahrhaft Menschliche zu schonen,
Das Mordwerkzeug, erfindest du dir fein.
Du gießt das Erz zu schrecklichen Kanonen,
Du schmiedest es zu mordgeweihtem Stahl
Und trägst damit bis in die fernsten Zonen
Die Blutkultur, des Krieges Schmach und Qual.

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Arabischer Edelmut
(Eine Legende.)

An des öden Wüstenweges dornbewachs'nem,
stein'gem Saum,
Halb versteckt vom sonnverbrannten, fruchtberaubten
Dattelbaum,
Liegt ein Bettler, eingehüllet in des Elends luftig
Kleid,
Liegt von Mittag bis zum Abend, eine lange bange
Zeit.
Seine hag're, schmutz'ge Wange kündet wohl der
Armut Not,
Doch sein Auge, wie es blitzend in die stille Weite
loht.
Nicht des Bettlerelends Jammer, nur E r w a r t u n g 
liegt darin,
Immer wieder, scharf und lange, schweift sein Blick 
nach Westen hin. —
Und die abendlichen Schatten decken schon des
Sandes Meer,
Und die Sterne ziehen langsam, feierlich darüber
her;
Aber der am Weg, der Bettler, hat nicht acht auf
Stern und Nacht —
Ha, wie da ein Strahl der Freude plötzlich ihm im
Antlitz lacht,
Wie die Brust sich freudig hebet und die Lippe
jubelnd spricht:
„Endlich! Allah sei gepriesen — diesmal ist's ver-
gebens nicht!”
In der Ferne wirbeln Wolken grauen Staubs vom
Boden auf,
Und ein Roß mit seinem Reiter sprengt heran im
schnellsten Lauf.
Welch ein Roß, ein wunderbares, unvergleichliches
ist das,
Herrlich, wie Homer besungen einst sie in der Ilias!
Wie die zügellose Windsbraut teilet es der Dämm-
rung Grau —
Welch geschmeid'ge, kräft'ge Glieder, welch ein eben-
mäß'ger Bau!
Wie sich alle Muskeln spannen und der Sehnen
Netz sich hebt
Auf der Brust, der schaumbedeckten, drinnen Kraft
und Feuer lebt!
Kühn das schöne Haupt erhoben, rückgeworfen zum
Genick,
Das umwallt von seidnen Mähnen, gluterfüllt den
edlen Blick,
Willig folgend seines Reiters wohlbekanntem sanftem
Ruf,
Schlägt es sturmwindgleich die Erde mit dem demant-
harten Huf.
's ist das edelste der Rosse in Arabiens Sonnenland,
Von der Bucht des Roten Meeres bis zu Hadschas
rauhem Strand.
Heiß durchrinnet seine Adern Blut der Rasse Kohlani *
Drum ist es der Stolz, die Zierde seines Herren Naabi,
Mit dem's durch den Glutsand rannte, durch der
Ströme Bette schwamm,
Heim ihn tragend zu dem kühnen Nadschibeduinen-
stamm.
Dunkler wird's, und immer schneller durch den
Sand der Renner fliegt,
Bis er sich genaht der Stelle, wo am Baum der Bettler
liegt,
Der hebt an mit fleh'nder Stimme: „Herr, o Herr,
erbarm' Dich mein,
Großer Scheikh, um Allahs willen, laß mich Aermsten
nicht allein!
Ach, ich bin zum Tod ermattet, lieg hier seit dem Morgen
krank —
Scheikh der Weisheit und der Milde, o, erwirb des
Himmels Dank!“ —
Und Naabi hört das Flehen, und der edle Renner
steht
Dicht am Baume, wo der Bettler händeringend weiter-
fleht:
„Herr, o nimm mich mit von hinnen, steh' mir bei in
meiner Not,
Denke an der Nächstenliebe hehres, heiliges Gebot!“
“Allah grüß' Dich,“ spricht Naabi, „steige auf, Du kranker
Mann,
Daß ich Dich zu meinen lieben Nadschibrüdern bringen
kann!“
“Ach, ich kann mich nicht erheben, sieh, o großer
Scheikh, mein Bein,
Das mir heute früh zerschmettert niederrollend Felsge-
stein.“
Und hernieder springt Naabi, stößt die Lanze in die Erd',
Und er hebt den kranken Bettler starken Armes auf sein
Pferd. —
Doch, welch seltsamliche Wandlung geht mit dem da
plötzlich vor?
Seine Glieder werden schmeidig, stolz reckt er das Haupt
empor,
Greift die purpurfarbnen Zügel mit erprobter sichrer
Hand,
Und im Nu, mit Blitzesschnelle, hat das Roß er umge-
wandt.
Staunend, keines Wortes mächtig, wähnend, daß er
Wunder sieht,
Steht der Scheikh indes der Bettler mit dem Renner seit-
wärts flieht.
Außer dem Bereich der Lanze hält der, wendet sich und
spricht:
„Bei dem Barte des Propheten, Naabi, kennst Du mich
nicht?!
Ich bin Dahor, der vergebens Dir geboten all sein Gut,
Diamanten und Kamele für dies Tier von edlem Blut.
Jetzt ist's mein — ich preise Allah, der Dein Aug' mit
Blindheit schlug!
Lebe Wohl denn, Scheikh der Nadschi, und verzeih mir
den Betrug!”
Ruft es durch des Abends Dunkel und will fort,
doch alsobald
Tönet auch Naabis Stimme:“Flüchtiger Betrüger,
halt!
Nutzlos wär es, Dich zu bitten: gib mein Eigentum
zurück —
Zieh damit hinweg in Frieden, Allah geb Dir dazu
Glück!
Eins nur bitt ich, nicht verweigr' es, wenn vor
Allahs Zorn Dir bangt:
Sage keinem, keinem Menschen, wie Du hast das
Pferd erlangt!“
„Und weshalb nicht?" höhnt der andre, der ein wenig
sich genaht,
„Weshalb sollt ich nicht verkünden solche kühne
Räubertat?“
„Wie, Du fragst noch?“ spricht Naabi traurig ernst.
„Du schlechter Mann,
Wenn Du's kündest, tust Du frevelnd die Barmher-
zigkeit in Bann!
Daß Du sie so frech mißbrauchtest, auf sie bautest
Lug und Trug —
Mir mein bestes Gut zu rauben, Dahor, ist das nicht
genug?
Geh, erzähle, rühm Dich Deiner so erfolggekrönten
List,
Schrei's hinaus, wie Du, Verruchter, zu dem Pferd ge-
kommen bist,
Wie Du mich, den Scheikh der Nadschi, in der Bett-
lertracht betört,
Und des Bettlers Flehn um Hilfe wird fortan nicht
mehr gehört;
Der vorübergeht, der schüttelt auf sein Flehen stumm
das Haupt,
Wenn er unter Schmutz und Lumpen schnöden Trug
verborgen glaubt;
Nächstenliebe wird zum Mißtrau'n, die Barmherzig-
keit wird Hohn,
Und des Turkomanns Verachtung trifft den freien
Wüstensohn.
Eile denn, das zu vollbringen!“ — Spricht's, der edle
Scheikh und dreht
Sich hinweg vom list'gen Räuber, greift die Lanze auf
und geht.
Doch noch hat er wenig Schritte erst getan in großer
Eil',
Hört er jenen bittend rufen: „Naabi, o steh' und weil'!“
Und er steht. Am Zügel führet Dahor schnell das Roß
herbei,
Hält vor ihm und fleht: „O edler, großer Nadschischeikh,
verzeih'!
Nimm Dein Roß und zum Gedenken nimm auch dies Betrü-
gerkleid —
Unentweiht für alle Zeiten bleibe die Barmherzigkeit!"
Und sie drücken sich die Hände, liegen in den Armen sich,
Schau'n zum Grabe des Propheten, betend: „Allah segne
Dich!"

* Kohlani, die edelste Rasse der Araberpferde, die der Volkssage nach von dem Lieblingsfüllen des Propheten abstammen soll.
 
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