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Literatur


04.2



Politische Gedichte

Karl Frohme
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Des Lichtes Sieg
Ein Sagensang 1891)

Aus ferner Kindheit tönt mir eine Sage —
Voll tiefen Sinn's, den erst der Mann erkannte —
Von einem Riesen, der tief unter Tage
Ein mächtig großes Reich sein eigen nannte.
Dahin drang nicht der goldne Sonnenschein,
Des Mondes Glanz, der Sterne hell Gefunkel;
Umgrenzt und überwölbt von Felsgestein
War's eine Stätte für unheimlich Dunkel.
Ekles Gewürm kroch geifernd auf dem kalten,
Schlüpfrigen Boden, der nur Gift konnt' geben;
Die Eule nistete rings in den Spalten
Und sonst'ge Brut, die nicht am Tag kann leben.

Da hauste er, der Riese, ein Despot,
Nachahmend seinen fluchbelad'nen Ahnen,
Mißachtend jedes heilige Gebot,
Ein grimmer Herrscher seinen Untertanen.
Herzlos und grausam quälte er die Armen
Mit Hilfe feiler, dienstbefliss'ner Sbirren,
Er kannte weder Mitleid noch Erbarmen,
Blieb kalt bei Weheruf und Kettenklirren.
Nicht Menschen, feige S k l a v e n wollt' er bloß,
Von denen keiner nach der Freiheit fragte —
Den traf gewiß qualvoller Strafe Los,
Der sein geheiligt Recht zu fordern wagte.

Voll Aengstlichkeit — womit ein bös' Gewissen
Die Schlechten straft, die sich mit Schuld beschweren
War der Despot unausgesetzt beflissen,
Dem Licht den Eingang in sein Reich zu wehren.
Es prophezeite warnend ihm einmal
Ein guter Geist: „Das Licht wird dein Verderben!
Sobald dich trifft der erste Sonnenstrahl,
Mußt du mit allen deinen Schergen sterben.
Frei werden dann, die du gelegt in Banden,
All' deine Sklaven, die dich längst verfluchen —
Das heil'ge Licht macht ihre Not zuschanden,
Du aber wirst vergebens Rettung suchen.”

Wohl hätt' er gern, betrachtend seine Macht,
Sich eingeredet, töricht sei's, zu denken,
Daß jemals in sein altes Reich der Nacht
Die Sonne könne ihre Strahlen senken.
„Solch dumme Prophezeiung sollt' mich schrecken?”
Sprach oft er zu sich selbst — „Weshalb? Es waren
Doch diese harten Felsenwänd' und -decken
Schutz vor dem Licht seit ungezählten Jahren.
So werden sie's auch fürderhin noch sein!
Du dummer Geist wollt'st Spott nur mit mir treiben;
Hier dringt niemals der Sonne Licht hinein —
Ich werd' am Leben, werde Herrscher bleiben!”

Trost für den Augenblick, zu weichen stärkerm Bangen!
Wohin auch der Despot den Blick mocht' richten,
Die Furcht ließ ihn nicht mehr zur Ruh' gelangen,
Sie wuchs und wuchs und war nicht zu vernichten.
Er späht voll Angst umher an jedem Ort,
Und wenn er nur den kleinsten Riß erblickte,
So trug er Sorge, daß man ihn sofort
In aller Eile aufs genauste flickte.
Die Wölbungen, die Kanten ließ er stützen
Mit ehr'nen Pfeilern und sie fest verbinden.
Nichts ließ er ungenützt, sein Reich zu schützen,
Die Furcht hieß ihn stets neue Mittel finden.

Und mit der Furcht wuchs auch des Riesen Grimm,
Der Trieb zu immer ärgern Freveltaten;
Bezwingen wollte er die inn're Stimm',
Die kündete: “Du hast dich selbst verraten!
Längst wissen, was du fürchtest, deine Sklaven,
Nun sehnen sie sich alle nach dem Lichte,
Das sie befreien soll und dich bestrafen.
Entgehen wirst du nicht dem Lichtgerichte.
Umsonst versuchst durch wildre Grausamkeit
Du deine Herzensqualen dir zu lindern.
Dein Ende naht — das Licht ist nicht mehr weit,
Kannst seinen Sieg mit keinem Mittel hindern.”

Indessen der Despot sich zürnend quälte,
Das drohende Verhängnis zu bekämpfen,
Und immer neue Strafen auserwählte,
Der Armen Sehnsucht nach dem Licht zu dämpfen,
Fraß drauß' am Felsgestein der Wurm der Zeit;
Geschickter als viel tausend Menschenhände,
Nach dem Gebote der Notwendigkeit,
Zerstört Natur die Decken und die Wände.
Und eines Tags, zur hellen Mittagsstunde,
Sind krachend sie geborsten und gebrochen,
Das Licht drang ein bis zu dem tiefsten Grunde—
Und es geschah, so wie der G e i s t  g e s p r o c h e n!


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Platz für den Geist der neuen Zeit

Ist es denn wahr, wird nie sich wenden
Der Menschheit jammervolles Los?
Wird nie ihr schmerzlich Sehnen enden,
Nie Freude blüh'n in ihrem Schoß?
O nein, o nein! Ich kann's nicht glauben
Und wüchse stündlich auch das Leid,
Ich laß die Hoffnung mir nicht rauben
Auf eine bessre, schönre Zeit!

Wohl sitz' ich oft in stillen Nächten
Und trau're bis zum Morgengraun,
Wenn von der Selbstsucht feilen Knechten
Mir keiner kann ins Auge schaun;
Wohl ballt auch oft im wilden Grimme
Sich meine Faust, doch stets befreit
Vom Weh mich der Geschichte Stimme:
„Vertrau dem Geist der neuen Zeit!”

Die Stimme kann den Gram bezwingen,
Die bringt dem Herzen frischen Mut
Und stählet es zu neuem Ringen
In herrlicher Begeist'rung Glut. —
Was soll das Trauern?!  Dieses Auge,
Es künde stolze Männlichkeit,
Es Zeuge, daß zum Kampf ich tauge —
So will's der Geist der neuen Zeit!

Mit ihm zum Kampf! Hier gilt kein Zagen
Und keine lange, bange Wahl
F r e i werden, oder K e t t e n tragen - -
Wem macht solch eine Wahl wohl Qual?!
Frei werden, frei und glücklich werden
Durch dich, Göttin Gerechtigkeit,
Soll jedes Volk rings auf der Erden —
Du lügst nicht, Geist der neuen Zeit!

Was du versprichst, du wirst es halten,
Du führest nicht umsonst den Krieg
Gen all' die finstern Truggewalten;
Dir wird in diesem Krieg der Sieg!
Will mich zum Kampfe dir verbünden,
Will dir ein Herold sein im Streit
Und sterbend selbst noch freudig künden:
Platz für den Geist der neuen Zeit!


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Liebe

O könnte ich mich ganz in dich versenken,
Hochheil'ges Wesen, vollends dich ergründen,
Mich dir allein, Besel'gende, verbünden,
Dir weihen all' mein tiefgeheimstes Denken;

Du nur allein kannst wahres Leben schenken,
Dem Frieden immergrüne Kränze winden,
Dem grimmen Haß der Herrschaft Ende künden
Und so der Menschheit Los zum Bessern lenken.

Entfalte siegend deine heil'ge Macht,
Für ewig in der Zeiten Schoß zu betten
Das fluchbeladene Geschlecht der Nacht!

Schon sind bereitet dir die Feierstätten,
Noch eine letzte große Geisterschlacht —
Und dein sind alle, die da jetzt in Ketten!


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Glaube

Es ist ein wundersüßer Trost der Glaube,
Daß einst die Liebe alle Wunden heilet,
Daß nicht die rohe Selbstsucht ewig weilet,
Der, ach, so lang' die Menschheit ward zum Raube,

Daß sich der Baum der Freiheit neu belaube
Und froh die Menschheit seinen Schatten teilet,
Indes zu seinem Wipfel freudig eilet
Die flüchtige, verbannte Friedenstaube.

Das ist ein Glaube, unserer Zeiten wert,
Die, ach, so tief in Schmach und Not verfallen,
Ein Glaube, der den Menschen hebt und ehrt?

Man preist ihn nicht in prächt'gen Tempelhallen,
Doch wird er immer mehr erkannt, begehrt,
Zum harten Trotz des falschen Wahns Vasallen.


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Hoffnung

O Hoffnung, Hoffnung! durch das ganze Leben
Gibst du dem Menschen freundlich das Geleite,
Ermutigst ihn im harten Schicksalsstreite,
Daß er nicht Raum mög' der Verzweiflung geben.

Ob Gram und Leid auch seinen Blick umweben
Und sich das Unheil hält an seiner Seite,
Doch sucht sein Blick aufs neue stets das Weite,
Und neu durch dich wird wiederum sein Streben.

Du hüllest lieblich ihm die Zukunft ein,
Erleichterst ihm der Gegenwart Beschwerden
Und milderst seines Herzens schlimmste Pein.

Drum wird verkündet immerfort auf Erden,
Magst du gleich oft der Täuschung Mutter sein:
„Hoffnung läßt nimmermehr zuschanden werden.“


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