VORWORT
Einem aus
parteigenössischen Kreisen öfter geäußerten Wunsche entsprechend, hat
der
Vorstand des Sozialdemokratischen Vereins für den achten und zehnten
schleswig-holsteinischen Wahlkreis sich zur Herausgabe nachstehender
Sammlung
von Gedichten Karl Frohmes entschlossen. Diese Gedichte sind im
Verlaufe von mehr
als vierzig Jahren, seit den Anfängen der sozialdemokratischen
Bewegung, in die
der Verfasser schon als Jüngling eintrat, entstanden. Der größte Teil
ist schon
früher zusammen mit andern in besonderen Ausgaben oder vereinzelt in
Parteiblättern veröffentlicht worden.
Die
erste Sammlung erschien
1876 unter dem Titel „Feierstunden“ in Frankfurt a. M. Sie fiel alsbald
nach
dem Inkrafttreten des Sozialistengesetzes im Jahre 1878 der
Unterdrückung durch
polizeiliches Verbot zum Opfer. Das gleiche Schicksal traf eine im
Jahre 1879
unter dem Titel „Freikugeln“ herausgegebene kleine Sammlung. Drei Jahre
nach dem
Fall des Sozialistengesetzes, 1893, unternahm der Verlag von J. H. W.
Dietz in
Stuttgart die Herausgabe des fünfbändigen Werkes „Deutsche
Arbeiter-Dichtung“,
in dessen erstem Bande eine Auswahl Frohmscher Lieder und Gedichte
neben
solchen von W. Hasenclever und Adolf Lepp Aufnahme fand. Diese Auswahl
ist mit
freundlicher Bewilligung des Verlegers in die vorliegende Sammlung
eingefügt. Was letztere sonst bietet,
ist abgesehen von einigen Stücken, die überhaupt noch nicht
veröffentlicht
sind, teils den „Feierstunden“ und den „Freikugeln“, teils dem vor dem
Sozialistengesetz erschienenen „Frankfurter Volksfreund“, dem
„Hamburger Echo“
und dem „Grundstein“, Organ des Zentralverbandes der Maurer
Deutschlands,
entnommen.
Wir
glauben die Einführung
nicht besser vornehmen zu können, als indem wir aus dem Vorwort des
Dietschen
Sammelwerkes „Deutsche Arbeiter-Dichtung“ das Folgende hierher setzen:
„Was
will die nachstehende
Liedersammlung? Mitbewegt und mitgetragen von der unsere Zeit
bewegenden Idee,
daß das Proletariat als neuer gewaltiger Faktor eingetreten ist in die
Geschichte, will sie vor allem zweierlei ihren Lesern dartun. Zeigen
will sie
zunächst, in wie überraschend großem Umfange und mit welcher
kraftursprünglichen Energie der Trieb nach Bildung sich heute in der
deutschen
Arbeiterklasse fühlbar macht, und zwar trotz aller ihm von oben herab
über den
Weg gelegten Schlagbäume. Zeigen will sie sodann, welch bezeichnenden
Ausdruck
eben dieser Bildungstrieb in der poetischen Produktion des deutschen
Proletariats
heute findet und seit Jahrzehnten gefunden hat.
Der
Vater der deutschen
Arbeiterdichtung ist der Druck der Oberen auf die Unteren. So kann
folgerichtig
ihr Charakter kein anderer sein als der des Gegendrucks – sie ist eine
Lyrik
der Opposition. Und wenn ihr künstlerischer Wert auch nicht immer ein
hervorragender ist, so fällt sie inhaltlich um so schwerer ins Gewicht.
Punkt
für Punkt, klar und bestimmt stellt sie die Forderungen derjenigen
Klasse auf,
aus der sie hervorgegangen, die sozialen und politischen Forderungen
der
deutschen Arbeiterklasse.
Eine
Lyrik von so
entschiedenem zeitgeschichtlichen Interesse durfte sich nicht
verzetteln und
verschleudern; ihr mußte eine publizistische Form, ein literarisches
Band
geschaffen werden, und zwar schnell; denn gar mancher Dichter des
deutschen
Proletariats ist bereits aus dem Leben geschieden und andere sind
hochbetagte
Männer; so ist es denn hohe Zeit, aus der Zahl ihrer Lieder das
Rettenswerte zu
retten. Neben den Alten aber stehen die Jungen. Was dort im Totentanze
der Zeit
zu verschwinden droht, das gerät hier – in der jüngeren Arbeiterlyrik –
in die
Gefahr, unbeachtet vorüber- und klanglos unterzugehen im Vorbeimarsch
unserer
Tagesblätter und Zeitungen. So hieß es sammeln hier wie dort.“
Als
die „Deutsche
Arbeiter-Dichtung erschienen war, widmete ihr die Zeitschrift
„Grenzboten“ in
zwei Nummern eine eingehende Kritik. Darin heißt es:
„Das
Proletariat hat einen
Kopf, der sich den Mund nicht verbieten läßt, der redet und singt. Das
Proletariat hat auch seine Dichter, die ihm seine Lieder machen. Und
diese
Lieder sind wahrlich nicht so schlecht, wie sie von der Gegnerin, der
Bourgeoisie, gemacht werden. Man hat das Proletariat solange sich
selbst
überlassen, daß man sich nicht wundern darf, wenn es möglichst alles
sich
selbst zu schaffen unternimmt, selbst seine Ideale und seine Kunst“ . .
.
„Die
Verbindung von Dichter
und Arbeiter wäre früher nicht möglich gewesen, und fürwahr, das allein
genügt,
die ganze Bedeutung des vierten Standes zu veranschaulichen . . . .
Alle diese Dichter sind in gewisser Weise
self-made-men, begabte Köpfe, die in der Armee der Sozialdemokratie
getrieben
worden sind. Warum sucht die Gesellschaft die wirklich Befähigten unter
den
Proletariern nicht in ihren eigenen Dienst zu nehmen und anständig zu
belohnen?
Es ist merkwürdig, welchen gewaltigen Eindruck auf diese strebenden
Geister die
geniale Persönlichkeit Lassalles gemacht hat. Lassalle hat die
Hasenclever,
Frohme, Kegel, Scheu und Lepp aufgeweckt . . . . Sie wissen auch andere
Töne,
als die dem engen Parteiprogramm entlehnten, anzuschlagen. Nur ein
eingefleischter Bourgeois kann sich einbilden, daß ein Sozialdemokrat
notwendig
ein gefühl- und herzloser Mensch sein müsse. . . . . Diese Dichter sind
reich
an Empfindungen; es fehlt ihnen nicht die Vielseitigkeit; sie haben ein
warmes
Herz für Familie, Freundschaft, Heimat. Und es ist ein großes Glück,
daß es so
ist; es wäre schlimm, wenn erst beim Bourgeois der Mensch anfinge; es
wäre
schlimm, wenn Reich in einem Buche „Die bürgerliche Kunst und die
besitzlosen
Volksklassen“ ein Recht hätte, zu sagen: „Menschen im wahren Sinne sind
nur die
kunstsinnigen Gebildeten und Besitzenden, nicht die wimmelnden Massen
der kunstfeindlichen
Barbaren des Proletariats.“ Unter Verweisung auf die
sozialdemokratischen
Dichter wird in der Kritik des „Grenzboten“ schließlich der Auffassung
widersprochen, daß die Sozialdemokratie Vertreterin des
„entsetzlichsten
Materialismus“ sei, daß sie keine Ideale habe. „Sie will den Fluch
bannen, der
auf der Arbeit ruht, damit der Haß zur heiligen Liebe werde.“ Das ist
die
„Reaktion gegen die ideallose Bourgeoisie, deren Götze der Mammon,
deren König
das Gold ist.“
Möchte
diese aus
antisozialdemokratischem Lager stammende Beurteilung der
„Arbeiter-Dichtung“
auch für die vorliegende Sammlung die gebührende Beherzigung erfahren.
Der
Vorstand
des
Sozialdemokratischen
Vereins für den
8.
u. 10.
schleswig-holsteinischen Wahlkreis