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Literatur


04.2


Politische Gedichte

Georg Herwegh






Die Arbeiter an ihre Brüder

Wir schüren in den Essen
Die Feuer Tag und Nacht,
Am Webstuhl, an den Pressen
Steht unsre Friedenswacht.

Wir schürfen in dem Qualme
Der Gruben nach Metall,
Den Segen gold’ner Halme
Dankt uns der Erdenball.

Doch wenn das Korn gedroschen,
Dann heißt es: Stroh als Lohn,
Dann heißt’s: für uns den Groschen,
Den Taler dem Patron.

Dann heißts: für uns den Schragen,
Das weiche Bett dem Gauch!
Dann heißt’s: Nichts in den Magen,
Und Kugeln in den Bauch!

Vergebens aus der Tiefe
Steigt der Beraubten Chor,
Mit seinem Vollmachtsbriefe
Ans Glück, zum Licht empor.

Was hilft es, dass wir trotzen,
So lang noch, mordbereit,
Ihr gegen uns den Protzen
Die starken Arme leiht?

O weh, dass ihr, im Bunde
Mit ihnen, uns verließt,
Und dass ihr uns wie Hunde
Auf ihr Geheiß erschießt!

Ach, wenn sie euch nicht hätten,
Wär’ Alles wohlbestellt;
Auf euren Bajonetten
Ruht die verkehrte Welt.

An euren Bajonetten
Klebt aller Zeiten Fluch;
Wir trügen keine Ketten,
Trügt ihr kein buntes Tuch;

Wir brauchten nicht zu frohnen
Für Sultan und Vezier,
Nicht länger für die Drohnen
Zu darben brauchten wir.

Wir hätten nicht zu beben
Vor Pascha oder Scheik
Und könnten bald erleben
Den großen Fürstenstreik.

Durch euch sind wir verraten,
Durch euch verkauft allein:
Wann stellt ihr, o Soldaten,
Die Arbeit endlich ein?







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