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04.2
Politische Gedichte
Georg Herwegh
Der Arme
Jacob und die kranke Lise
Der
arme Jacob
Der
alte Jakob starb heut nacht –
Da
haben sie am frühen Morgen
Sechs
Brettchen ihm zurechtgemacht
Und
drin den Schatz geborgen.
Ein
schmucklos Haus! Man gibt in's Grab
Dem
Feldherrn doch den Feldherrndegen –
Warum
nicht auch den Bettelstab
Auf
diese Bahre legen?
Den
Degen, den er treu geführt,
Der
in die Scheide nie gekommen,
Bis
ihn der letzte Schlag gerührt
Und
von der Welt genommen.
Er
war der Welt, sie seiner satt –
Zu
zwölfen in der engen Stube! –
Weh'
ihm! ein überflüssig Blatt,
O
Lenz, in seine Grube!
Als
hätt' er Großes nie getan,
Ist
rasch der Glückliche vergessen,
Kein
Dichter stimmt ihm Psalmen an,
Kein
Pfaffe liest ihm Messen.
Die
Heller, die man in den Sand
Ihm
warf aus schimmernden Karossen,
Sind
Alles, was vom Vaterland
Der
arme Mann genossen.
Just
die vom Himmel ihm geprahlt,
Sah'n
diese Erde zwiefach gerne:
So
wird die Schuld an's Volk bezahlt
Mit
Wechseln auf die Sterne.
Und
kaum ist uns genug am Joch
Der
Armut auf gekrümmten Rücken:
Man
will der Knechtschaft Stempel noch
Ihr
auf die Stirne drücken.
Schlaf
wohl in deinem Sarkophag,
Drin
sie dich ohne Hemd begraben,
Es
wird kein Fürst am jüngsten Tag
Noch
reine Wäsche haben!
oben
Die
kranke Lise
Weihnacht!
die kranke Lise schreitet
Durch's
Faubourg hin in banger Flucht,
Sie
hat zu Haus' kein Bett bereitet
Für
ihres Leibes erste Frucht.
Wohl
manches prunkt im Fürstensaale,
Den
stolzer Kerzen Glanz erhellt –
Marsch,
Lise, weiter, zum Spitale,
Dort
kommt das Volk zur Welt.
„Mein
armer Weber mag nur zetteln,
Sein
Fleiß und Schweiß – was helfen sie?
Das
Volk muss Sarg und Wiege betteln:
„Allons,
enfants de la patrie!“
Kind,
dem sie unter meinem Herzen
Die
Lust am Leben schon vergällt,
Geduld,
bis wir im Haus der Schmerzen!
Dort
kommt das Volk zur Welt.
„Sie
feiern heut dem Gott der Armen,
Die
reichen Herrn ein Freudenfest:
Doch
glaubt nicht, dass sich das Erbarmen
An
ihrem Tische sehen lässt,
Dass
je in ihre Festpokale
Der
Schimmer einer Träne fällt –
Marsch,
Lise, weiter, zum Spitale!
Dort
kommt das Volk zur Welt.
„Du
machst mir wahrlich viel Beschwerden,
Der
Liebe Kind, ich dacht' es nie;
Das
wird ein wilder Junge werden:
Allons,
enfants de la patrie!
Für
eurer Prinzen zarte Nerven
Ist
Daun auf Daune hoch geschwellt:
Ich
muss in einer Grube werfen –
So
kommt das Volk zur Welt.
„Kläng
noch die Trommel unserm Ohre
Und
wär' noch eine Fahne rein:
Der
Lappen einer Trikolore,
Er
sollte deine Windel sein;
Du
wärst getauft, eh' seine Schale
Ein
Pfaffe dir zu Haupten hält –
Marsch,
Lise, weiter, zum Spitale!
Dort
kommt das Volk zur Welt.
„Wer
wird so ungestüm sich melden?
Mein
kleines Herz, was suchst du hie?
Nur
noch zum Grabe jener Helden!
Allons,
enfants de la patrie!
Dort
seh' ich in des Frührots Helle
Die
Julisäule aufgestellt –“
Und
nieder sank sie auf der Schwelle –
So
kommt das Volk zur Welt!
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