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04.2
Politische Gedichte
Georg Herwegh
Der
schlimmste Feind
(Februar 1871)
Dies
Volk, das seine Bäume wieder
Bis
in den Himmel wachsen sieht
Und
auf der Erde platt und bieder
Am
Knechtschaftskarren weiter zieht;
Dies
Volk, das auf die Weisheit dessen
Vertraut,
der Ross und Reiter hält,
Und
mit Ergebenheitsadressen
Frisch,
fromm und fröhlich rückt ins Feld;
Dies
Volk, das einst aus Cäsars Schüssel
Und
Becher sich so gern erfrischt
Und
sich, wie Mommsen, seinen Rüssel
An
Cäsars Tischtuch
abgewischt;
Dies Volk, das gegen Blut und Eisen
Jungfräulich schüchtern sich geziert,
Um schließlich den Erfolg zu preisen,
Womit man Straßburg bombardiert.
Dies
Volk, das im gemeinen Kitzel
Der
Macht das neue Heil erblickt
Und
als „Erzieher“ seine Spitzel
Den
unterjochten „Brüdern“ schickt.
Die
Alten, Lieben, Wohlbekannten
Von
Anno Sechsundsechzig her,
Schafott-
und Bundesbeil-Votanten,
Sie
schüfen Deutschland? – Nimmermehr!
Sie
werden mit verschmitzten Händen
Entreißen
euch des Sieges Frucht;
Sie
werden euren Lorbeer schänden,
Dass
euch die ganze Welt verflucht!
Frankreichs
gekrönter Possenreißer
Wird
nach Paris zurückgebracht;
Euch
holt man einen Heldenkaiser
Aus
mittelalterlicher Nacht.
Das
Blut von Wörth, das Blut von Spichern,
Von
Mars-la-Tour und Gravelotte,
Einheit
und Freiheit sollt’ es sichern –
Einheit
und Freiheit? Großer Gott!
Ein
Amboss unter Einem Hammer,
Geeinigt
wird Alt-Deutschland stehn;
Dem
Rausche folgt ein Katzenjammer,
Dass
euch die Augen übergehn.
Mit
patriotischem Ergötzen
Habt
ihr Viktoria geknallt;
Der
Rest ist Schweigen oder Lötzen,
Kriegsidiotentum,
Gewalt.
Es
wird die Fuchtel mit der Knute
Die
heil’ge Allianz erneun:
Europa
kann am Übermute
Siegreicher
Junker sich erfreun.
Gleich
Kindern lasst ihr euch betrügen,
Bis
ihr zu spät erkennt, o weh! –
Die
Wacht am Rhein wird nicht genügen,
Der
schlimmste Feind steht an der Spree.
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