lifedays-seite

moment in time





Literatur


04.2


Politische Gedichte

Kurt Tucholsky



Absage
Von Theobald Tiger

Noch einmal? Ich dächte, wir hätten jetzt Frieden?
Über Gesetze wird friedlich entschieden …
 Ein Straßensturm auf ein Parlament
 ist kein Argument.

Diese Matrosen sind keine Matrosen.
Dazwischen Schwärme von Arbeitslosen.
 Kämpfer. Banausen. Neugierige. Mob.
 Nun aber stop –!

Das Parlament ist ein Spiegel des Landes.
Da sitzen Vertreter jeden Standes.
Will euch die Politik verdrießen –:
 Wählen! Nicht schießen!

Eine Gasse der Freiheit – nicht eine Gosse!
Rückt ab von jenem Lärmmachertrosse!
Wir brauchen Ruhezeit. So wird das nie
eine Demokratie –!

zurück




Ach, sind wir unbeliebt!
von Kaspar Hauser

Wenn man, wie wir, den Umsturz liebt,
macht man sich häufig unbeliebt.
Die Herren mit dem hohen Kragen.
die können dieses nicht vertragen.

Das Fräulein Ännchen reicht mir Tee.
Der Herr Assessor will Calais.
Wir sprechen auch vom Liebknecht-Mord.
Sie gleiten hurtig drüber fort.

Man denkt voll Freuden des Gerichts.
Ich räuspre mich und sage nichts.
Der Herr Assessor guckt mich an:
Ist das ein Bolschewistenmann?

Und auch das Fräulein Ännchen schaut.
Wie zart ist ihre weiße Haut!
Doch je auf meinen Kissen ruhn –
das wird sie ganz gewiss nicht tun.

Ich fühl es leider ganz genau,
sie ist wie jede kleine Frau:
Sie liebt nicht Den, der revoltiert –
brav muss er sein, dem sie gebiert.

Wie ist sie süß! wie ist sie munter!
Ich falle langsam hinten runter.
So zeigts sichs wieder,
Bruder – nämlich:
Gesinnung ist oft unbequemlich,

wenn man sich sozialistisch gibt …
Ach Gott, wie sind wir unbeliebt!

zurück












   lifedays-seite - moment in time