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Literatur


04.2

Der Todtentanz - Ein Gedicht

Ludwig Bechstein

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Der Bischof



Der stille Wandrer trat in eines Tempels Hallen,
Das Volk war betend auf die Knie gefallen;
Die Kerzen flammten vor dem Hochaltar,
Es klangen Töne, süss und wunderbar
Durch die gottheilige Feierstille,
Ein Himmelslied voll Harmonienfülle.
Wie zarter Nebel schwebte durch den Dom
Der Weihrauchwolken duftendes Arom,
Und wie Verklärungsglanz der Sonne lichter Strahl
Sich sanft durch buntbemalte Scheiben stahl,
Und magisch dämmernd um das Laub
Der Säulen wob,
Auf Heiligenbilder fiel, und Herzen mit erhob. –
 
Und auseinander ging die fromme Menge,
Es wogte durch die hohen Säulengänge;
Der Bischof blieb am Altar betend stehen,
Da fühlt‘ er’s kühl um seine Stirne wehen.
Er stand allein im öden Gotteshaus,
Die Kerzen löschten nach einander aus.
Ein Schauer rieselte durch sein Gebein;
Er betete wohl früher hier allein,
So hatt‘ es aber ihn noch nie befangen,
Und vom Altar ist er hinweggegangen.
Da dröhnt‘ es wunderbar bei jedem Tritt,
Als über manches Denkmal ging sein Schritt,
Dem Boden eingefügt von Marmor und Metall,
Als dräng‘ aus jeder Gruft ein dumpfer Glockenhall.
Die Monumente schienen sich zu heben,
Der Bischof eilte fort mit unnennbarem Beben.
 
Der Wandrer schritt ihm nach, zum Tempel ernst hinaus,
Er folgt‘ ihm in das reichgeschmückte Haus,
Wo jenen lächelnd ein holdblüh’ndes Kind empfing,
Und, sichtbar keinem Blick, in seinen Arm sich hing.
„Wie bleich ihr seid! – sprach sie bei dem Umfangen:
„Ich will Euch Röthe küssen auf die Wangen!
Kommt, setzt Euch neben mich! Des Weines Feuerwürze
Gibt neue Gluth! Vergönnt, dass dass ich die Zeit Euch kürze
Mit einem Lied zu meiner Laute Klang!“
Der Bischof küsste sie verlangend, und sie sang. –
 
Und Abend ward’s und Nacht; der fromme Bischof schlief
In seiner Buhlin Armen fest und tief,
Da trat ein Traum vor seine Seele hin,
Ein wunderlicher Traum spann sich um seinen Sinn.
Er sahe sich auf einer schönen Flur,
Im Schmuck und Anmuth prangte rings Natur.
Dort Dörfer, Städte, freundlich zwischen grünen
Lustwäldern hingelagert an der Hügel Rand,
Und von der Felsen steiler Wand
Erhoben zierend sich ehrwürdige Ruinen,
Zahllose Heerden weideten umher,
Ihm war’s, als ob er selbst der Hirten einer wär.‘
Zwar trug er noch sein bischöflich Gewand,
Doch einen Hirtenstab in seiner Hand,
Allein wohin er ging, entflohen scheu die Heerden,
Als schrecke sie des Wolfs blutgier’ger Zahn.
Die Hirten fingen laut zu jammern an,
Und wandelten umher mit kläglichen  Geberden,
Verscheucht, verstreut, trostlos auf  irrer Bahn:
Die Sonne neigte sich, schon wollt‘ es Abend werden.
 
Da sah der Träumer einen bleichen Mann,
Der kam, und fasst‘ ihn an;
Da fühlt‘ er wieder jenes kalte Schauern,
Das ihn umwehet in des Domes Mauern;
Der Bleiche sprach: „Komm Bischof, folge mir,
Du bist kein guter Hirte, die Heerde flieht vor Dir!
Du bist der Wolf im Schafskleid – Tugend lehrt
Dein Mund, allein Dein Wandel ist verkehrt.
Wenn im Gericht wir einst den Herrn der Welten sehn,
Dann wirst Du bei den Böcken stehn.
Und wird er fragen, wo die sind, die Dir vertraut,
Dann wehe Dir, dann rufen Sünder laut
Auf Dich den ew’gen Zorn, und ihrer Sünden Last
Trifft Dich, weil Du sie falsch geleitet hast!“

 
Und ängstlicher und bänger ward der Traum,
Der Bischof sah sich jetzt in einem öden Raum,
Farblos und düster war es rings umher,
Die Luft so heiss, beklemmend, und so schwer.
Der Bischof ächzt mit wimmernden Gestöhn,
Die Freundin jammert – ach, er kennt sie schon nicht mehr –
Und hat den nächsten Morgen nicht gesehn.

oben

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Textgrundlage und Bilder:  Der Todtentanz - Ein Gedicht von Ludwig Bechstein,
mit 48 Kupfern in treuen Conturen nach  Hans Holbein. Leipzig, herausgegeben bei
Friedrich Augus Leo, 1831, gedruckt bei J. B. Hirschfeld

Düsseldorf, Universitäts- und Landesbibliothek
Online-Ausgabe

Bilder: Holbein d.J.  und W. Hollar(1498-1543, gemeinfrei, aus der Todtentanz
wikimedia.org

Logo 465: „Dans Macabre“, Bernt Notke, gemeinfrei
wikimedia

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