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Literatur


04.2

Der Todtentanz - Ein Gedicht

Ludwig Bechstein

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Der Edelmann



Der Wandrer ging durch den Dämmerschein,
Durch Feld und Gehölz und immer allein;
Und als er so ging mit weiten Schritten,
Da kam ein hoher Reiter geritten.
Der Wandrer wusste, wer er war,
Und schritt ihm näher unsichtbar,
Und schlug das Ross mit leisem Streich,
Leblos zu Boden sank es gleich.
Der Reiter, der sich überschlug,
Rafft’ sich empor mit einem Fluch,
Liess Pferd und Zeug, und eilte so
Des Wegs zu Fuss weiter; froh
Dass er den Falken auf seiner Hand
Noch unbeschädigt am Leben fand,
Und dass nicht die schöne Rüstung zerbrach;
Ihm schritt der Wandrer langsam nach.

Sie gingen auf einer Berghöh’,
Tief unten lag ein spiegelnder See,
Um dessen Ufer lachend und schön
Ein Kranz sich zog von Städten und Höhn.
Und näher und näher langsam und sacht
Kam dem Ritter der Pilger in Bauerntracht,
Und sprach ihn an mit grüssendem Wort;
Der Ritter aber ging weiter fort,
Gar trutziglich ging er, und dünkt sich was rechts,
Und achtete nicht auf den Gruss des Knechts.
Der aber hielt ihn gewaltsam an
Und donnerte: „Halt, Herr Rittersmann!
Warum nicht dankt Ihr des Bauerns Gruss?“
„Das thu’ ich darum, weil ich nicht muss!“
Entgegnet der Ritter zornig und laut,
Hat auch grimmig den Landmann angeschaut:
„Wenn der Bauer nicht immer die Peitsche fühlt,
Gleich in seinem Dünkel den Herrn er spielt.
Einen Bauer grüssen, ihn blicken nur an
Wär’ ihm zu viel Ehre angethan.
Packt Euch gleich von dannen, Ihr grober Knecht,
Sonst will ich Euch lehren, mit wem Ihr sprecht!“
Da gellt durch die Lüfte, grässlichen Tons,
Ein wildes Gelächter entsetzlichen Hohns,
Und der Bauer stand vor dem Ritter da,
Wie ein brüllender Leu aus Afrika,
Und rief: „Du Schächer, so hältst Du werth
Den Mann, der Dich und die Deinen ernährt?
Mit Füssen trittst Du den Bauernstand?
Ein wucherndes Unkraut bist Du dem Land!
Ein wilder Rebstock, der um sich rankt,
Doch Niemand labende Frucht ihm dankt!
Da prangst mit Federn und Geld und Seide,
Der Bauer muss gehen im groben Kleide,
Muss Dich nur kleiden mit seinem Fleiss,
Muss Dich nur mästen mit seinem Schweiss!“


Der Edelmann entsetzte sich,
Der Bauer war gar zu fürchterlich,
Und niemand zeigte sich weit und breit,
Der etwa wär‘ zur Hülfe bereit.
„Lass sehn, Du Männlein, hochgeborn,
Ob Du von besserm Schrot und Korn?
Fort, fort mit Deinem Firlefanz,
Es gilt jetzt einen ernsten Tanz!“

Den Falken von des Ritters Hand
Nahm der Bauer und warf ihn todt in den Sand;
Die bunte Scherpe riss er in Fetzen,
Und eilte, die Füsse drauf zu setzen.
Das Helmvisir von einem Schlag
Zersplittert und klirrend am Boden lag.
Dann riss er den Brustharnisch ihm vom Leib,
Starr stand der Ritter, wie Loths Weib;
Und der Harnisch auf den Boden klang,
Dass er mitten von einander sprang.
Da rief der Ritter im Drang der Noth
Die Heiligen an, Marien und Gott,
Der Bauer aber liess ihn stehen,
Und wurde von ihm nicht mehr gesehen.

Er kam in sein Schloss, wie ein Schatten bleich,
Liess den Pater kommen und beichtete gleich,
Und als er krank auf dem Lager lag
Nach jenem Anfall am dritten Tag,
Da schrie er: „Seht dort den Bauer, hu!“
Und schloss die Augen auf ewig zu.

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Textgrundlage und Bilder:  Der Todtentanz - Ein Gedicht von Ludwig Bechstein,
mit 48 Kupfern in treuen Conturen nach  Hans Holbein. Leipzig, herausgegeben bei
Friedrich Augus Leo, 1831, gedruckt bei J. B. Hirschfeld

Düsseldorf, Universitäts- und Landesbibliothek
Online-Ausgabe

Bilder: Holbein d.J.  und W. Hollar(1498-1543, gemeinfrei, aus der Todtentanz
wikimedia.org

Logo 465: „Dans Macabre“, Bernt Notke, gemeinfrei
wikimedia

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