Das
höllische Automobil
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Frechdachs
machte sich auf und
überlegte: ’Wen soll ich bringen?
Pikant, das ist leicht gesagt, aber wo gibt es heutzutage Menschen von
pikantem
Geschmack, die noch genießbar sind? Wenn ich den Doktor
Schwalbendreck erwischte, dem vor Brotneid das Blut sauer geworden ist
und der
infolge seiner krankhaften Begierde, üble Gerüchte zu verbreiten, einen
netten
kleinen Herzkrebs von zweifellos schwefligem Geschmacke acquiriert hat,
so wäre
das ja am Ende ein gefundenes Fressen für meinen Herrn und Meister, der
überdies, so viel ich weiß, noch keinen Dramatiker gegessen hat, aber
erstens
wird es schwer sein, dieses Herren habhaft zu werden, der sehr
vorsichtig
geworden ist, seitdem ihm jemand von ferne eine Pistole gezeigt hat,
und dann
fürchte ich, daß er
schließlich zu penetrant schmeckt. Vergiften darf ich meinen
verehrten Giganten doch auch nicht gleich. Sonst brauchte ich ihm ja
nur ein
Gänseweißsauer von verleumderischen Klatschbasen zu servieren, deren
ich einige
in der Stadt Knödelimkraut recht gut kenne.…
Halt! Wie wärs mit dem dicken Literaten, der
früher Pastor war!? In ihm vereinigt sich ein Restchen pfäffischer
Heimtücke
mit journalistischer Giftdrüsenhypertrophie, — eine angenehme
Mischung, sollte
ich meinen. . . Aber diese Art Leute sind schwer zu fassen. Es
gibt keinen Strick, aus dem sie sich nicht zu winden
vermöchten. Ich spare ihn mir für ein andermal auf!‘ — So
ritt Frechdachs in ziemlicher
Verlegenheit durch Flur und Auen. Da begegnete ihm in seiner Kutsche
der Doktor
Rasso Schneidebein, der zu einer armen alten Frau gerufen worden war.
”He,
Herr Doktor, Herr Doktor!“ rief Frechdachs, ”bitte, kommen Sie
doch gleich zu meinem Meister, der sich übergessen und Bauchkneipen
hat, und
geben Sie ihm was ein.“
”Hat
dein Meister Geld?“ fragte Doktor
Schneidebein.
”Na,
ich danke,“ sagte Frechdachs, ”Geld wie Heu! Sie kriegen
zehn Taler.“
”Zehn
Taler?“ dachte sich der Doktor, ”das ist ein hübsches
Stück Geld, und von der Alten krieg' ich bloß ein Vergeltsgott. Mag sie
meinetwegen ohne mich sterben!“
”Also
schön,“ sagte er, ”ich komme mit; es muß aber auch etwas Ordentliches
zu essen geben.“
”Einen
fetten Braten,“ sagte Frechdachs und sah dabei den Doktor an, der in
der Tat sehr fett war.
Als
sie in die Nähe des Waldes kamen, wo
der Riese wohnte, wurde es dem Doktor unheimlich zumute.
”Das
ist ja der wilde Wald, wo der Menschenfresser haust,“ rief er; ”bist du
wahnsinnig, daß du mich dorthin führst?“
”Wieso
denn,“ sagte Frechdachs, ”es ist ja der Menschenfresser,
dem Sie etwas eingeben sollen, weil er Bauchweh hat.“
”Um
Gottes willen,“ schrie der Doktor, ”was soll
ich denn dem Riesen eingeben?“
”Sich
selber sollen Sie ihm eingeben, denn Sie stecken ja voll von
Medizin,“ sagte Frechdachs.
”Nein,
nein, nein, das will ich nicht,“
rief der Doktor; ”ich
muß zu einer alten Frau, die im Sterben liegt.
Umkehren, Kutscher, umkehren!“
”Das
hättest du früher sagen sollen, alter Schuft,“ rief Frechdachs,
schlug dem Doktor den Schädel ein, legte ihn quer vor sich auf den
Sattel und
galoppierte davon, ehe der Kutscher seinem Herrn hätte zu Hilfe kommen
können.
Auch
mit dieser Leistung war Rumbo sehr
zufrieden, zumal der Doktor in der Tat sehr pikant nach Karbol,
Jodoform und
anderen Medizinen schmeckte.
”Du
bist ein verflixter Kerl, Frechdachs,“
sagte er, ”und
verstehst Abwechslung in meinen Nachtisch zu bringen. — Was
gibt's denn nächsten Sonntag?“
”Einen
Pfarrer,“ antwortete Frechdachs.
”Ah,“
schmunzelte Rumbo, ”einen
Pfarrer! Das
ist eine ganz herrliche Idee! Such aber einen recht fetten aus, ja?“
”Ich
weiß schon einen,“ sagte Frechdachs, und dachte an den, der ihm in der
Christenlehre immer so heftig ins
Gewissen geredet hatte, weshalb er ihn aufrichtig haßte. Ging also zu
ihm und
sprach: ”Lieber Herr
Pfarrer, ich soll Euch zu einer Gastmahlzeit bei meinem Herrn, dem
reichen
Gutsbesitzer Jörg Maulvoll, einladen für nächsten Sonntag. Mein Herr
würde
glücklich sein, einen so heiligen Mann nach Verdienst mit den
herrlichsten
Speisen und Weinen zu bewirten.“
Und
fügte noch viele grobe
Schmeicheleien und Erzählungen hinzu, was für schöne und gute Dinge es
geben
werde.
Der
Pfarrer war aber wirklich ein
frommer Mann und sprach: ”Am Sonntag habe ich keine Zeit, viel zu essen
und zu trinken, da muß ich meine Predigt halten. Komm
du in meine Predigt, Bursche, und dein Herr auch, das ist meine
Einladung. Leb wohl!“
’Au
weh,‘ dachte sich Frechdachs, ’bei dem bin ich
schief angekommen.
Wenn die Pfarrer alle so sind, kann sich Rumbo den Mund wischen.‘
Es
waren aber nicht alle so. Schon beim
nächsten glückte es.
”So,“
sagte der, ”gefüllten Truthahn, eingemachte Hammelnieren, Erdbeeren mit
Schlagrahm, Apfelsinentorte und
Muskatwein? Hm, hm! Und Herr Maulvoll ist ein Mann, der einen heiligen
Lebenswandel schätzt? Gut. Gut. Ich komme. Ich komme gleich mit.“
Während
er sich reisefertig machte, kam
ein Bote und meldete, daß ein armer Taglöhner am Sterben sei und gerne
noch mit
dem Herrn Pfarrer beten wolle.
”Ich
habe eine wichtige Abhaltung,“
sagte der Pfarrer; ”so
schnell stirbt sich's nicht; er soll bis morgen warten.“
’Du
wirst gleich sehen, wie schnell sich's stirbt,‘ dachte sich
Frechdachs, half dem dicken Pfarrer in die Kutsche, setzte sich auf den
Bock
und fuhr los. Die Pferde liefen wie der Wind, die Kutsche sprang und
tanzte nur
so über Stock und Stein.
”Nicht
so schnell, nicht so schnell,“
rief der
Pfarrer; ”das Essen wird mir nicht bekommen, wenn ich so durchgerüttelt
werde.“
”Aber
mürbe wirst du werden!“ rief Frechdachs.
”Mürbe?
Wieso? Was heißt das?“ keuchte der Pfarrer.
”Das
heißt, daß du ein zäher Heuchler bist. Hü! Rappen! Hü! Rumbo hat
Hunger.“
”O
Gott! O Gott! O Gott!“ stöhnte der Pfarrer. ”Der Teufel sitzt auf dem
Bocke.“
”Nein,
des Teufels Küster sitzt in der Kutsche,“ sagte Frechdachs, kehrte die
Peitsche
um und schlug mit dem dicken Ende den schlechten Pfarrer tot.
Wie
Rumbo diesen dicken Mann sah, lief
ihm das Wasser im Munde zusammen, und er wollte sich gleich über ihn
hermachen.
”Nein,
Meister Rumbo, damit wollen wir noch ein bißchen warten,“ sagte
Frechdachs. ”Ich habe mir einen herrlichen Spaß ausgedacht. Den Pfarrer
soll der Teufel
verspeisen, Ihr aber den Teufel!“
”Du
bist selber des Teufels!“ rief Rumbo. ”Wo denkst du hin!
Der Teufel ist stärker als ich.“
”Ja,
wenn er keinen Pfarrer im Leibe hat. Von
dem da aber kriegt er das Bauchgrimmen von wegen der Geweihtheit, und
dann
werden wir seiner fix Herr.“
”Hm.
Das läßt sich hören. Wie willst du aber den Teufel herbekommen?“
”Das
laßt nur meine Sorge sein!“
Frechdachs,
wie ihr wohl schon bemerkt
habt, verstand sich auf Teufeleien, und so ist es kein Wunder, daß er
sich auch
auf den Charakter des Teufels und seiner Großmutter verstand.
Er
ging zu einer Felsenspalte, wo, wie
er wußte, der Teufel oft herauskam, Kienäpfel zu suchen, die er zur
Heizung der
Hölle brauchte.
”He,“
rief er da, ”Herr Baron! Herr Baron!“
”We…we…wer
ruft denn da?“ meckerte es aus
der Felsenspalte. ”Mein Enkel hat keine Zeit. Er macht sich eine
Klaviatur aus Geizhalsknochen.“
”Ah,“
rief Frechdachs, ”hochwohlgeboren die Frau Teufelin-Großmutter! Nein,
was für eine schöne Stimme! Sie sollten
die Königin der Nacht singen! Ich hab' mein Lebtag keinen solchen
Sopran
gehört.“
Des
Teufels Großmutter hatte ein Gefühl,
als würde
sie mit altem Dachsfett
eingerieben, so angenehm fuhr ihr diese Schmeichelei über die runzelige
Haut.
Sie erschien sofort in der Spalte.
Jeder
andere Mensch würde vor ihrer
Häßlichkeit in Ohnmacht gesunken sein. — Ihre Nase war ein
Schweinsrüssel;
ihr Mund eine grüne gezackte Furche, die von Ohr zu Ohr reichte; ihre
Ohren
aber waren zwei alte, feuchte graugelbe Waschlappen. Von Zähnen hatte
sie nur
zweie, die aber standen wie die Hauer einer Wildsau krumm empor, ganz
braun,
und der eine wackelte. Ihre Augen saßen wie Krebsaugen an Stielen und
waren
gelb und fransig wie Pfifferlinge. Anstatt Haaren hatte sie graugrüne
Tannenflechten, die mit schmutzigem Harz verklebt waren. Zwei gräßliche
braune,
mit gelben Adern überzogene Kröpfe baumelten ihr wie große
Flaschenkürbisse am
Halse. Als Kleidung trug sie lederne Hosen und eine Jacke aus demselben
Stoffe,
beides Stücke der Ausrüstung eines eben in der Hölle angekommenen
Automobilisten, der als Klecks an einer Gartenmauer geendet hatte,
nachdem
unter
seinem Mordwagen
zwanzig Menschen umgekommen waren. Auch die Lärmtrompete dieses
Straßenmörders
trug sie am Gürtel, und es machte ihr Spaß, zuweilen auf den Gummiball
zu
drücken, daß es nur so tutete.
”Frau
Baronin beherrschen auch noch dieses modernste aller
Musikinstrumente?“ rief Frechdachs, den ihre Erscheinung durchaus nicht
außer Fassung gebracht hatte. ”Nein, wie talentvoll Sie sind! Und wie
Sie aussehen! Wie Sie aussehen! Die ewige Jugend! Wirklich,
es ist ein Verbrechen, daß Sie sich der Bühne entziehen!“
Des
Teufels Großmutter wand sich vor
Entzücken, daß alle ihre Knochen knackten, und sprach: ”Sie haben viel
Lebensart, mein Herr, und
ich hoffe, Sie bald bei uns begrüßen zu können. Aber was wünschen Sie
eigentlich?“
”Ach,“
antwortete Frechdachs, ”eine
Kleinigkeit. Mein Meister, der berühmte Rumbo,
möchte eine Menschendörrmaschine anlegen, weil er das rohe Fleisch
nicht mehr
verträgt, und da es dafür keine Installateure gibt, möchte er den Herrn
Baron
Ihren Enkel, bitten, die
Anlage zu übernehmen. Über den Preis werden sich der Herr Baron und
mein
Meister schon einigen.“
”Gewiß,
gewiß, mein Herr. Mein Enkel arbeitet zwar sonst seit den
Zeiten der Inquisition nicht mehr außer Hause, mit Ausnahme der
Automobilbranche, aber er wird mir zuliebe schon eine Ausnahme machen.
Was
krieg' ich denn für meine Fürsprache?“
”Einen
Kuß!“ sagte Frechdachs, machte ohne Zaudern einen Schritt vorwärts und
küßte die Alte auf ihre grüne
Furche.
Darauf
mußte er, wieder zu Hause
angekommen, sich zum erstenmal in seinem Leben die Zähne putzen.
Ihr
könnt euch denken, was für Augen
Rumbo machte, als er hörte, daß der Teufel selber ihn besuchen wollte.
Er war
außer sich vor Freude darüber, denn er zweifelte gar nicht mehr daran,
daß es
ihm gelingen werde, den Teufel zu verspeisen.
”Denke
dir bloß,“ sagte er zu Frechdachs, indem er sich fortwährend die
wulstigen Lippen mit seiner
breiten Zunge ableckte, ”ich werde den Teufel als Nachtisch genießen,
als Pille einnehmen, als Bonbon
schlucken! Das wird nicht bloß ein großes Vergnügen für mich, sondern
das erste
Verdienst sein, das ich mir um die Menschheit erwerbe. Paß auf, sie
werden mir
in einer schönen Hurrah-Allee neben lauter Kaisern, Königen, Herzogen,
Prinzen,
Generalen und Diplomaten ein zuckerblankes Denkmal setzen und darauf
schreiben:
’Ihrem großen Wohltäter Rumbo,
der den Teufel gefressen hat, die hochachtungsvoll dankbare und ganz
ergebene
Menschheit.‘ — Ha, und wie
er nach Pech und Schwefel schmecken und wie heiß sein Blut sein wird!
Wahrhaftig, Frechdachs, du bist ein Hauptkerl! Komm her, ich muß dir
einen Kuß
geben!“
”Lieber
nicht!“ sagte Frechdachs, ”es könnte leicht passieren,
daß du mir vor lauter Zärtlichkeit dabei den Kopf abbeisst, und ich
habe mir
sagen lassen, daß das ein unangenehmes Gefühl ist. Wir wollen uns
lieber
darüber einigen, wie hoch du mir den Teufel anrechnest. Denn das ist
doch wohl
klar, daß er mehr gilt als ein Mensch.“
”Das
versteht sich,“ sagte Rumbo, ”alles, was recht
ist: Der Teufel muß mehr gelten, als ein Mensch. Darüber sind sich die
Gelehrten einig.“
”Na,
das freut mich, daß du das einsiehst, obwohl du viel dümmer bist
als lang und breit,“ meinte Frechdachs, den seine Erfolge noch
unverschämter gemacht
hatten als er von Natur schon war, ”aber nun wollen wir mal sehen,
ob du dir auch einen Begriff machen kannst, um wie
viel der Teufel mehr gelten muß als der Mensch.“
”Ich
glaube,“ sagte Rumbo nach einigem Nachdenken, ”wir können ihn für fünf
Menschen rechnen.“
”Warum
gerade für fünf?“ fragte Frechdachs.
”Wenn
fünf Menschen ihren Verstand zusammentun,“ antwortete Rumbo, ”sind sie
imstande den Teufel zu betrügen.“
”Das
ist richtig,“ sagte Frechdachs, ”aber der Verstand ist auch des Teufels
schwächste Seite. Du mußt mehr sagen, Rumbo!“
”Hm,“
sann der nach, ”hm, warte mal: Sagen wir zehn!“
”Warum
zehn?“ fragte Frechdachs.
”Wenn
zehn Menschen,“ antworte Rumbo, ”ihre
Bosheit zusammentun, ist es so viel Bosheit, wie der Teufel allein
besitzt.“
”O,“
meinte Frechdachs, ”da
irrst du dich. Wenn es auf die Bosheit ankäme, brauchten
wir den Teufel nicht höher zu berechnen als einen Menschen, denn ein
Mensch hat
für sich allein mehr Bosheit im Leibe als der Teufel und seine
Großmutter
zusammen. Trotzdem ist aber zehn eine zu niedere Zahl; du mußt schon
noch was drauf legen.“
”Hör
mal,“ sagte Rumbo, ”du bist doch wirklich ein Frechdachs. Du tust
gerade so, als wenn ich ein kleiner Junge
wäre, und ich säße bei dir in der Rechenstunde. Sage mir lieber gleich,
wie
hoch ich dir den Teufel anrechnen soll.“
”Du
sollst ihn mir,“ sagte Frechdachs, ”für hundert
Menschen anrechnen, denn der Teufel ist hundertmal ehrlicher als
ein Mensch.“
”Ich
denke, er ist der Vater der Lüge?“
meinte Rumbo.
”Das
schon,“ erwiderte Frechdachs, ”aber er
leugnet das auch gar nicht. Er lügt immer und ewig, nur in einem nicht.
Er sagt
nicht: ’Ich bin die Wahrheit,‘ wie er auch nicht sagt, ’ich
bin die Liebe,‘
oder: ’ich bin die Güte.‘ Nein, der Teufel ist die Lüge, der Haß, die
Bosheit, aber das bekennt
er auch, während die Menschen sich immer besser stellen, als sie sind,
und
keiner treffgenau das ist, was er scheinen möchte. — Aber, um
das
zu kapieren, bist du wirklich zu dumm, Rumbo, denn nicht einmal die
Menschen,
die doch im allgemeinen klüger sind, als du, wollen das einsehen. Gib
dir
weiter keine Mühe, das Rechenexempel zu fassen, und nimm es einfach für
richtig
an. So hast du am wenigsten Schererei und darfst dabei die angenehme
Empfindung
haben, an eine große Wahrheit wenigstens zu glauben, wenn du sie auch
nicht begreifst.“
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