Mittagsschwüle liegt über dem
See, träg schlagen die
Wellen ans Ufer. Eine schwere Wolkenwand hängt ohne Regung an den
Spitzen der
Berge, und drüber weg wirft die Sonne mattblitzende Speere über das
tiefe
Graublau des Wassers. Einsam schaukelt ein Kahn im Röhricht, in dem
große
Wasservögel schläfrig sitzen.
Weiß und hell schimmert
das Klostergebäude am Gestade
aus dem Kranz der Linden, und das Kirchlein ist fast untergetaucht
unter die
hohen Wipfel. Still und kühl ist's in seinem Frieden, sacht klirren die
Fenster,
wenn der Wind vom See her weht. Dann stiehlt sich auch ein feiner Duft
durch
die offenen Scheiben, denn draußen wiegt sich ein weißer Rosenstrauch
hin und
her. Blasse Sonnenlichter schlüpfen durch das Blätterwerk des
Strauches, tanzen
langsam auf den Fliesen des Kreuzganges in dem grauen, kühlen Frieden.
Vor dem Bild des
Erlösers, in einem der hohen Stühle
sitzt eine Nonne, das friedliche Runzelgesicht tiefgebeugt; in ihrem
Schoß ruht
ein Strauß weißer Rosen, über die sie die Hände zum Gebet gefaltet hat
– sie
schläft. Der Duft der weißen Rosen! Sie ist wieder im Vaterhaus, in dem
kleinen
düstern Garten unter dem Rosenstrauch, der über die Mauer des
Nachbargartens
hängt, sie steht auf den Fußspitzen und will nach den Blüten greifen.
Aber
immer wieder schnellt der Zweig zurück, und immer wieder streckt sie
sich
danach und kann ihn nicht fassen. Vor Eifer kriegt sie glührote Backen,
Nachbars Rosen muß sie haben, sie sind zu schön! Da sieht sie
plötzlich
ein lachendes Knabengesicht zwischen den Zweigen. »Diebin! Diebin! Na
wart' du
nur!« Vor Schrecken vergißt sie davonzulaufen, steht und errötet.– Oh,
da
fliegt ein Strauß Rosen über die Mauer, ihr gerade ins Gesicht, von dem
lachenden Buben sieht sie nichts mehr. –
Der Tanz der
blassen Sonnenflecken im Kreuzgang wird
eifriger, wird bunter. Ein knisterndes Rauschen geht durch den Strauch,
der
Wind fährt über den See, bläst gegen die Fenster, daß sie klirren, und
schüttelt die Rosen – Welle um Welle pocht ans Ufer, die alte Nonne
träumt
weiter.
Sie geht mit
ihrer Schulmappe sittsam an den Häusern
hin und schaut nicht links und rechts, ganz wie es Mutter haben will,
aber sie
weiß, daß er hinter ihr geht. Ihr kleines Herz klopft unruhig, ihre
Schritte
werden immer schneller, da ist sie ja an ihrer Gartenpforte und
Nachbars Tür
daneben steht offen. –
Wie sie da
hineinkommt, weiß sie selbst nicht, aber
sie steht auf dem Kiesweg und ein Strauß weißer Rosen fliegt über ihren
Kopf
weg vor ihr nieder. Schnell will sie sich danach bücken, aber da sieht
sie vor
sich das lachende Gesicht des jungen Studenten – vier Wangen glühen,
vier Augen
leuchten, Mund preßt sich an Mund, der Rosenstrauß liegt vergessen am
Boden.
Die blassen
Sonnenflecken verwischen sich, Wolken
ziehen über das Licht, in der Kirche wird es dunkel, und die schwere
Wand rückt
näher. Ganz schwarz wird der See und zitternde Schauer jagen über
seinen
Rücken, unstäte Wellen schickt er ans Ufer, die Kette des Kahnes
klirrt,
und mit schrillem Schrei fahren
die Wasservögel auf.
Das Wetter kommt.
Ein
johlender Ton ist in den Bergschluchten erwacht und gellt über den See.
Hoch
bäumt er sich auf und sinkt zurück und bäumt sich wieder auf. Die
schwere Wolke
kommt ihm entgegen, tief und tiefer, es ist, als mischten sich Wellen
und
Wolke.
Da birst sie. Wie
ein
Zischen fährt der Blitz durch das Wettergrau, und der Donner läuft
rollend an
den Felswänden hin. Die Nonne träumt weiter.
Sie steht unter
dem
Rosenstrauch und hat eine weiße Rose in der Hand. Er hält sie im Arm
und küßt
ihr lachend die Tränen weg.
»Wer wird denn weinen?
Übers Jahr komme ich wieder und hole dich. Nimm die weiße Rose, sie muß
sich
röten, wenn ich wiederkehre, denn dann wirst du mein Weib.«
Der Sturm rast um
die
Mauern und braust in den Kronen der alten Linden, Blitz um Blitz zischt
nieder
und wirft hastige Lichter in das Dunkel des Kreuzganges, Donner und
Widerhall
reichen sich die Hände, verschlingen ihre Stimmen; die alte Nonne
träumt
weiter.
Die Wellen
dröhnen ans
Ufer, der Schaum sprüht und zerstäubt im Sturm, Hagel prasselt. Ein
Blitz – die
ganze kleine Kirche strahlt vor Helle – sie erwacht. Alles glänzt von
Licht und
Schönheit, einen ganzen Regen weißer Rosenblätter wirft der Sturm über
sie, die
Rosen blühen!
Es ist
Sommerszeit, wie die
Sonne flammt! Da zuckt's wieder auf, die Rosen in ihrem Schoße glühen.
Er kommt! Er
kommt! Da
steht er in strahlender Jugend! Sie breitet ihre Arme aus, die Augen
muß sie
schließen vor Helle, ihr Haupt sinkt auf die Brust – so gleitet sie
langsam zur
Erde.
Wie die Rosen
duften!
Und der Sturm
johlt sein
Lied weiter, der Donner kracht, und von dem Dach der kleinen Kirche
weht eine
lodernde Flamme in die Nacht des Unwetters.
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