Die
Bleistadt
Bum.
Ein schrecklicher
Paukenschlag zerriß die
Luft, und wie eine große, feurige Rakete stieg der gewaltige Mond auf.
Er war
wie eine große kupferne Schallplatte an der Wand eines riesigen
Tempels. Und er
glitt in die schwarzen Wolken, wie ein rotes Gelächter, das über das
schwarze
Gesicht eines Würgeengels huscht.
Er
beschien die weiten
unendlichen Wüsten, in denen
die Türme der bleiernen Stadt, vom Mond klein und eingeschrumpft wie
kleine
dürftige Gewächse, verschwammen, und vor den Augen der Wanderer in der
dünnen
Luft zitterten, als hätten sie die Lichtwellen des Mondes in eine
geheimnisvolle Vibration gebracht.
Das
war also das Geheimnis
der Wüste. Dann hatten
die Winde Jahrtausende die glühende weißköpfige Savanne, die großen
Sandberge,
die riesigen Dünen immer höher geblasen, immer kahler gebrannt, immer
schrecklicher
erhitzt. Darum trockneten alle Oasen aus, darum war das Wasser in den
Schläuchen der Kamele so brackig und stinkend, wie Sumpfwasser
geworden.
Ihre
Führer waren in der Irre
gerannt, blind und
toll, verführt von Irrlichtern, falschen Zeichen, seltsamen
Verrückungen der
Sandberge. Einige der Tuareg waren wahnsinnig geworden, sie hatten sie
im Sande
verloren, einige waren wie von geheimnisvollen Stimmen gerufen,
plötzlich aus
den Reihen des Zuges gebrochen, sie waren halsüberkopf in die Sandtäler
heruntergeritten,
man sah sie noch manchmal auf der Kuppe einer fernen Düne auftauchen.
Dann
waren sie in der Wüste verschwunden. Und die Karawane erstarrte vor
Schrecken.
Einige waren plötzlich erblindet und griffen mit ihren Händen in die
leere
Luft, die andern weigerten sich oft, sie weiterzuführen. Und sie hatten
sie nur
vorwärts treiben können, indem sie ihnen die Gewehre auf den Hinterkopf
aufsetzten. Die Stadt hatte sich mit einem unsichtbaren
Wall von Zaubereien umgeben, und die Himmel, durch die sie zogen, waren
wie
große gläserne Mauern, die das letzte Geheimnis des schwarzen
Kontinents
behüten sollten.
Manchmal waren ihre Füße wie
angenagelt gewesen,
manchmal überfiel sie ein unnatürlich langer Schlaf. Und entsetzliche
Träume
jagten sie nachts aus den Zelten.
Manchmal
schien vor ihren
Augen der ganze Himmel zu
brennen, und wie eine ungeheure Sonne furchtbare Protuberanzen in den
Zenith zu
schleudern. Dann brannten ihre Adern vor Glut und traten wie dicke
blaue Wülste
aus ihren Schläfen. Und die Wüste wurde immer einsamer und endloser.
Die
Karawane kroch wie eine weiße Schnecke die Sandberge herauf und
herunter,
bergauf bergab, in einer schrecklichen Monotonie. Und das ewige Rinnen
des
Sandes schien in ihren Ohren manchmal wie ein unterirdisches Donnern zu
wachsen.
Wie
viele waren gestorben.
Sie wußten es nicht,
zuletzt gaben sie sich überhaupt nicht mehr der Mühe hin, die
Umgekommenen zu
zählen. Man beerdigte sie auch nicht mehr. Wenn einer tot aus dem
Sattel fiel,
so blieb er liegen, wo er gerade lag. Die andern ritten mit stumpfen
Augen über
ihn fort, und sein Blut vertrocknete auf ihren Sätteln. Ihre Haare
wurden weiß,
ihre Stimmen wurden trocken, ihre Erinnerungen verloren sich, es war
ihnen, als
wenn auf ihnen große gelbe Vampire säßen, die sich auf ihren Schläfen
schaukelten, und ihren Mund, der wie ein dünner Elefantenrüssel war,
senkten
sie nachdenklich zwischen die Spalten ihrer berstenden Schädel.
Große,
weiße Vögel zogen
manchmal in wilden
Schwärmen über sie dahin, woher kamen sie, wohin flogen sie.
Manchmal
hörten sie hinter
den Sandbergen, die im
Abendrot versanken, den wilden Ton einer kriegerischen Musik, wie
tausend
Trommeln, manchmal tauchten aus dem vor Glut zitternden Horizont
riesige
Untiere auf, wie große weiße Elefanten, die mit einem Schlage wieder
verschwunden waren. Und die Zeit ihrer Reise dehnte sich immer endloser
und
endloser aus, wie ein weißer Faden liefen die Fäden ab aus dem
Bauch einer
großen weißen Spinne, die zu
ihrer Seite hinschwebte,
wie eine riesige weiße Wolke. Die rastete, wenn sie rasteten, wanderte,
wenn
sie wanderten. Und ihre Nähe bedrückte sie, sie wagten nicht
hinzusehen; wenn
sie manchmal den Kopf wandten, um verstohlen nach ihr hinzusehen, war
sie fort.
Da war nur ein großer, rätselhafter weißer Fleck in der brennenden
Luft. Aber
wenn sie sich umdrehten, dann war sie wieder da, und verfolgte sie,
blutsaugerisch, wachsam, unablässig. Und sie fühlten ihre großen, roten
Glotzaugen in ihrem Nacken, wie den kalten Saugarm eines aufgedunsenen
Kraken.
Es
kam ihnen manchmal so vor,
als wenn sie ewig im
Kreise herumzögen, jahraus-jahrein, unter demselben Himmel, auf
denselben
Kreislauf verbannt, wie Satelliten eines geheimnisvollen unsichtbaren
Gestirns,
das sie in seinem Bann hielt, und sie um sich herumschwang, wie ein
Gaukler,
der eine Kugel um seinen Kopf kreisen läßt.
So
zogen sie dahin, an einem
ewig gleichen Himmel
vorbei, in den sie ihre Silhouette einschnitten, zwischen Morgen und
Abend.
Sie
vergaßen fast ihre Namen,
ihre Sprache
schränkte sich auf die einfachsten Ausdrücke ein, ihre Sinne sanken
unter, in
sie hinein, wie betäubt von einem ewig brausenden Wasserfall.
Eines
Morgens wachten sie
auf, in dem Grund eines
versandeten Tales. Sie waren allein. Ihre Führer waren fort mit allen
Kamelen,
nur einige wenige Wassersäcke lagen noch im Sande herum.
Und
die Wächter der Führer
lagen mit
durchschnittenen Kehlen im Sand. Und das weiße Siegel des Entsetzens
war auf
ihre Stirnen gedrückt.
((Jetzt
gehen sie zu Fuß
weiter. Sie hören einen
Wagen rollen, sie sehen Pferde.))