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Literatur


04.3



Der tapfere Cassian
Puppenspiel in einem Akt
Arthur Schnitzler

Buchschmuck O. Laske




 
      D e r  t a p f e re  C a s s i a n - 3
  





 P e r s o n e n

  M a r t i n

 
S o p h i e

 
C a s s i a n

 
Ein Diener

  *****************
 

M a r t i n.            Nun, was weiter? Seither hast du mancherlei
  erfahren! -
 
S o p h i e.             War es dein erster Kuß? So wie es mein erster war?

M a r t i n.            Das kann ich schwören.

S o p h i e.             Martin! ... Und von den schönen Frauen, die
  im Herbst hier das Ballett tanzten, hast du keine geküßt?

M a r t i n.             Keine.

S o p h i e.              Bist du nicht alle Abend im Theater gewesen? Hast
  du nicht gewartet spät nachts, bis sie nach Hause gingen - an
  der kleinen Tür auf dem Rathausplatz?

M a r t i n.             Hab' doch keine gekannt, zu keiner gesprochen.

S o p h i e.              Und die Blume, nach der du haschtest?

M a r t i n              Genug der kindischen Geschichten.

S o p h i e.               dringender. Wie hieß sie, die dir die Blumen zuwarf?

M a r t i n.              Ich weiß nicht mehr.

S o p h i e.               Sie tanzte an jenem Abend das gefangene Mädchen
  aus Athen.

M a r t i n.              Das mag wohl sein.

S o p h i e.               Wie ich sie vor mir sehe! Gleich zuckenden
  Schlangen im Schnee ringelten ihr die schwarzen Locken
  über die Schultern. Alle, die sie sahen, waren toll vor Entzücken.
  Und der Erbprinz warf ihr rote Rosen hinunter auf
  die Bühne . . . O, ich weiß es noch ! Und später auf der Straße
  warteten Hunderte; und als sie kam, den Strauß in der Hand,
  jubelten alle laut, und sie lächelte, und blickte um sich und streute
  Blumen unter die Menge . . . Und du, ja du . . . du! du bücktest
  dich und jagtest nach einer und hobst sie vom Boden auf und
  verwahrtest sie - ich hab's wohl gesehen! - an deiner Brust.

M a r t i n.               greift unwillkürlich nach seiner Brust. Er wirft einen
  flüchtigen Blick nach Sophie, ob sie's gesehen. Nun, was soll's? Sie ist fort,
  ich habe nichts mehr von ihr gehört.

S o p h i e.               Aber mich bangt, Martin, daß du mich einmal
  über solch einer vergessen und verraten könntest.

M a r t i n.              Unsinniges Zeug! . . .

S o p h i e.               Denke, Martin, daß sie alle falsch sind, die heimatlos
  durch die Welt ziehen . . . so schön sie auch tanzen oder singen
  mögen. Und denk', es wär ein Unglück auch für dich, Martin,
  wenn du mich vergäßest.


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