Das Buch
der
Dreizehn Erzählungen
Ernst
Schur
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Die
Weide an den verlorenen Wassern
Die
lustige, lebendige
Stadt hat er hinter sich gelassen. Er geht zum Strand hinunter. Wo die
breiten
Boote liegen. Er hört das Wasser schon in langgezogenen, flachen,
gleichförmigen Tönen aufschlagen, dann wieder in das Dunkel zurückeilen
und
wiederkommen, um das Spiel zu erneuern.
Das
Boot stößt vom Lande
ab. Hinten steht der Fährmann. Er bewegt das Boot vorwärts, rudernd,
schiebend,
stoßend. Er hat nur einen Schurz um den Leib geschlungen. Sonst ist er
unbekleidet. Kräftig arbeiten seine sehnigen Arme. Er begleitet jede
Anstrengung mit Grimassen und kriegerischen Fratzen. Als ringe er mit
seinem
Gegner.
Das
Boot trägt den Gast
leicht und schwebend nun über das Wasser. Es wird einsam rings und
dunkel um
ihn. Um so heller leuchtet es wohl in seinen Sinnen. Heiter ist er und
lustiger
Dinge voll, eine süße Wehmut durchzieht ihn.
Er
fragt den Fährmann, ob
er viel an einem Tage verdiene. Der antwortet: „Ein Mann, wie er,
brauche nicht
viel. Soviel werfe das Geschäft schon ab. Auch finde sich für ihn immer
eine
kleine Verrichtung, die etwas einbringt.“ Er hat das Ruder nachlässig
ruhen
lassen, während er das sagt. Nun arbeitet er wieder emsig und kräftig
weiter.
Hyacintenförmige,
blaurosa
Blüten ragen aus dem Wasser, das nur in einzelnen Strichen aus dem
Dunkel
auftaucht. Sie haben schmale lange Blätter wie Dolche. Nur wenig stehen
sie
über der Wasserfläche. Höher ranken sich epheuartige Gewächse mit
fünfzackigen,
rundbreiten Blättern, rotbraune Blüten liegen dazwischen verstreut.
Zarte,
feine, schwanke Stengel streben empor, tragen oben weiße und rosa
Blüten, ihre
Form ist die der Rosen, ihre Blütenblätter eine unzählige,
auseinanderfallende
Anzahl von spinnwebfeinen seidenfadenähnlichen Gebilden. Ganz oben
nickt dann
eine leichte Traubendolde.
Unsagbar
erfrischt die
kühle, vom Wasser getränkte Luft. Das hellbraune Holz eines
vorüberziehenden
Kahns leuchtet an der Seite. Im Nu ist es verschwunden. Kaum konnte man
sehen,
ob jemand darin saß. Von dem Licht der Papierlaternen, die zu beiden
Seiten des
Kahns hängen, angezogen, begleiten den fahrenden ein Zug von Fischen,
die ihn
mit hellen Augen fragen. Liebkostend fliegt sein Auge über ihre
silbernen
Farben. Ein unvorsichtiger Ruderschlag: husch – sind sie verschwunden.
Bestürzt
und stumm schießen sie in die Tiefe.
Der
grauschwarze See dehnt
sich vor den Blicken. Nur einzelne Lichter blinken aus der Stadt
zwischen den
Zweigen, die wie dichte Wolken lagern. Etwas höher, über der Brücke,
liegt eine
stille Behausung. Plötzlich strahlen von dort eine Reihe von goldenen
Lichtern.
Es flutet herab, über den ganzen Schein. Der Gast lehnt über den Rand
des
Bootes, er spielt mit dem Wasser. Da ziehen lautere, seltene Gedanken
durch
seinen Sinn. Vor seinen Augen steht die Ewigkeit.
Die
Nacht liegt dunkel vor
den Blicken. Eine stille Rede zieht durch die Luft. Hin und her
geworfen, in
ewiger Melodie. Wie das rinnende Wasser, das aus der Hand fließt.
Und
der Wind ist bemüht, es
in Worte zu fassen, er geht wie schlummernd und sich wiegend, ewig hin
und her.
Die
dunkle Nacht singt die
letzten, immer gleichen Töne. Schönheit und Ewigkeit löst sich auf, in
Duft und
Hauch, der verfliegt. Der ewige Rhythmus lebt auf.
Ein
Stein plumpst in das
Wasser. Er stört nicht die Stille, nicht die Nacht. Sein Geräusch
schwillt
weiter, in die Nacht, verliert sich nie.
Der
Gast fährt immer tiefer
in das Dunkel. Phantastische Gedanken und Gestalten spielen um ihn. Es
wird
stiller als still. Tiefer als tief.
Allmählich
sind sie am Ziel
angelangt. Der Fährmann erhält seinen Lohn und wendet. Der Gast steigt
am
Strande entlang. Das Ufer hinauf.
oben
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