04.3
CHITRA
RABINDRANATH
TAGORE
*
EIN SPIEL
IN EINEM AUFZUG
Personen
Götter:
Madana (Eros)
Vasanta (Lycoris)
Sterbliche:
Chitra
Tochter
des Königs von
Manipur
Arjuna
ein
Prinz aus dem Hause
der Kuru. Er ist aus der Kshatriya oder Kriegerkaste und
lebt während
der
Handlung als Eremit einsam im Wald.
Dorfleute
aus einer
abgelegenen
Gegend in Manipur.
_________________________________________
Vierte Szene - Im Wald
Chitra
Warum
beobachtest Du mich, mein Krieger?
Arjuna
Ich
sehe zu, wie Du den kleinen Kranz windest. Anmut
und Geschick, die Zwillingsbrüder, spielen tanzend auf Deinen
Fingerspitzen.
Ich sehe zu und denke.
Chitra
Was
denkst Du, Herr?
Arjuna
Ich
denke, daß Du mit der gleichen schwebenden
Berührung und Süßigkeit die Tage meiner Verbannung in einen
unsterblichen
Kranz windest, um mich zu meiner Heimkehr damit zu krönen.
Chitra
Heimkehr!
Diese Liebe ist nichts für ein Heim!
Arjuna
Nichts
für ein Heim?
Chitra
Nein,
sprich nie davon. Nimm mit in Dein Heim das
Bleibende, Starke. Laß die kleine wilde Blume an ihrem Geburtsort, laß
sie dort
in Schönheit sterben, wenn der Tag sich neigt, mit all den welkenden
Blumen und
den modernden Blättern. Nimm sie nicht mit in die Halle Deines
Palastes, um sie
dort auf den steinernen Boden zu werfen, der kein Erbarmen
für Welken und Vergehen kennt.
Arjuna
Sieht
so unsere Liebe aus?
Chitra
Ja,
so und nicht anders! Was soll das Klagen? Was sich
für müßige Tage schickt, sollte sie nicht überdauern. Lust wandelt sich
in
Schmerz, wenn ihr die Tür verschlossen ist, aus der sie scheiden soll.
Nimm
meine Liebe hin und halte sie, so lange sie währen darf. Laß nicht des
Abends
satte Zufriedenheit mehr fordern, als das morgendliche Verlangen ernten
kann
... Der Tag ist vorüber. Nimm dies Blumengewinde. Ich bin müde. Nimm
mich in
Deine Arme, Geliebter, und laß alles eitle
unzufriedene Gezänk verstummen in der süßen Vereinigung unserer Lippen.
Arjuna
Still,
horch, Geliebte, der Klang der Gebetsglocken
aus dem fernen Dorftempel gleitet auf der Abendluft über die
schweigenden
Wipfel.
|