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Literatur


04.3

CHITRA
RABINDRANATH TAGORE

*
EIN SPIEL
IN EINEM AUFZUG






Vorbemerkungen

Dieses lyrische Drama wurde vor ungefähr 25 Jahren geschrieben. Es setzt die Kenntnis der hier folgenden Fabel aus dem Mahabharata voraus:

Während der Wanderungen, die Arjuna in Erfüllung eines Bußgelübdes unternahm, kam er nach Manipur. Dort sah er Chitrāngadā, die schöne Tochter von Chitravāhana, dem König des Landes, und von ihrer Anmut überwältigt, bat er den König um ihre Hand. Chitravāhana fragte ihn nach seiner Herkunft. Auf die Antwort, er sei Arjuna der [1] Pandava, erzählte der König ihm, daß einer seiner Ahnen, Prabhanjana vom königlichen Stamme von Manipur, lange kinderlos geblieben war. Um einen Erben zu erhalten, legte er sich strenge Bußübungen auf. Die Strenge seines Lebens fand Gnade vor Shiva, und der Gott gewährte ihm und jedem seiner Nachkommen ein Kind.

Es geschah aber, daß das versprochene Kind stets ein Knabe war. Er, Chitravāhana, war der Erste, dem nur eine Tochter, Chitrāngadā, gewährt war, um das Geschlecht zu erhalten.

Er hatte sie deshalb stets wie einen  [6] Sohn gehalten und zu seinem Erben gemacht. —

Der König fährt in der Erzählung fort: »Der einzige Sohn, den sie gebären wird, muß der Erhalter meines Geschlechts sein, und diesen Sohn verlange ich als Kaufpreis für die Einwilligung in die Heirat. Wenn du willst, kannst du sie unter dieser Bedingung haben.« Arjuna gab das Versprechen, nahm Chitrāngadā zum Weibe und lebte mit ihr drei Jahre in ihres Vaters Hauptstadt. Als ihnen ein Sohn geboren wurde, umarmte er sie liebevoll, nahm Abschied von ihr und ihrem Vater und setzte seine Wanderung fort.








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