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04.3
MASHI
Erzählungen
Rabindranath
Tagore
III
„Was
ist denn das, Kind, du willst doch nicht
irgendwohin?“
„Doch,
ich will nach Sitarampur.“
„Was
denkst du dir denn? Wer soll dich denn
begleiten?“
„Anath.“
„Nicht
heute, mein Kind, ein andermal.“
„Aber
die Kajüte ist schon belegt.“
„Was
macht das? Der Verlust läßt sich leicht tragen.
Reise morgen, morgen früh.“
„Maschi,
ich glaube nicht an die Unglückstage des
Kalenders. Was kann es schaden, wenn ich heute reise?“
„Dschotin
möchte mit dir sprechen.“
„Schön,
ich habe noch etwas Zeit. Ich will noch
schnell einmal nach ihm sehen.“
„Aber
du mußt ihm nicht sagen, daß du verreisen
willst.“
„Gut,
ich will ihm nichts sagen. Aber ich kann nicht
lange bei ihm bleiben. Morgen ist das Annapraschan-Fest meiner
Schwester, und
ich muß heute reisen.“
„O
mein Kind, ich bitte dich, höre doch dies eine Mal
auf mich! Versuch, dich eine Weile ganz still zu fassen und setze dich
zu ihm.
Laß ihn nicht merken, daß du es eilig hast.“
„Was
kann ich tun? Der Zug wartet nicht auf
mich. Anath kommt in zehn Minuten zurück. Bis dahin kann ich bei ihm
bleiben.“
„Nein,
das geht nicht. In dieser seelischen Verfassung
werde ich dich nie zu ihm lassen ... O du erbärmliches Geschöpf,
der Mann,
den du so quälst, wird bald diese Welt verlassen; aber ich warne dich:
du wirst
diesen Tag zeitlebens nicht vergessen. Daß es einen Gott gibt, daß es
einen
Gott gibt, das wirst du eines Tages erfahren.“
„Maschi,
du mußt mich nicht so verwünschen.“
„O
mein armer Junge, mein Liebling! Warum lebst du
noch länger? Diese Sünde hat kein Ende, und ich kann nichts tun, sie zu
hindern.“
Maschi
zögerte noch eine Weile, dann ging sie ins
Krankenzimmer zurück in der Hoffnung, daß Dschotin inzwischen
eingeschlafen
sei. Aber Dschotin bewegte sich im Bett, als sie eintrat. Maschi rief
aus:
„Sieh
einmal an, was sie nun gemacht hat!“
„Was
ist geschehen? Kommt Mani nicht? Warum bist du so
lange fortgeblieben, Maschi?“
„Ich
fand sie bitterlich weinend, weil sie die
Milch für deine Suppe hatte verbrennen lassen. Ich versuchte sie zu
trösten und
sagte, es gäbe ja noch mehr Milch. Aber daß sie bei der
Zubereitung deiner Suppe so nachlässig hatte sein
können, der Gedanke brachte sie ganz in Verzweiflung. Mit großer Mühe
gelang es
mir, sie etwas zu beruhigen und ins Bett zu bringen. Daher habe ich sie
heute
nicht mitgebracht. Laß sie ihren Kummer verschlafen.“
Obgleich
es Dschotin schmerzlich war, daß Mani nicht
kam, fühlte er sich doch in gewisser Weise erleichtert. Er hatte so
halb und
halb gefürchtet, daß die wirkliche Mani das Bild, das er von ihr im
Herzen
trug, trüben könnte. Das war schon früher geschehen. Und der Gedanke,
daß Mani
unglücklich war, weil sie seine Milch
verbrannt hatte, füllte sein Herz mit überströmender Freude.
„Maschi!“
„Ja,
mein Liebling?“
„Ich
bin ganz gewiß, daß es mit mir zu Ende geht. Aber
ich bin nicht traurig darum. Gräme dich nicht um mich!“
„Nein,
mein Liebling, ich werde mich nicht
grämen. Ich glaube nicht, daß nur das Leben gut ist, und der Tod
nicht.“
„Maschi,
du kannst mir glauben, der Tod ist süß.“
Dschotin
lag still da und blickte hinaus in den
dunklen Nachthimmel, und es war ihm, als ob es Mani selbst sei, die in
Gestalt
des Todes auf ihn zuschritt. Sie war in ewige Jugend gekleidet, und die
Sterne
waren Blumen, die die große Mutter der Welt segnend auf ihren dunklen
Scheitel
gestreut hatte. Es war ihm, als ob er sie jetzt wieder zum erstenmal
unter dem
Hochzeitsschleier sähe[3].
Die unendliche Nacht wurde ganz erfüllt von dem liebenden Blick aus
Manis
dunklen Augen. Mani, die Braut dieses Hauses, das kleine Mädchen, wurde
zu dem
Bild einer Gottheit, das auf dem Altar der Sterne thronte, wo Leben und
Tod
in einen Strom münden.
Dschotin faltete die Hände und flüsterte leise: „Endlich hat sich der
Schleier
gehoben, die Hülle des tiefen Dunkels ist zerrissen. Ach,
Geliebte! Wie oft hast du mein Herz gemartert, aber jetzt wirst du mich
nicht
mehr verlassen!“
IV
„Ich
habe Schmerzen, Maschi, aber du mußt nicht
denken, daß ich leide. Es ist, als ob meine Schmerzen sich allmählich
von
meinem Leben lösten. Bisher folgten sie ihm wie ein beladenes Boot im
Schlepptau, jetzt aber ist das Seil zerrissen, und sie treiben dahin
mit allem,
was mich drückt. Ich sehe sie noch, aber sie gehören nicht mehr zu
mir. –
Aber
Maschi, ich habe diese beiden letzten Tage Mani
nicht ein einziges Mal gesehen!“
„Dschotin,
ich will dir ein anderes Kissen geben.“
„Es
scheint mir fast, Maschi, als ob Mani mich auch
verlassen hat und von mir forttreibt wie das beladene Leidensboot.“
„Komm,
trink ein Schlückchen von dem Granatapfelsaft,
mein Liebling. Dir muß der Hals ganz trocken sein.“
„Ich
schrieb gestern mein Testament; habe ich es dir
gezeigt? Ich kann mich nicht mehr erinnern.“
„Du
brauchst es mir nicht zu zeigen,
Dschotin.“
„Als
Mutter starb, besaß ich nichts. Du ernährtest
mich und zogst mich auf. Daher meine ich – –“
„Unsinn,
Kind. Ich hatte nur dies Haus und ein bißchen
Vermögen. Das übrige hast du verdient.“
„Aber
dies Haus –?“
„Das
ist nichts. Du hast ja soviel hinzugebaut, daß es
schwer ist zu sagen, wo mein Haus war!“
„Ich
bin sicher, daß Manis Liebe zu dir
wirklich –“
„Ja,
ja, das weiß ich, Dschotin. Nun versuch' zu
schlafen.“
„Wenn
ich auch mein ganzes Eigentum Mani hinterlassen
habe, so ist es praktisch doch deins, Maschi. Sie wird dir ja immer in
allem
gehorchen.“
„Warum
quälst du dich deshalb so viel, mein Liebling?“
„Alles,
was ich habe, verdanke ich dir. Wenn du mein
Testament siehst, so denke keinen Augenblick, daß – –“
„Aber
was fällt dir ein, Dschotin? Glaubst du
denn, daß ich es auch nur einen Augenblick übelnehmen könnte, wenn du
Mani
gibst, was dir gehört? Ich bin doch nicht so kleinlich.“
„Aber
du wirst auch – –“
„Nun
höre einmal, Dschotin, jetzt werde ich böse. Du
willst mich mit Geld trösten.“
„Ach,
Maschi, wie gern möchte ich dir etwas geben, was
besser ist als Geld!“
„Das
hast du ja getan, Dschotin! mehr als genug. Hast
du mir denn nicht mein einsames Leben ausgefüllt? Das war solch ein
großes
Glück, daß ich es mir in vielen früheren Leben verdient haben muß. Du
hast mir
soviel gegeben, daß ich jetzt, wo dies Leben mir nichts mehr zu geben
hat,
nicht klagen werde. Ja, ja, hinterlasse nur Mani alles: dein Haus, dein
Geld,
deinen Wagen und dein Land – mir sind solche Lasten jetzt zu
schwer.“
„Ich
weiß ja, daß du den Geschmack an den Freuden des
Lebens verloren hast, aber Mani ist so jung, daß –“
„O
nein, das mußt du nicht sagen. Wenn du ihr dein
Eigentum hinterläßt, das ist schon recht, aber was
die Freuden des Lebens anbetrifft –“
„Aber
warum sollte sie sie auch nicht genießen,
Maschi?“
„Nein,
nein, das wird sie nicht können in ihrem großen
Schmerz. Sie werden ihr wie Staub und Asche sein.“
Dschotin
schwieg. Er konnte nicht entscheiden, ob es
wahr war oder nicht und ob er es beklagen müsse, wenn Mani die Welt
ohne ihn
zuwider war.
Er
seufzte und sagte: „Das, was wirklich des Gebens
wert ist, können wir niemandem zurücklassen.“
„Es
ist nichts Geringes, was du gibst, mein Liebling.
Ich bete nur, daß sie den Wert dessen, was ihr gegeben wird, erkennen
möge.“
„Gib
mir noch etwas von dem Granatapfelsaft, Maschi,
ich bin durstig. Kam Mani eigentlich gestern zu mir?“
„Ja,
sie kam, aber du schliefst gerade. Sie saß lange
Zeit am Kopfende deines Bettes und fächelte dich; dann ging sie weg, um
deine
Wäsche zu besorgen.“
„O
wie wunderschön! Ich glaube, ich habe in
demselben Augenblick geträumt, daß Mani versuchte, zu mir
hereinzukommen. Die
Tür war angelehnt, und sie stieß dagegen, aber sie wollte sich nicht
öffnen.
Aber Maschi, du gehst zu weit, du solltest sie wissen lassen, daß ich
sterbe;
sonst wird mein Tod ein so furchtbarer Schlag für sie sein.“
„Komm,
mein Liebling, ich will dir diesen Schal über
die Füße decken, sie werden ganz kalt.“
„Nein,
Maschi, ich kann so etwas nicht auf den Füßen
haben.“
„Weißt
du, Dschotin, daß Mani dir diesen Schal
gestrickt hat? Sie hat so fleißig daran gearbeitet, als sie eigentlich
hätte
schlafen sollen. Erst gestern ist sie damit fertig geworden.“
Dschotin
nahm den Schal und streichelte ihn zärtlich.
Er empfand die sanfte Weichheit der Wolle als hielte er Manis Hand in
der
seinen. Nacht für Nacht hatte sie ihre liebenden Gedanken
hineingewoben. Er war
nicht aus Wolle gemacht, sondern aus ihrer Berührung. Als daher Maschi
den
Schal über seine Füße legte, war es ihm, als ob Mani seine müden
Glieder
liebkoste.
„Aber
Maschi, ich dachte, Mani könne gar nicht
stricken, – jedenfalls mochte sie es nie.“
„So
etwas lernt man schnell. Natürlich mußte ich es
ihr zeigen. Auch sind allerlei Fehler darin.“
„Laß
diese Fehler nur, wir wollen ihn ja nicht auf die
Pariser Ausstellung schicken. Er wird trotz der Fehler meine Füße warm
halten.“
Dschotin
begann sich im Geiste Mani bei der Arbeit
vorzustellen, wie sie Fehler machte und nicht damit zustande kommen
konnte und
doch Abend für Abend geduldig weiter daran arbeitete. Wie lieb und
rührend war
das doch! Und wieder strichen seine Finger zärtlich über den Schal.
„Maschi,
ist der Doktor unten?“
„Ja,
er will heute nacht hierbleiben.“
„Aber
sag' ihm, es ist nutzlos, wenn er mir einen
Schlaftrunk gibt. Der verschafft mir nicht wirklich Ruhe, und ich fühle
mich
nur schlechter danach. Laß mich richtig wach bleiben. – Weißt du,
Maschi,
daß unsre Hochzeit in der Vollmondnacht war im Monat Mai? Morgen ist
der Tag,
und die Sterne jener Nacht werden am Himmel scheinen. Mani denkt
vielleicht
nicht daran. Ich möchte sie heute daran erinnern;
rufe sie doch auf ein paar Minuten her. – … Warum antwortest du
nicht? Der
Doktor hat dir wohl gesagt, ich sei so schwach, daß jede
Aufregung – aber
ich versichere dich, Maschi, wenn ich heute abend nur ein paar Minuten
mit ihr
sprechen kann, brauche ich gar keinen Schlaftrunk. – Maschi, weine
doch
nicht so! Ich fühle mich ganz wohl. Mein Herz ist heute so voll wie nie
zuvor
in meinem Leben. Darum möchte ich Mani sehen. – Nein, nein,
Maschi, ich
kann es nicht ertragen, wenn du so weinst. Du bist alle diese letzten
Tage so
ruhig gewesen. Was hast du denn nur heute abend?“
„Ach,
Dschotin, ich glaubte, daß der Quell meiner
Tränen versiegt wäre; aber sie fließen immer wieder von neuem. Ich kann
es
nicht ertragen.“
„Ruf'
Mani! Ich will sie an unsern Hochzeitsabend
erinnern, so daß sie morgen – –“
„Ich
geh schon, mein Liebling. Schombhu wird an der
Tür warten. Wenn du irgend etwas willst, ruf' ihn.“
Maschi
ging in Manis Schlafzimmer und sank weinend auf
den Fußboden nieder. „O komm, komm dies eine Mal, du
herzloses Geschöpf! Erfülle die letzte Bitte dessen, der dir alles
gegeben hat.
Er stirbt ja schon, gib ihm doch nicht den Todesstoß!“
Als
Dschotin draußen Schritte hörte, fuhr er auf und
rief: „Mani!“
„Ich
bin Schombhu. Hat der Herr mich gerufen?“
„Sage
deiner Herrin, sie soll kommen.“
„Wer
soll kommen?“
„Deine
Herrin.“
„Sie
ist noch nicht zurück.“
„Zurück?
Von wo?“
„Von
Sitarampur.“
„Wann
reiste sie dahin?“
„Vor
drei Tagen.“
Einen
Augenblick war Dschotin ganz betäubt, und alles
drehte sich vor seinen Augen. Er glitt von den Kissen herab, die ihn
stützten,
und stieß den wollenen Schal, der seine Füße bedeckte, auf den Boden.
Als
Maschi nach einer langen Weile zurückkam, erwähnte
Dschotin Manis Namen nicht, und Maschi dachte, daß
er sie ganz vergessen hätte.
Plötzlich
rief er: „Maschi, erzählte ich dir den
Traum, den ich neulich nachts hatte?“
„Welchen
Traum?“
„Wo
Mani immer gegen die Tür stieß, und die Tür wollte
sich nicht weiter als einen Zoll öffnen. Sie stand draußen und konnte
nicht
herein. Jetzt weiß ich, daß Mani bis zuletzt draußen vor meiner Tür
bleiben
muß.“
Maschi
antwortete nicht. Sie sah, daß der Himmel, den
sie aus Lügen für Dschotin aufgebaut hatte, nun doch eingestürzt war.
Wenn das
Leid kommt, so ist es am besten, es nicht zu verleugnen. Wenn Gott
schlägt,
können wir dem Schlag nicht ausweichen.
„Maschi,
die Liebe, die du mir gegeben hast, wird
durch all meine künftigen Leben dauern. Ich habe dies Leben ganz damit
angefüllt und nehme sie mit fort. Ich bin gewiß, in unserm nächsten
Leben wirst
du als meine Tochter geboren werden, und ich werde dich mit meiner
ganzen Liebe
hüten und hegen.“
„Was
sagst du da, Dschotin? Meinst du, ich soll wieder
als Mädchen geboren werden? Kannst du nicht beten,
daß ich als Sohn in deine Arme komme?“
„Nein,
nein, nicht als Sohn. Du wirst in mein Haus
kommen in jener wunderbaren Schönheit, die dich schmückte, als du jung
warst.
Ich kann mir sogar schon vorstellen, wie ich dich kleiden werde.“
„Sprich
nicht so viel, Dschotin, versuch' zu
schlafen.“
„Ich
werde dich Lakschmi[4] nennen.“
„Aber
das ist ein altmodischer Name, Dschotin.“
„Ja,
aber du bist ja auch meine altmodische Maschi.
Komm wieder in mein Haus mit deiner schönen altmodischen Art.“
„Ich
kann doch nicht wünschen, deinem Hause die
Enttäuschung zu bringen, daß ein Mädchen statt eines Knaben kommt.“
„Maschi,
du hältst mich für schwach und willst mir
alles Schwere ersparen.“
„Mein
Kind, ich bin eine Frau und habe als solche
meine Schwäche. Daher habe ich mein ganzes Leben versucht, dir alles
mögliche Schwere zu ersparen, – aber es ist mir
nicht gelungen.“
„Maschi,
ich habe in diesem Leben nicht Zeit gehabt,
die Lehren, die ich empfangen habe, anzuwenden. Aber sie werden mir in
meinem
nächsten Leben zugute kommen. Ich werde dann zeigen, was ein Mann
leisten kann.
Ich habe gelernt, wie verkehrt es ist, immer nur an sich zu denken.“
„Was
du auch sagen magst, mein Liebling, du hast nie
etwas für dich selbst erstrebt, sondern alles andern gegeben.“
„Eins
darf ich jedenfalls von mir sagen: Ich bin im
Glück nie tyrannisch gewesen, noch habe ich versucht, mein Recht mit
Gewalt zu
erzwingen. Weil ich mich nicht belügen konnte, habe ich lange warten
müssen.
Vielleicht wird die Wahrheit zuletzt doch gütig zu mir sein. – Wer
ist da,
Maschi, wer ist da?“
„Wo?
Es ist niemand da, Dschotin.“
„Maschi,
sieh doch einmal nebenan nach. Ich
glaubte –“
„Nein,
mein Liebling! Ich sehe niemanden.“
„Aber
ich meinte ganz deutlich – –“
„Nein,
Dschotin, es ist nichts. Also sei
ruhig. Der Doktor kommt jetzt.“
Als
der Doktor eintrat, sagte er:
„Hören
Sie mal, Sie dürfen nicht so viel bei dem
Kranken sein, Sie regen ihn auf. Gehn Sie zu Bett, mein Assistent
bleibt bei
ihm.“
„Nein,
Maschi, ich kann dich nicht fortlassen.“
„Gut,
mein Liebling, ich werde ruhig in der Ecke
sitzen.“
„Nein,
nein, du mußt dicht bei mir sitzen. Ich kann
deine Hand nicht lassen, nicht bis zuletzt. Deine Hand hat mich geführt
und aus
deiner Hand soll Gott mich wieder empfangen.“
„Nun
gut,“ sagte der Doktor, „Sie können dableiben.
Aber Dschotin Babu, Sie dürfen nicht zu ihr sprechen. Es ist Zeit, daß
Sie Ihre
Medizin nehmen.“
„Zeit
für Medizin? Unsinn! Die Zeit dafür ist vorbei.
Jetzt Medizin geben heißt nur täuschen. Aber ich fürchte mich auch gar
nicht
vor dem Sterben. Maschi, der Tod bereitet mir schon seinen Trank, was
soll der
Doktor mich noch plagen! Schick' ihn fort! Dich nur brauch ich jetzt,
niemanden
sonst, niemanden! Keine Lüge mehr!“
„Ich
muß hier als Arzt Einspruch tun, diese
Aufregung schadet Ihnen!“
„Gehen
Sie also fort, Doktor, regen Sie mich nicht
mehr auf! – Ist er fort, Maschi? … das ist gut! Nun komm und
nimm
meinen Kopf in deinen Schoß.“
„Ja
komm, mein Liebling. Und nun versuch' zu
schlafen!“
„Nein,
Maschi, sag' nicht, daß ich schlafen soll. Wenn
ich einschlafe, wache ich nicht wieder auf. Ich muß mich noch etwas
wach
halten. – Hörst du nicht ein Geräusch? Es kommt jemand!“
V
„DSCHOTIN,
mein Liebling, mach' deine Augen mal ein
wenig auf. Sie ist gekommen. Schau einmal her und sieh!“
„Wer
ist gekommen? Ein Traum?“
„Kein
Traum, mein Liebling! Mani ist mit ihrem Vater
gekommen.“
„Wer
bist du?“
„Siehst
du denn nicht? Es ist deine Mani!“
„Mani?
Hat die Tür sich geöffnet?“
„Ja,
mein Lieb, sie ist weit offen.“
„Nein,
Maschi, nicht den Schal! nicht diesen
Schal! Dieser Schal ist eine Lüge!“
„Es
ist kein Schal, Dschotin. Es ist unsere Mani, die
sich über deine Füße geworfen hat. Leg deine Hand auf ihren Kopf und
segne sie.
Weine nicht so, Mani! Du hast noch Zeit genug dazu. Nun sei ein
Weilchen ganz
still.“
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