Inhalt Stefan Zweig
Amok - Novellen einer Leidenschaft
Die Frau und die Landschaft
Die
Frau und die Landschaft 2
Neben
mir rückte ein Sessel. Ich fuhr auf. Jeder Laut
streifte jetzt an mich wie heißes Eisen. Ich sah hin. Fremde Menschen
saßen
dort, neue Nachbarn, die ich noch nicht kannte. Ein älterer Herr und
seine
Frau, bürgerliche ruhige Leute mit runden gelassenen Augen und kauenden
Wangen.
Aber ihnen gegenüber, halb mit dem Rücken zu mir, ein junges Mädchen,
ihre
Tochter offenbar. Nur den Nacken sah ich, weiß und schmal und darüber
wie einen
Stahlhelm schwarz und fast blau das volle Haar. Sie saß reglos da, und
an ihrer
Starre erkannte ich sie als dieselbe, die früher auf der Terrasse
lechzend und
aufgetan vor dem Regen gestanden wie eine weiße, durstende Blume. Ihre
kleinen,
kränklichen schmalen Finger spielten unruhig mit dem Besteck, aber
doch, ohne
daß es klirrte; und diese Stille um sie tat mir wohl. Auch sie rührte
keinen
Bissen an, nur einmal griff ihre Hand hastig und gierig nach dem Glas.
Oh, sie
fühlt es auch, das Fieber der Welt, spürte ich beglückt an diesem
durstigen
Griff, und eine freundliche Teilnahme legte meinen Blick weich auf
ihren
Nacken. Einen Menschen, einen einzigen empfand ich jetzt, der nicht
ganz
abgeschieden war von der Natur, der auch mitglühte im Brande einer
Welt, und
ich wollte, daß sie wisse von unserer Bruderschaft. Ich hätte ihr
zuschreien
mögen: „Fühle mich doch! Fühle mich doch! Auch ich bin wach wie du,
auch ich
leide! Fühle mich! Fühle mich!“ Mit der glühenden Magnetik des Wunsches
umfing
ich sie. Ich starrte in ihren Rücken, umschmeichelte von ferne ihr
Haar, bohrte
mich ein mit dem Blick, ich rief sie mit den Lippen, ich preßte sie an,
ich
starrte und starrte, warf mein ganzes Fieber aus, damit sie es
schwesterlich
fühle. Aber sie wendete sich nicht um. Starr blieb sie, eine Statue,
sitzen,
kühl und fremd. Niemand half mir. Auch sie fühlte mich nicht. Auch in
ihr war
nicht die Welt. Ich brannte allein.
Oh,
diese Schwüle außen und innen, ich konnte sie
nicht mehr ertragen. Der Dunst der warmen Speisen, fett und süßlich,
quälte mich, jedes Geräusch bohrte sich
den Nerven ein. Ich spürte mein Blut wallen und wußte mich einer
purpurnen Ohnmacht
nahe. Alles lechzte in mir nach Kühle und Ferne, und dieses Nahsein,
das
dumpfe, der Menschen erdrückte mich. Neben mir war ein Fenster. Ich
stieß es
auf, weit auf. Und wunderbar: dort war es ganz geheimnisvoll wieder,
dieses
unruhige Flackern in meinem Blute, nur aufgelöst in das Unbegrenzte
eines
nächtigen Himmels. Weißgelb flimmerte oben der Mond wie ein entzündetes
Auge in
einem roten Ring von Dunst, und über die Felder schlich geisterhaft ein
blasser
Brodem hin. Fieberhaft zirpten die Grillen, mit metallenen Saiten, die
schrillten und gellten, schien die Luft durchspannt. Dazwischen quäkte
manchmal
leise und sinnlos ein Unkenruf, Hunde schlugen an, heulend und laut;
irgendwo
in der Ferne brüllten die Tiere, und ich entsann mich, daß das Fieber
in
solchen Nächten den Kühen die Milch vergifte. Krank war die Natur, auch
dort
diese stille Raserei der Erbitterung, und ich starrte aus dem Fenster
wie in
einen Spiegel des Gefühls. Mein ganzes Sein bog sich hinaus, meine
Schwüle und
die der Landschaft flossen ineinander in eine stumme, feuchte Umarmung.
Wieder
rückten neben mir die Sessel, und wieder schrak
ich zusammen. Das Diner war zu Ende, die Leute standen lärmend auf:
auch meine
Nachbarn erhoben sich und gingen an mir vorbei. Der Vater zuerst,
gemächlich
und satt, mit freundlichem, lächelndem Blick, dann die Mutter und
zuletzt die
Tochter. Jetzt erst sah ich ihr Gesicht. Es war gelblich bleich, von
derselben
matten, kranken Farbe wie draußen der Mond, die Lippen waren noch
immer, wie
früher, halb geöffnet. Sie ging lautlos und doch nicht leicht. Irgend
etwas
Schlaffes und Mattes war an ihr, das mich seltsam gemahnte an das
eigene
Gefühl. Ich spürte sie näher kommen und war gereizt. Etwas in mir
wünschte eine
Vertraulichkeit mit ihr, sie möchte mich anstreifen mit ihrem weißen
Kleide,
oder daß ich den Duft ihres Haares spüren könnte im Vorübergehen. In
diesem
Augenblick sah sie mich an. Starr und schwarz stieß ihr Blick in mich
hinein
und blieb in mir festgehakt, tief und saugend, daß ich nur ihn spürte,
ihr
helles Gesicht darüber entschwand und ich einzig dieses düsternde
Dunkel vor
mir fühlte, in das ich stürzte wie in einen Abgrund. Sie machte noch
einen
Schritt vor, aber der Blick ließ mich nicht los, blieb in mich gebohrt
wie eine
schwarze Lanze, und ich spürte sein Eindringen tiefer und tiefer. Nun
rührte
seine Spitze bis an mein Herz, und es stand still. Ein, zwei
Augenblicke hielt
sie so den Blick an und ich den Atem, Sekunden, während derer ich mich
machtlos
weggerissen fühlte von dem schwarzen Magneten dieser Pupille. Dann war
sie an
mir vorbei. Und sofort fühlte ich mein Blut vorstürzen wie aus einer
Wunde und
erregt durch den ganzen Körper gehen.
Was
- was war
das? Wie aus einem Tode wachte ich auf. War das mein Fieber, das mich
so wirr
machte, daß ich im flüchtigen Blick einer Vorübergehenden gleich ganz
mich
verlor? Aber mir war gewesen, als hätte ich in diesem Anschauen die
gleiche
stille Raserei gespürt, die schmachtende, sinnlose, verdurstende Gier,
die sich
mir jetzt in allem auftat, im Blick des roten Mondes, in den lechzenden
Lippen
der Erde, in der schreienden Qual der Tiere, dieselbe, die in mir
funkelte und
bebte. Oh, wie wirr alles durcheinander ging in dieser phantastischen
schwülen
Nacht, wie alles zergangen war in dies eine Gefühl von Erwartung und
Ungeduld!
War es mein Wahnsinn, war es der der Welt? Ich war erregt und wollte
Antwort
wissen, und so ging ich ihr nach in die Halle. Sie hatte sich dort
niedergesetzt neben ihre Eltern und lehnte still in einem Fauteuil.
Unsichtbar
war der gefährliche Blick unter den verhangenen Lidern. Sie las ein
Buch, aber
ich glaubte ihr nicht, daß sie lese. Ich war gewiß, daß, wenn sie
fühlte wie
ich, wenn sie litt mit der sinnlosen Qual der verschwülten Welt, daß
sie nicht
rasten könnte im stillen Betrachten, daß dies ein Verstecken war, ein
Verbergen
vor fremder Neugier. Ich setzte mich gegenüber und starrte sie an, ich
wartete
fiebernd auf den Blick, der mich bezaubert hatte, ob er nicht
wiederkommen
wolle und mir sein Geheimnis lösen. Aber sie rührte sich nicht. Die
Hand schlug
gleichgültig Blatt um Blatt im Buche, der Blick blieb verhangen. Und
ich
wartete gegenüber, wartete heißer und heißer, irgendeine rätselhafte
Macht des
Willens spannte sich, muskelhaft stark, ganz körperlich, diese
Verstellung zu
zerbrechen. Zwischen all den Menschen, die dort gemächlich sprachen,
rauchten
und Karten spielen, hub nun ein stummes Ringen an. Ich spürte, daß sie
sich
weigerte, daß sie es sich versagte, aufzuschauen, aber je mehr sie
widerstrebte, desto stärker wollte es mein Trotz, und ich war stark,
denn in
mir war die Erwartung der ganzen lechzenden Erde und die dürstende Glut
der
enttäuschten Welt. Und so wie an meine Poren noch immer die feuchte
Schwüle der
Nacht, so drängte sich mein Wille gegen den ihren, und ich wußte, sie
müßte mir
nun bald einen Blick hergeben, sie müßte es. Rückwärts im Saale begann
jemand
Klavier zu spielen. Die Töne perlten leise herüber, auf und ab in
flüchtigen
Skalen, drüben lachte jetzt eine Gesellschaft lärmend über irgendeinen
albernen
Scherz, ich hörte alles, fühlte alles, was
geschah, ohne aber für eine Minute nachzulassen. Ich zählte jetzt laut
vor mich hin die Sekunden, während ich an ihren Lidern zog und sog,
während ich
von ferne durch die Hypnose des Willens ihren störrisch niedergebeugten
Kopf
aufheben wollte. Minute auf Minute rollte vorüber – immer perlten die
Töne von
drüben dazwischen – und schon spürte ich, daß meine Kraft nachließ – da
plötzlich hob sie mit einem Ruck sich auf und sah mich an, gerade hin
auf mich.
Wieder war es der gleiche Blick, der nicht endete, ein schwarzes,
furchtbares,
saugendes Nichts, ein Durst, der mich einsog, ohne Widerstand. Ich
starrte in
diese Pupillen hinein wie in die
schwarze Höhlung eines photographischen Apparates und spürte, daß er
zuerst mein Gesicht nach innen zog in das fremde Blut hinein und ich
wegstürzte
von mir; der Boden schwand unter meinen Füßen, und ich empfand die
ganze Süße
des schwindelnden Sturzes. Hoch oben über mir hörte ich noch die
klingenden
Skalen auf und nieder rollen, aber schon wußte ich nicht mehr, wo mir
dies
geschah. Mein Blut war weggeströmt, mein Atem stockte. Schon spürte
ich, wie es
mich würgte, diese Minute oder Stunde oder Ewigkeit – da schlugen ihre
Lider
wieder zu. Ich tauchte auf wie ein Ertrinkender aus dem Wasser,
frierend,
geschüttelt von Fieber und Gefahr.
Ich
sah um mich. Mir gegenüber saß unter den Menschen,
still über ein Buch gebeugt, bloß mehr ein schlankes junges Mädchen,
regungslos, bildhaft, nur leise unter dem dünnen Gewand wippte das
Knie. Auch
meine Hände zitterten. Ich wußte, daß jetzt dieses wollüstige Spiel von
Erwartung und Widerstand wieder beginnen sollte, daß ich Minuten
angespannt
fordern mußte, um dann plötzlich wieder so in schwarze Flammen getaucht
zu
werden von einem Blick. Meine Schläfen waren feucht, in mir siedete das
Blut.
Ich konnte es nicht mehr ertragen. Ich stand auf, ohne mich umzuwenden,
und
ging hinaus.
Weit
war die Nacht vor dem glänzenden Haus. Das Tal
schien versunken, und der Himmel glänzte feucht und schwarz wie nasses
Moos.
Auch hier war keine Kühlung, noch immer nicht, überall auch hier das
gleiche,
gefährliche Sichgatten von Dürsten und Trunkenheit, das ich im Blute
spürte.
Etwas Ungesundes, Feuchtes, wie die Ausdünstung eines Fiebernden, lag
über den
Feldern, die milchweißen Dunst brauten, ferne Feuer zuckten und
geisterten
durch die schwere Luft, und um den Mond lag ein gelber Ring und machte
seinen
Blick bös. Ich fühlte mich müde wie nie. Ein geflochtener Stuhl, noch
vom Tag
her vergessen, stand da: ich warf mich hinein. Die Glieder fielen von
mir ab,
regungslos streckte ich mich hin. Und da, nur nachgebend angeschmiegt
an das
weiche Rohr, empfand ich mit einemmal die Schwüle als wunderbar. Sie
quälte
nicht mehr, sie drängte sich nur an, zärtlich und wollüstig, und ich
wehrte ihr
nicht. Nur die Augen hielt ich geschlossen, um nichts zu sehen, um
stärker die
Natur zu fühlen, das Lebendige, das mich umfing. Wie ein Polyp, ein
weiches,
glattes, saugendes Wesen umdrängte mich jetzt, berührte mich mit
tausend Lippen
die Nacht. Ich lag und fühlte mich nachgeben, hingeben an irgend etwas,
das
mich umfaßte, umschmiegte, umringte, das mein Blut trank, und zum
erstenmal
empfand ich in dieser schwülen Umfassung sinnlich wie eine Frau,
die sich auflöst in der sanften Ekstase der
Hingebung. Ein süßes Grauen wars mir, mit einem Male widerstandslos zu
sein und
ganz meinen Leib nur der Welt hinzugeben, wunderbar war es, wie dies
Unsichtbare meine Haut zärtlich anrührte und allmählich unter sie
drang, mir
die Gelenke lockerer löste, und ich wehrte mich nicht gegen dieses
Laßwerden
der Sinne. Ich ließ mich hingleiten in das neue Gefühl, und dunkel,
traumhaft
empfand ich nur, daß dies: die Nacht und jener Blick von früher, die
Frau und
die Landschaft, daß dies eins war, in dem es süß war, verloren zu sein.
Manchmal war mir, als wäre diese Dunkelheit nur sie, und jene Wärme,
die meine
Glieder rührte, ihr eigener Leib, gelöst in Nacht wie der meine, und
noch im
Traume sie empfindend, schwand ich hin in dieser schwarzen, warmen
Welle von
wollüstiger Verlorenheit.
Irgend
etwas schreckte mich auf. Mit allen Sinnen
griff ich um mich, ohne mich zu finden. Und dann sah ichs, erkannte
ichs, daß
ich da gelehnt hatte mit geschlossenen Augen und in Schlaf gesunken
war. Ich
mußte geschlummert haben, eine Stunde oder Stunden vielleicht, denn das
Licht
in der Halle des Hotels war schon erloschen und alles längst zur Ruhe
gegangen.
Das Haar klebte mir feucht an den Schläfen, wie ein heißer Tau schien
dieser
traumhaft traumlose Schlummer über mich gesunken zu sein. Ganz wirr
stand ich
auf, mich ins Haus zurückzufinden. Dumpf war mir zumute, aber diese
Wirrnis war
auch um mich. Etwas grölte in der Ferne, und manchmal funkelte ein
Wetterleuchten gefährlich über den Himmel hin. Die Luft schmeckte nach
Feuer
und Funken, es glänzten verräterische Blitze hinter den Bergen, und in
mir
phosphoreszierte Erinnerung und Vorgefühl. Ich wäre gern geblieben,
mich zu
besinnen, den geheimnisvollen Zustand genießend aufzulösen: aber die
Stunde war
spät, und ich ging hinein.
Die
Halle war schon leer, die Sessel standen noch
zufällig durcheinander gerückt im fahlen Schein eines einzelnen
Lichtes.
Gespenstisch war ihre unbelebte Leere, und unwillkürlich formte ich in
den
einen die zarte Gestalt des sonderbaren Wesens hinein, das mich mit
seinen
Blicken so verwirrt gemacht. Ihr Blick in der Tiefe meines Wesens war
noch
lebendig. Er rührte sich, und ich spürte, wie er mich aus dem Dunkel
anglänzte,
eine geheimnisvolle Ahnung witterte ihn noch irgendwo wach in diesen
Wänden,
und seine Verheißung irrlichterte mir im Blut. Und so schwül war es
noch immer!
Kaum daß ich die Augen schloß, fühlte ich purpurne Funken hinter den
Lidern.
Noch glänzte in mir der weiße glühende Tag, noch fieberte in mir diese
flirrende, feuchte, funkelnde, phantastische Nacht! Aber ich konnte
hier im
Flur nicht bleiben, es war alles dunkel und verlassen. So ging ich die
Treppe
hinauf und wollte doch nicht. Irgendein Widerstand war in mir, den ich
nicht zu
zähmen wußte. Ich war müde, und doch fühlte ich mich zu früh für den
Schlaf.
Irgendeine geheimnisvolle, hellsichtige Witterung verhieß mir noch
Abenteuerliches, und meine Sinne streckten sich vor, Lebendiges, Warmes
zu
erspähen. Wie mit feinen, gelenkigen Fühlern drang es aus mir in den
Treppengang,
rührte an alle Gemächer, und wie früher hinaus in die Natur, so warf
ich jetzt
mein Fühlen in das Haus, und ich spürte den Schlaf, das gemächliche
Atemgehen
vieler Menschen darin, das schwere, traumlose Wogen ihres dicken
schwarzen
Blutes, ihre einfältige Ruhe und Stille, aber doch auch das magnetische
Ziehen
irgendeiner Kraft. Ich ahnte irgend etwas, das wach war wie ich. War es
jener
Blick, war es die Landschaft, die diesen seinen purpurnen Wahnsinn in
mich
getan? Ich glaubte irgend etwas Weiches durch Wall und Wand zu spüren,
eine
kleine Flamme von Unruhe in mir zitterte und lockte im Blut und brannte
nicht
aus. Widerwillig ging ich die Treppe hinauf und blieb doch immer stehen
auf
jeder Stufe und horchte aus mir heraus; nicht mit dem Ohr nur, sondern
mit
allen Sinnen. Nichts wäre mir wunderlich gewesen, alles in mir lauerte
noch auf
ein Unerhörtes, Seltsames, denn ich wußte, die Nacht konnte nicht enden
ohne
ein Wunderbares, diese Schwüle nicht enden ohne den Blitz. Noch einmal
war ich,
wie ich da horchend auf dem Treppengeländer stand, die ganze Welt
draußen, die
sich reckte in ihrer Ohnmacht und nach dem Gewitter schrie. Aber nichts
rührte
sich. Nur leiser Atem zog durch das windstille Haus. Müde und
enttäuscht ging
ich die letzten Stufen hinauf, und mir graute vor meinem einsamen
Zimmer wie
vor einem Sarg.
Die
Klinke schimmerte unsicher aus dem Dunkel, feucht
und warm zu fassen. Ich öffnete die Tür. Rückwärts stand das Fenster
offen und
tat ein schwarzes Viereck von Nacht auf, gedrängte Tannenwipfel drüben
vom Wald
und dazwischen ein Stück des verwölkten Himmels. Dunkel war alles außen
und
innen, die Welt und das Zimmer, nur – seltsam und unerklärlich – am
Fensterrahmen glänzte etwas Schmales, Aufrechtes wie ein verlorener
Streifen
Mondschein. Ich trat verwundert näher, zu sehen, was da so hell
schimmerte in
mondverhangener Nacht. Ich trat näher, und da regte sichs. Ich
erstaunte: aber
doch, ich erschrak nicht, denn etwas war in dieser Nacht in mir
wunderlich dem
Phantastischsten bereit, alles schon vorher gedacht und traumbewußt.
Keine
Begegnung wäre mir sonderbar gewesen und diese am wenigsten, denn
wirklich: sie
war es, die dort stand, sie, an die ich unbewußt gedacht, bei jeder
Stufe, bei
jedem Schritt, in dem schlafenden Haus, und deren Wachheit meine
aufgefunkelten
Sinne durch Diele und Tür gespürt. Nur als einen Schimmer sah ich ihr
Gesicht,
und wie ein Dunst lag um sie das weiße Nachtgewand. Sie lehnte am
Fenster, und
wie sie dastand, ihr Wesen hinausgewandt in die Landschaft, von dem
schimmernden
Spiegel der Tiefe geheimnisvoll angezogen in ihr Schicksal, schien sie
märchenhaft, Ophelia über dem Teiche.