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Märchen der
Völker
Stefan Mart
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Don Quixote
- Kapitel I - Des edlen Spaniers Hirngespinste
Spanischer
Ritterroman nach Miguel Cervantes
In
einem Dorfe der Provinz la Mancha lebte vor
langer Zeit ein Landedelmann aus altem spanischen Geschlecht. In seinem
Hause ging es ärmlich zu. Eine Olla zu Mittag, abends etwas kalte
Küche, des Freitags Linsen und am Wochenende Arme-Ritter, vielleicht am
Sonntag mal ein Täubchen oder Hühnerklein - damit verbrauchte er fast
drei Viertel seiner Einkünfte. Das übrige ging drauf für standesgemäße
Kleidung. Alljährlich gab es einen neuen Rock, samtene Beinkleider und
lederne Pantoffel; nicht zu vergessen ein Barett und einen weiten
Umhang von allerfeinstem Tuch, den er nach Art der "Grand-Seigneurs" um
seine Schultern zu werfen pflegte. Als Hausgenossen dienten ihm ein
junges Mädchen, seine Nichte, und eine alte Stütze, die für Ordnung
unter seinem Dache Sorge trug; endlich noch ein Bursche, der einen
dürren Klepper und den Jagdhund fütterte und auch die Axt in Haus und
Hof zu führen wußte. Die Zeit hatte den Herrn dieses ganzen Geweses mit
fünfzig Jahren gesegnet; doch war er stark und rüstig, von hoher
magerer Gestalt mit einem schmalen
dürren Angesicht. Er war ein
Frühaufsteher und ein Freund der Jagd. - Zu
wissen ist, daß dieser Edelmann den größten Teil des Tages und der
Nacht in seiner Kammer zwischen hohen Stößen von Büchern und vergilbten
Folianten vergraben saß und seine Zeit mit Lesen alter Ritterromane,
Helden- und Abenteurergeschichten verbrachte. Er las diese wunderlichen
Dinge mit einer Ausdauer und Vertiefung, daß er häufig nicht nur Essen,
Trinken und das Schlafen vergaß, sondern auch die Verwaltung seines
kleinen Hab und Guts versäumte und
manch schönes Saatfeld oder
Ackerland verkaufen mußte, um immer neue Bücher zu beschaffen. Das
größte Unglück war dabei, daß er die Sagen und Legenden für bare Münze
nahm. Sein Kopf war voll von Kämpfen und Turnieren, von Lanzen und
Schwertern, von Bezauberungen und Minneliedern, von Herausforderungen,
Tod und Wunden, von Riesen und
Drachen und vielem mehr, so daß er den
Verstand verlor und verrückt wurde wie ein Märzhase. In seiner
Verwirrung kam er zu dem Vorsatz, zum Heile der Welt ein fahrender
Ritter zu werden und dabei selbst Ruhm und Ehre zu ernten. Er schwelgte
ordentlich in dem Gedanken, Abenteuer aufzusuchen, Heldentaten
auszuüben, unerhörte Schicksale und Gefahren zu bestehen, und zögerte
nicht, seine hirnverrückten Entschlüsse zur Ausführung zu bringen.
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