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Märchen der
Völker
Stefan Mart
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Kapitel II - Der Ritterschlag
Spanischer
Ritterroman nach Miguel Cervantes
Zuerst
machte er sich daran, eine alte Rüstung, die von seinen Vorfahren her
bestaubt und rostig zwischen Bodenrummel lag, zu reinigen und zu
putzen. Als er jedoch dabei war, bemerkte er mit nicht geringem
Schrecken, daß der wesentlichste Teil, nämlich der Helm fehlte. Er
kramte die Polterkammer um und um und fand schließlich eine alte
Pickelhaube, die einem gewöhnlichen Knappen gehört haben mußte. Mit
mühevoller Arbeit fabrizierte er aus diesem Ding einen würdevollen
Helm, der nun zur Hälfte aus Pappe bestand. Tränen quollen aus seinen
Augen hervor, als er bemerken mußte, daß dieses Machwerk einem Hieb
seines Schwertes nicht standhielt, sondern in Trümmer ging. Nach vielem
Kopfzerbrechen verband er die Pappe mit Draht und eisernen Stäbchen und
erklärte jetzt diese umgearbeitete Pickelhaube für den tüchtigsten und
vollkommensten Helm der Welt. Nun zog er die fertige Rüstung an und
suchte nach einem wohlklingenden Namen für seinen dürren Klepper, der
mehr Gebrechen hatte, als der Taler Pfennige. Er stöberte in seinen
Heldengeschichten und fand den lieblichen Namen Rosinante für sein
zukünftiges Schlachtroß. Sich selber, als mannhaften und tapferen
Ritter, nannte er Don Quixote von la Mancha. Nach dieser
Hauptschwierigkeit sagte er sich: "Ein irrender Ritter ist ein Nichts
ohne ritterliche Liebe. ich muß eine Herrin meiner Gedanken und meiner
Seele finden, für die ich kämpfen kann. in der Nähe seines Dorfes in
einem Flecken lebte ein rotbackiges Bauernmädchen, auf das er lange
heimlich ein Auge geworfen hatte; diese war die Richtige, er erkor sie
zur Königin seines Herzens und nannte sie Dulcinea von Toboso. - Nun
hieß es nicht länger säumen, vielmehr das kühne und großartige Vorhaben
sofort ins Werk zu setzen. Don Quixote von la Mancha griff nach Schild,
Schwert und Lanze, schwang sich auf seine Rosinante und ritt durch die
Hintertür seines Hühnerhofes ins Freie. Unterwegs besann er sich, daß
er noch einen Schildknappen brauche, und da er gerade bei seinem
Nachbarn, einem ehrlichen Bauern mit wenig Verstand, vorbeiritt,
versuchte er, diesen für seinen Plan zu gewinnen. Anfangs
wollte Sancho Pansa, so hieß
der kleine dicke Bauer, von Rittertum und
Irrfahrten nichts wissen. Aber Don Quixote machte große Versprechungen
und versicherte ihm, daß er kurz über lang ein Königreich oder eine
Insel erobern würde, auf der Sancho Pansa als König oder Statthalter
eingesetzt werden sollte. Der gute Bauer wurde wankelmütig und, trotz
Frau und Kindern, entschloß er sich endlich, den edlen Ritter zu
begleiten. Sancho Pansa bestieg seinen Esel, der noch außer ihm einen
wohlgefüllten Schnappsack zu tragen hatte, und verließ still und
heimlich, ohne von seinen Angehörigen Abschied zu nehmen, mit seinem
zukünftigen Herrn und Gebieter das Dorf. An der ersten Schenke, die am
Wege lag, sagte Don Quixote zu seinem Knappen: "Hier wohnt ein mir
bekannter, doch heruntergekommener Edelmann, der heute das üble
Geschäft eines Schankwirtes betreibt. ich werde ihn herausbitten, damit
er mich unter Gottes freiem Himmel zum Ritter schlägt. Der Wirt, eines
Bauernknechtes Sohn, fand dieses Anliegen sehr originell und zeigte
sich bereit. Er holte zwei Gänsemägde und einen Küchenjungen als
Zeugen, damit die Sache ein feierliches Aussehen bekäme; hierauf ließ
er den verrückten Ritter niederknien, bat sich dessen Schwert aus und
versetzte ihm mit der flachen Klinge ein paar so kräftige Hiebe über
die Schulter, daß ein anderer als der standhafte Don Quixote bei
solchem Ritterschlag laut aufgeschrien hätte.
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