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04.2
Märchen der
Völker
Stefan Mart
Kapitel VIII -
Gespenster um Mitternacht
Spanischer Ritterroman nach Miguel Cervantes
Sancho
Pansas Schnappsack
war also abhanden gekommen. Dem fahrenden Helden und seinem Knappen
wütete der
Hunger in den Gebeinen. - "Ich Unglücklicher!" murrte der dicke
Sancho, "bei all den Prügeln werde ich mich jetzt noch von den Wurzeln
und
Kräutern des Feldes ernähren müssen." - "Was hat das zu bedeuten im
Vergleich zu meinen. mörderischen Schmerzen, die mir meine zerquetschte
Kinnlade und meine ausgebrochenen Zähne verursachen", erwiderte ihm
ungehalten Don Quixote. Sancho Pansa steckte seinem Herrn nun einen
Finger in
den Mund, fühlte bedächtig darin umher und fragte: "Wieviel Backenzähne
habt Ihr überhaupt noch gehabt, gestrenger Herr" - "Vier, außer dem
Weisheitszahn." - "Herr," meinte Sancho Pansa, "überlegt
wohl, was Ihr sagt!" - "Viere sind's gewesen, wo nicht fünf?"
beteuerte Don Quixote von neuem. - "Na, ich zähle nur noch zwei und
einen halben
Zahn;
sonst
ist alles glatt
wegrasiert", knurrte
der Schildknappe und zeigte seine eigenen Zähne. -
"Ihr seid glücklich dran, Herr, Eure Mühle hat keine Mahlsteine mehr;
aber
seht meine Mühlensteine, die schreien nach Nahrung!" - "Ich schwöre
Dir, Sancho, bei meinen fehlenden Zähnen, daß ich Dir, bevor
Mitternacht
angeht, eine lukullische Mahlzeit verschaffe!" Beide schwangen sich auf
ihre Tiere und trabten in neuer Hoffnung weiter. Die Nacht war
pechfinster
geworden. Plötzlich sahen sie vor sich in der Finsternis eine große
Menge von
Lichtern schimmern, die ihnen wie Sterne entgegenkamen. Sancho Pansa
wurde
blaß, als er sie erblickte. Der stolze Ritter aber ermannte sich, legte
seine
Lanze ein, stürmte den unheimlichen Lichtern entgegen und schrie: "Ich
kämpfe auch gegen Geister und Gespenster!" Es waren eine Menge
Gestalten
in weißen schleppenden Gewändern, trugen Fackeln in den Händen und
schienen
totenhaft auszusehen. Hinter ihnen trabte ein
hochbepackter Esel. Mit
unverständlichen Worten und dumpfen Stimmen flohen die Gestalten, als
der
geharnischte Held wütend in sie hineinritt. Nur eine weiße Gestalt war
auf dem
Boden liegengeblieben. Don Quixote ergriff eine von
den weggeworfenen
Fackeln und
legte dem Gespenst die Spitze
seiner Lanze auf die Brust. - "Ihr seid augenblicklich des Todes, wenn
Ihr
mir nicht sagt, was für eine Bewandtnis Eurem gespenstischen Aufzug
zugrunde
liegt?" - "O alleredelster und gnädigster Herr", antwortete
keuchend das Gespenst, "wir gehören zu der Geheimsekte Salus et Quietas
und wollten zu unserem Mitternachtsschmaus, den wir jedes Jahr einmal
im Freien
auf dem Berge Gumarilla abhalten." - "Hierher, Sancho Pansa, hilf
diesem entlarvten Gespenst auf die Beine!" Don Quixote schaute sich
nach
seinem Knappen um. Der hatte den hochbepackten Esel requiriert, der mit
den
besten Leckereien aus der gesamten Fauna und Flora beladen war. Nun
hielt sich
der Schildknappe den Bauch und lachte aus vollem Halse. - "Hatte ich
Dir
nicht ein lukullisches Mahl versprochen? mein Freund, jetzt hast Du gut
lachen!" - "Das ist es gewiß nicht, mein edler Herr, warum ich lache.
Seht, wie ich Euch so beim Lichte der Fackel eine Weile betrachtete, da
fiel
mir auf, daß Ihr wirklich die traurigste und jämmerlichste Gestalt
wäret, die
ich mein Lebtag noch gesehen habe!" Da setzte Don Quixote sich
zerknirscht
nieder und sprach mit wehmütigem Kopfschütteln vor sich hin: "So bin
ich
also Don Quixote von la Mancha, der Ritter von der traurigen Gestalt."
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