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04.2
Märchen der
Völker
Stefan Mart
Kapitel IX - Der
Goldhelm des Ritters
Spanischer Ritterroman nach Miguel Cervantes
Der
Tag war bereits hell
emporgestiegen, als Don Quixote und Sancho Pansa in einem Hohlwege
dahinreitend
ein geräumiges Waldtal erreichten. Sie stiegen von ihren Tieren und
verschmausten die Leckerbissen, die sie den Geistern und Gespenstern
abgenommen
hatten. Da plötzlich drang an ihre Ohren aus dem nahen Walde ein
gewaltiges
Brausen, Rauschen und Klappen, untermischt mit dumpfem Eisen- und
Kettengeklirr. Der arme Schildknappe, der nun einmal von Natur aus das
Herz
eines Hasen hatte, zitterte wie Espenlaub. Don Quixote aber blieb
unerschüttert, schwang sich auf Rosinante, legte die Lanze ein, faßte
den
Schild fester und sprach: "Sancho Pansa, der Himmel hat mich zu großen
Taten ausersehen, wie
schon wieder das bevorstehende schreckliche Abenteuer" Weiter
kam er nicht - sein Auge hatte einen Mann zu Pferde entdeckt, der
aus der entgegengesetzten Seite des Waldes dahertrabte, und auf dessen
Kopf ein
glänzendes Ding schimmerte. - "Sancho, sieh dort diesen Mann, der auf
seinem Haupte den Helm eines hochberühmten Helden, des Ritters Mambrin,
trägt;
er will mir mein vom Schicksal zudiktiertes Abenteuer streitig machen!
Jedoch
ich werde ihm zuvorkommen!" - "Ihr dürftet Euch irren, gestrenger
Herr", antwortete der Knappe.
- "Wie kann ich mich irren hellem
Tageslicht, Du törichter Zweifler!" rief Don Quixote erregt. "Siehst
Du nicht den Ritter mit dem goldglänzenden Helm?" - "Ich sehe ein
glänzendes Ding; aber ein Helm ist das nicht." - "Es ist der Helm
Mambrins, Du Kröte!" schrie Don Quixote. - "Und doch ist es kein
Helm!" sagte Sancho trotzig. - "Giftzunge, schweig!" rief Don
Quixote voller Wut und stürzte mit blankem Schwerte auf den Reiter los
und
schlug ihm den berühmten Helm des Mambrin vom Kopfe. Der Barbier - denn
ein
solcher war es -, der sein messingenes Seifenbecken auf dem Kopfe
getragen
hatte, um seinen
Beruf
im nächsten Dorfe auszuüben,
rannte vor Schrecken
und Angst vor der grausigen Gestalt des Ritters davon. Sancho, der
gefolgt war, nahm das Barbierbecken vom Boden
auf. - " Wahrhaftig, es ist ein vortrefflich' Ding und unter Brüdern
seine
acht Realen wert!" Mit diesen Worten reichte er das Becken Don Quixote
hin, der es alsbald auf seinen Kopf setzte und rundum drehte. - "Der
Helm
des Helden Mambrin hat kein Visier!" stellte der enttäuschte Ritter
fest,
der sich jetzt, ohne zu säumen, anschickte, dem furchtbaren und
geheimnisvollen
Waldabenteuer zu Leibe zu rücken. Mit lautem Gejohle, das Barbierbecken
auf dem
Kopfe, galoppierte er in den Wald, dem furchtbaren Getöse entgegen.
Sancho
Pansa lugte vorsichtig durch die Beine der Rosinante, die leicht
dahinflog, als
ob ihr Flügel gewachsen wären. Plötzlich hielt Don Quixote sein Roß an;
denn
siehe da, die ganze Ursache des schrecklichen Geräusches, das durch den
ganzen
Wald ertönte, rührte von einer - Walkmühle her, die, von des Wassers
Kraft
getrieben, unaufhörlich mit ihren Schlägen Grund und Boden
erschütterte. Don
Quixote verstummte und wurde vor Ärger leichenblaß. Sancho Pansa aber
brach in
ein so lautes und herzliches Gelächter aus, daß er sich nicht mehr auf
den
Beinen zu halten vermochte, sondern wie ein Mehlsack zu Boden plumpste
und sich
krampfhaft umherwälzte. Dieser Anblick erheiterte auch Don Quixotes
enttäuschtes und mißmutiges Herz; er stimmte endlich in das Gelächter
mit ein.
- "Don Quixote von la Mancha, der fahrende Held, hat sich in diesem
Falle
einmal geirrt!" gab der stolze Ritter mit Pathos zu und schlug mit der
Faust an die geharnischte Brust. "Die hochherzige und holde Dulcinea
von
Toboso, die edle Gebieterin meines heldenhaften Herzens, möge mir
verzeihen!"
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