|
|
|
|
|
lifedays-seite
moment
in time
|
|
|
04.2
Märchen der
Völker
Stefan Mart
Kapitel X-Es lebe die
Freiheit
Spanischer Ritterroman nach Miguel Cervantes
Ungefähr
eine Stunde waren
unsere beiden Helden, in vertrauliche Gespräche vertieft, ihre Straße
gezogen,
als Don Quixote zufällig aufsah. Da bemerkte er, daß ihm zwölf
Menschen, alle
mit Ketten und Handschellen gefesselt, entgegenkamen. Die Mienen dieser
Männer
waren finster, wie bei wilden Tieren, die man gefangen gelegt hat. An
ihrer
Seite ritten vier Männer mit Feuergewehren. Don Quixote setzte sich in
Positur,
stieß Sancho unsanft in die Seite und sagte: "Es kommt was daher, das
finster genug aussieht, um uns kampfbereit zu halten!" - "Vorsicht,
Herr! Es sind böse Jungen, eine Koppel Galeerensklaven, die zum
Zwangsdienst
geführt werden." Sancho Pansa hatte kaum zu Ende gesprochen, als der
Ritter ihn beiseite schob und entrüstet ausrief: "Was? - zum
Zwangsdienste?
Man tut meinen Untertanen Zwang und Gewalt an! - Wohlan, so werde ich
meiner
Pflicht nachkommen und den Unglücklichen Hilfe
leisten." Mit diesen Worten ritt Don Quixote an die
Koppel
heran, drängte
die Wächter zur Seite und
schrie mit sich
überschlagender
Stimme, welche der eines Hahnes ähnlich klang: "Die ganze Kolonne,
haaaalt!" - "Aber um des Himmels willen, bedenkt doch, gnädiger Herr,
dass...!" - "Ruhe! ich will Gerechtigkeit!" krähte Don Quixote.
Die Wächter standen mit offenem Munde und glaubten, einen Wahnsinnigen
zu
sehen. Don Quixote fragte nun einen nach dem andern, was er gefehlt
habe und
wieso ihm solche harte Strafe ankäme. Jeder der finsteren und schweren
Verbrecher erzählte ihm von einer Bagatelle. Der eine hatte einen
Kreuzer
entwendet, der andere ein Stück Federvieh, die meisten aber behaupteten
mit
erheuchelter Miene, vollständig unschuldig zu sein. Der letzte aber,
ein
gefährlicher Bursche, der als ärgster Gauner und Spitzbube in ganz
Spanien
berüchtigt war, benutzte die Verwirrung der Wächter, pfiff grell durch
die
Zähne und schrie: "Los Kameraden! Es lebe die Freiheit!" Ehe es sich
Don Quixote versah, hatte die Rotte der Schwerverbrecher die Wächter
überwältigt und ihnen die Waffen entrissen. - "Bravo, bravo!"
rief Don Quixote und
zitterte vor Begeisterung beim Anblick dieser
gewalttätigen Männer. - "Hierher,
Sancho Pansa, ich habe diese tapfere Sippe befreit; Deine Sache ist es
nun,
diese Helden aus den Fesseln zu heben!" Der Knappe aber konnte wenig
ausrichten; die Verbrecher halfen sich gegenseitig aus ihren
Sklavenketten. Don
Quixote rief die Galeerensträflinge in seine Nähe, ließ sie sich im
Kreise
aufstellen, hielt ihnen eine lange Rede und verlangte von ihnen, sie
möchten
sich nach Toboso begeben und seiner schönen Dulcinea berichten, daß Er,
der
tapfere Held, sie aus ungerechter Zwangsherrschaft befreit hätte. Ein
schallendes Gelächter folgte seiner Rede. - "Was? - Ihr schändlichen
Menschen, ihr wollt euch der Pflicht der Dankbarkeit entziehen?!" rief
Don
Quixote in höchster Erregung. - "Es ist wohl nicht ganz richtig mit
Eurem
Verstande, Ihr alter Ritter 'Gockelhahn'; Ihr wollt wohl, daß man uns
in Toboso
erneut in Ketten legt?!" johlte der ganze Chor der Spitzbuben, die
jetzt
eine kleine Strecke zurückgingen und auf den armen Don Quixote und
seinen
Schildknappen einen solchen Steinhagel entsendeten, daß beide fast
unter einer
Pyramide von Felsstücken begraben wurden. Als die Verbrecher außer
Sicht waren,
kamen Rosinante und der Esel, die sich beiseite geschlagen hatten, und
beschnüffelten Arme und Beine ihrer Herren, soweit diese aus dem
Steinhaufen
herausschauten.
|
lifedays-seite
- moment in time |
|
|
|
|
|
|
|