|
|
|
|
|
lifedays-seite
moment
in time
|
|
|
04.2
Märchen der
Völker
Stefan Mart
Kapitel XI - Des
edlen Ritters Liebeskummer
Spanischer Ritterroman nach Miguel Cervantes
Als
sich der edle Ritter
von la Mancha einigermaßen von der Wirkung der heftigen Steinwürfe
erholt
hatte, sprach er enttäuscht: "Diese Schurken von Gefangenen haben uns
mit
dem abscheulichsten Undank entgolten; wir wollen daraus eine Lehre
ziehen." - " Vor allen Dingen besteigt Eure Rosinante und laßt uns
fliehen; Ihr werdet nach dieser Untat bald die Soldaten des Königs auf
den
Fersen haben!" entgegnete ihm Sancho Pansa und drängte zum Aufbruch. -
"Sancho,
Du bist eine Memme!" erwiderte Don Quixote. Dennoch bestieg der Ritter
seine Rosinante und machte sich, ohne zu säumen auf den Weg. Noch vor
Nacht
gelangte er mit seinem Knappen in die Sierra Morena, ein enges Felstal,
von
unfruchtbaren Steinwänden umgeben und schlug hier, von aller Welt
abgeschlossen, sein Lager auf. Hier in diesen rauhen Bergen wurden in
Don
Quixotes Kopfe all die wunderbaren Taten und Abenteuer wieder wach, die
er von
fahrenden Rittern gelesen, welche in solchen Einöden und Wildnissen gekämpft
hatten.
-"Sancho Pansa, ich wälze gewaltige Pläne in
meinem Hirn! Ich werde Taten verrichten, die mich zu dem berühmtesten
Ritter
machen werden, den jemals die Erde getragen hat. Doch bevor ich meine
neue
Ruhmesfahrt antrete, will ich meiner unvergeßlichen Gebieterin, der
Dulcinea
von Toboso, einige Grüße überbringen lassen und ihr von meiner Liebe
und
Verehrung berichten. - Sancho Pansa! Mache Dich auf, sattle meine
schnelle
Rosinante, fliege zurück in unser Dorf und berichte meiner edlen Dame,
daß ich,
wie der schmachtende Amadis von Gallien, vor Sehnsucht in Raserei
verfallen sei
und gleich dem rasenden Roland mir meinen liebeglühenden Kopf an hartem
Felsgestein zerschmettere." Don Quixote hatte mit so zitternder Stimme
gesprochen, daß Sancho Pansa vor Rührung laut heulte, wie ein altes
Weib. -
"Zum Henker! Das ist ein unangenehmer Auftrag; ich weiß mit
Weibsbildern
nicht recht umzugehen." Doch auf das erneute, flehentliche Bitten
seines
Herrn saß er bald im Sattel der Rosinante, um als "Liebespostillon"
davonzugaloppieren.
Im Heimatdorf angekommen, traute sich Sancho mit seiner Botschaft nicht
zu dem
Bauern Lorenzo Corchuela, dessen Tochter es war, die Don Quixote zu
seiner
erhabenen und hohen Gebieterin "Dulcinea von Toboso" ernannt hatte.
Er wußte, daß das hübsche und stramme Dirnchen sehr schlagfertig war,
und
vertraute sich daher seinem Nachbarn, einem Schneider, an, von dem er
Rat
erhoffte. Der Schneider, der ein schalkhafter Mensch war, erbot sich,
Sancho
Pansa in Frauenkleidern zu folgen, um den armen verblendeten Ritter aus
seiner
Felsenhöhle herauszulocken und ihn zu seinem Haus und Hof
zurückzuführen, die
dem Verfall nahe waren. Am übernächsten Tage schon erreichte Sancho
Pansa mit
dem verkleideten Schneider, der vor ihm im Sattel saß, das
Steingefängnis des
fahrenden Helden. Sie fanden ihn in Brüten und Sinnen verloren. - ,,O
allergnädigster Ritter!" redete der Knappe seinen Herrn an,
der beim Anblick des schönen
Mädchens klirrend aufgesprungen war. "Ich bringe Euch hier die
Prinzessin und Erbin des Königreichs Mico-Micona, die Euch - im
Vertrauen auf
Euer Heldentum und Eure Tapferkeit - anfleht, Rache zu nehmen an einem
Riesen,
der sie schmählichst beleidigt hat." Don Quixote war gerührt von den
Tränen des schönen Mädchens, das vor seinen Füßen lag und bitterlich
schluchzte. - " Wo kann ich den Riesen finden, der dieser edlen Frau
Schmach angetan hat?" brüllte der Ritter rot vor Zorn und griff nach
seinem rostigen Schwert. - "Ja! Es gilt, eine Prinzessin und ein
Königreich zu erobern!" rief Sancho Pansa laut, um das Schluchzen des
Schneiders, das sich mehr und mehr in ein Kichern verwandelte, zu
übertönen.
|
lifedays-seite
- moment in time |
|
|
|
|
|
|
|