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04.2
Märchen der
Völker
Stefan Mart
Kapitel XII - Der
Ritter rächt die Prinzessin Mico-Micona
Spanischer Ritterroman nach Miguel Cervantes
Alles,
was den Anschein des Wunderbaren hatte, war für
Don Quixote das Glaubwürdigste von der Welt. Deswegen zeigte er auch
kein
Erstaunen, als ihm der Schneider, in seiner Verkleidung als Prinzessin
und
Erbin des Königreiches Mico-Micona, so schauerlichste Geschichten von
einem
gehässigen Riesen erzählte, daß selbst dem Sancho Pansa, der mit dem
Schneider
im Bunde stand, grauste. - "Ich werde mit dem Riesen umspringen, wie
mit
einem lächerlichen Zwerge!", unterbrach Don Quixote mit
geringschätziger
Gebärde die Prinzessin. Mit solchen Lügen einerseits und Beteuerungen
andererseits waren sie an eine Herberge gekommen, in der sie ihr
Nachtlager
nahmen. Don Quixote versprach nochmals der Prinzessin, fürchterliche
Rache zu nehmen, und
zog sich mit
Sancho Pansa in
seine Kammer zurück. Als sich der "Ritter von der
traurigen Gestalt"
mit
seinem Schildknappen allein befand,
erkundigte
er
sich sofort, wie es um seine Gebieterin "Dulcinea von Toboso" stände,
und wie sie sich zu dem Liebeskummer eines so gewaltigen Helden
geäußert hätte.
Der "Liebespostillon" San- cho Pansa erwiderte ihm, daß er sie mit
nackten Beinen auf der Tenne habe einen Scheffel Weizen schlagen sehen
und daß
sie ihm auf seinen Bericht nur geantwortet habe, sie wolle mit einem so
albernen
Menschen, wie Don Quixote einer sei, der wie ein Narr in der Wildnis
herumirre, nichts gemein haben. "Laßt die
Bauerndirne
laufen und
kümmert
Euch lieber um die schöne
Prinzessin, die Euch in des Teufels Namen ein
Königreich einbringen wird!" wagte Sancho Pansa noch hinzuzusetzen. -
"Schweig, gemeine Bauernseele!" befahl Don Quixote mit finsterem
Ernste. "Du willst meine holde Herrin Dulcinea schmähen?! Du
Lumpenhund,
Du Taugenichts, Du elender Schurke!" - Sancho Pansa verließ schleunigst
die Kammer seines Herrn und lief in die Schankstube, allwo er den
verkleideten
Schneider mit dem Wirt im besten Einvernehmen antraf. Nun lachten alle
drei
zusammen und warteten der Dinge, die noch kommen sollten. Nach etwa
einer
Stunde hörten sie aus der Schlafkammer des ruhelosen Helden laute Rufe,
Schreien und Spektakel. Alle drei stürzten eilig herbei, rissen die Tür
der
Kammer auf und erblickten Don Quixote in ein fürchterliches Gefecht
verwickelt.
-
<"Bei
Gott, er hat dem Riesen, dem schändlichen Feinde der Prinzessin
Mico-Micona den
Kopf glatt vom Rumpfe weg gesäbelt, als ob er eine Rübe wäre!" rief der
Schneider. "Was schwatzt da Deine lose Zunge, Weibsbild?" brüllte der
Wirt. "Der unsinnige Ritter hier ist toll und verrückt; er sieht meine
vollen Weinschläuche für Riesen an und läßt meinen guten roten Wein als
Blut
fließen!" Don Quixote heulte wie der Teufel selbst, schlug mit
gewaltigen Hieben
um sich und zerschlug alles, was ihm in die Nähe kam, daß es krachte
und
zitterte. Vermutlich hatte ein neckischer Traum ihm vorgespiegelt, daß
er sich
bereits im Königreiche Mico-Micona befände, um mit dem Riesen, der sich
widerrechtlich des Landes bemächtigt hatte, den Kampf auf Leben und Tod
zu
beginnen. In dieser Meinung hatte er den Schläuchen, die mit Wein
angefüllt
waren, so viele mörderische Hiebe versetzt, daß die ganze Kammer im
Weine
schwamm. - "Schändlicher Spitzbube!" schrie der Wirt und fiel mit
beiden Fäusten grimmig über den Ritter her. Er würde ihn totgeschlagen
haben,
wenn sich der Schneider und Sancho Pansa nicht ins Mittel gelegt und
ein
hochheiliges Versprechen gegeben hätten, den vergeudeten Wein bei
Heller und
Pfennig zu bezahlen.
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