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04.2
Märchen der
Völker
Stefan Mart
Kapitel XIII - Die
Verzauberung Dulzineas
Spanischer Ritterroman nach Miguel Cervantes
Don
Quixote hatte Sancho Pansa überredet, mit ihm nach
Toboso zu wallfahrten, um von der Dame seines Herzens neuen Segen zu
erbitten
für seine ferneren ruhmreichen Abenteuer. "Ein Blick von ihr, Freund
Sancho, wird mich gewaltig stärken, so daß ich ganz unvergleichlich
werden muß
an Mut und Tapferkeit", stieß der Ritter mit freudig pochendem Herzen
hervor. Noch in der Nacht erreichten der fahrende Ritter und sein
Knappe das
Dörfchen Toboso. Rosinante, das edle Schlachtroß, wieherte laut und
Sanchos
Eselein fing aus voller Kehle an, sein wohllautendes "I-a" zu
brüllen. Alles, was im tiefsten Schlafe lag, erwachte: Die Hunde
bellten, die
Esel schrien, Schweine grunzten, Pferde wieherten, Katzen miauten; und
die
Menschen schauten in ihren Schlafmützen aus den Fenstern und
schimpften. -
"Das ist ein schlechtes Vorzeichen!" rief Don Quixote, der recht
wankelmütig geworden war. "Doch," fuhr er fort, indem er Sancho an
dem Arm packte, "ich glaube dort im Dunkeln das aufragende Schloß
meiner
unvergleichlichen Gebieterin Dulcinea zu entdecken!" - "Aber,
potzwetter!" rief Sancho ärgerlich, "das ist der Kirchturm, den Ihr
sehet, gestrenger Herr! Eure Dulcinea wohnt hinter einem Lattenzaum in
einem
kleinen, niedrigen Häuschen, das in einer Sackgasse liegt." -
"Einfältiger Pinsel!" schrie Don Quixote, "seit wann liegen
Paläste hinter Lattenzäunen und in Sackgassen?" Nun suchten die beiden
Helden die ganze Nacht; doch es gelang ihnen nicht, die Hofburg der
edlen Dame zu
finden. Als die ersten Sonnenstrahlen im Osten den Himmel erleuchteten,
ritten
Don Quixote und sein Knappe entmutigt aus Toboso hinaus über ein freies
Feld. -
"Ihr braucht nur Euren Kopf emporzuheben und gradeaus zu schauen, um
das
holdselige Antlitz Eurer Dulcinea zu sehen!" sprach Sancho Pansa, dem
sein
Herr aufrichtig leid tat, "dort kommt sie auf edlem Rosse mit zweien
von
ihren Hofdamen einhergetrabt, um Euch einen Morgengruß zu entbieten.
Ach, wie
edel und schön ist sie, Herr! Sie und ihre Jungfrauen glänzen von
lauter Gold,
von Juwelen, von Perlen und Brokat. Ihr lockiges Haar schimmert
im Sonnenschein und flattert aufgelöst in den
Winden!" - In
Wirklichkeit waren es drei Bauerndirnen, die auf Mauleseln ritten und
von früher Feldarbeit kamen. - "Was
sagst du da?" rief Don Quixote von
freudigem Schrecken überwältigt. "Hüte Dich
wohl, Sancho, mich vorsätzlich zu
täuschen und meine Traurigkeit in ein schnell dahinschwindendes Glück
zu
verwandeln!" - Nun
freilich!" erwiderte der Knappe keck. "Haben
denn Euer
Gnaden keine Augen im Kopfe, daß Ihr die schöne Prinzessin nicht seht?"
Ohne die Antwort seines Herrn abzuwarten, war Sancho Pansa von seinem
Esel
gesprungen und ließ sich vor der vermeint- lichen Dulcinea auf die Knie
nieder
und sagte: "Hohe und edle Prinzessin, Kaiserin der Schönheit und Huld,
wollet gnädiglich geruhen, meinen Herrn, Euren getreuen Ritter und
vielgereisten Helden Don Quixote von la Mancha, den Ritter von der
traurigen
Gestalt, zu empfangen!" Als das ziemlich einfältige und noch dazu
häßliche Bauern- mädchen mit platter Nase und breit geschlitztem Munde
diese
Komödie sah
und obendrein noch des dürren Ritters in der verrosteten Rüstung
ansichtig
wurde, glaubte sie an einen schlimmen Masken- scherz, den sich der
Teufel
mit ihr
erlaubte. Sie sprang von ihrem Esel und rannte mit ihren Gefährtinnen,
die
desgleichen getan hatten, wie von Furien gehetzt, über den Acker und
alle
schrien ein über das andere Mal: "Hilfe, Hilfe! der - Teufel!"
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