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04.2
Märchen der
Völker
Stefan Mart
Kapitel XIV - Don
Quixote fordert den König der Wüste
Spanischer Ritterroman nach Miguel Cervantes
-
"Komme, was da wolle! Ich
fühle Kraft in mir, selbst mit dem leibhaftigen Satanas anzubinden!"
Don
Quixote sagte dieses mit tiefem Brustton und reckte sich gewaltig
dabei. Sancho
Pansa wußte, daß sein Herr nach der Verzauberung seiner Gebieterin, der
Dulcinea von Toboso, allen bösen Geistern und Zauberern den Tod
geschworen
hatte und von neuer Abenteuerlust beseelt war. - "Lieber will ich mit
einem Schock Affen zusammen in einen Käfig gesperrt werden, als Euch,
edelster
Ritter aller Zeiten, weiter folgen, wenn ihr jetzt sogar mit dem
leibhaftigen
Satanas streiten wollt!" Mittlerweile hatte sich ihnen ein mit Fahnen
geschmückter Karren genähert und es zeigte sich, daß es ein fahrender
Käfig
war, in dem ein gewaltiger Löwe wild seine Mähne schüttelte. - "Wer
seid
Ihr, Leute? Wohin geht Ihr? Zu welchem Zwecke führt Ihr in diesem Käfig
ein
solch gefährliches Untier mit Euch?!" fragte Don Quixote. -
"Herr," antwortete der Fuhrmann, "ich transportiere für Seine
Majestät dieses Prachtexemplar von einem Löwen, den der Statthalter von
Oran
dem König zum Geschenke sendet." - "Ist dieser Löwe stark und mutig
genug, um sich mit mir in einem Kampfe zu messen?" rief Don Quixote,
indem
er die Bestie im Käfig mit herausfordernden Augen maß. "Offnet das
Gitter
und zieht euch zurück! Hier mitten auf dem freien Felde will ich mit
dem König
der Tiere kämpfen und ihm zeigen, welch tapferer Geist Don Quixote von
la
Mancha innewohnt, dem Ritter von der traurigen Gestalt. Öffnet, sage
ich!
Heraus mit der Bestie, die mir der Herrscher Spaniens selbst in den Weg
schickt, um meinen Mut zu erproben!" Sancho Pansa hatte seinem Herrn
hinten in den Rüstriemen gefaßt und versuchte, ihn zurückzuziehen: "Ich
bitte Euch, um Gottes Willen - der Löwe wird Euch unfehlbar in Stücke
zerreißen!" - "Hinweg, Du jämmerlicher Tropf!" schrie der Ritter,
"Du fürchtest dich
vor diesem Tiere? Du
weiche Butterkuchenseele!" Mit diesen letzten Worten war Don Quixote
von seiner Rosinante gesprungen, stürzte
auf den Käfig zu und riß so heftig an der Kette
der eisernen Gittertür, daß diese aufsprang. Bei diesem tollkühnen
Unsinn
hatten sich Sancho Pansa und die beiden Wächter zusammen auf die
Rosinante
geschwungen und waren, gefolgt von dem Fuhrmann, mit Pfeilesschnelle in
den
Wald gesprengt und im Nu hinter den Bäumen verschwunden. Don Quixote
war
Schritt für Schritt zurückgegangen, um das furchtbare Raubtier auf
freier Bahn
zum Kampfe zu erwarten. Er deckte seine Brust mit dem Schilde, zückte
sein
Schwert und empfahl seine mutige Seele der hochverehrlichen Prinzessin
Dulcinea
von Toboso. - Sancho Pansa und die Wärter waren am Waldesrand auf die
Bäume
geklettert und zitterten schon in Erwartung eines grausigen Kampfes.
Der Löwe
war dumpf brüllend aus dem Käfig hervorgesprungen und hatte sich nach
Katzenart
niedergeduckt, um sich mit seinen gewaltigen Pranken auf sein Opfer zu
stürzen.
Sancho Pansa gab seinen Herrn verloren und faltete seine Hände im
stillen
Gebete. - Da kam Rosinante, die sich vernachlässigt fühlte und nicht
recht
wußte, wohin sie gehörte, in vollem Galopp zu ihrem Herrn zurück und
rannte in
ihrem Ungestüm direkt auf die am Boden kauernde Bestie los. Der Löwe
machte
entsetzt einen Satz zurück und schlich wie ein feiger Hund, mit
hängendem
Schwanz, in seinen Käfig zurück. Kein Schimpfen und Schmähen des
kampflustigen
Ritters konnte den König der Wüste wieder hervorlocken. So nahm dieses
Abenteuer ein unblutiges Ende und klang aus in ein übermütiges Lachen.
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