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04.2
Märchen der
Völker
Stefan Mart
Kapitel XV - Die
Gefangene am Flusse Ebro
Spanischer Ritterroman nach Miguel Cervantes
Nach
dem Kampf mit dem
König der Wüste setzten Don Quixote und Sancho Pansa ihre Reise weiter
fort und
gelangten an den Fluß Ebro. Der Edle ritt langsam und grübelnd am Ufer
dahin,
war in sich gekehrt und schwieg sich gegen Sancho Pansa aus, als er
plötzlich
eine Barke bemerkte, die am Stamme eines Baumes befestigt war. Er gab
seinem
Knappen den Befehl, Rosinante und den Esel an einen beliebigen Ast
anzubinden
und sich mit ihm in den Nachen einzuschiffen. Mitten auf dem See brach
er sein
düsteres Schweigen: "Wisse, daß diese Zauberbarke mich abruft, einer
bedrängten Dame zu Hilfe zu kommen!" - "Herr trauriger Ritter!"
platzte Sancho Pansa heraus, "Wenn das nicht
eine neue Tollheit
von Euch ist, so will ich einen Demijohn Tinte trinken. Die Barke ist
keineswegs
verhext, sondern ist ein gewöhnliches Fischerfahrzeug!" Don Quixote
wurde
ernstlich böse: "Nochmals sage ich: Schweig! Sei versichert,
phantasieloser Plebejer, daß ich Dich ohne Umstände ins Wasser werfen
werde,
wenn Du in deinem Unglauben verharrst!" -Indessen glitt die Barke
gemächlich in der Mitte des Stromes dahin. Auf einmal entdeckte Don
Quixote
einige große Schiffsmühlen, die in der Mitte des Flusses standen. -
"Sieh
dahin, Freund!" rief er mit lebhafter Stimme, "Da ist die Burg, in
der die bedrängte Dame meiner harrt und nach Erlösung seufzt!" - "Es
sind einfach ein paar ordentliche Schiffsmühlen!" rief Sancho Pansa
ärgerlich. - "Nochmals schweig, Sancho! Ich bin meiner Sache gewiß!"
Mit diesen Worten zog der Ritter sein Schwert und fing an, mit diesem
in der
Luft herumzufuchteln. Mittlerweile hatten die Müller den Ritter mit
seinem
Knappen im Kahn entdeckt. Sie waren mit Mehl über und über bestäubt und
sahen
mit ihren weißen Haaren wunderlich aus. "Ihr Schöpse!" schrien die
Müller,
"wohin wollt Ihr denn eigentlich, wollt Ihr mit Gewalt von den
Mühlrädern
zerschmettert werden?" - "Haaaaa! siehst Du dort, Sancho, die weißen
feindlichen Gespenster? Sieh, was für Gesichter und Grimassen diese
Scheusale
schneiden! - Aber wartet, ich will Euch Mores lehren, Ihr Halunken!
Gebt ohne
Zögern die Gefangene heraus, die Ihr in Eurer Burg eingekerkert haltet!
Wißt,
daß ich Don Quixote von la Mancha bin, der fahrende Löwenritter,
der Ritter von der
traurigen Gestalt, der Schirm und Schild aller Bedrängten!"Die Müller
hörten das Geschrei und hielten ihre langen Stangen
bereit, den Kahn zurückzudrängen, der bereits in den Strudel und in die
Strömung geriet, die mit furchtbarer Schnelligkeit den Mühlrädern
zuschoß. Don
Quixote aber schlug mit seinem Schwerte auf die Stangen der Müller los,
so daß
der Nachen umschlug und seine Insassen kopfüber in den Strom stürzten.
Don
Quixote schwamm wie eine bleierne Ente und von seinem Knappen war auch
nur ein
schäumender Strudel zu sehen. Die Müller kamen herbeigesprungen,
fischten die
beiden Flußräuber aus dem schlammigen Wasser heraus und zogen sie wie
ein paar
gebadete Pudel ans sichere Land. Kaum hatte der eiserne Ritter die
Augen wieder
geöffnet, fragte er in grobem Tone nach der gefangenen Dame. - "Wen
meint
Ihr denn eigentlich, Ihr alberner Mensch?!" lachten die Müller im Chor.
-
"Komm Sancho!" sagte Don Quixote zu seinem klitschenassen Knappen.
"Es wäre eine Torheit, sich mit solchem Gesindel weiter einzulassen. So
viel merke ich schon, daß hier Zauberer im Spiele sind. Mag Gott der
Dame
helfen, ich kümmere mich um nichts mehr! - Man befördere mich zum
anderen Ufer;
ich habe Sehnsucht nach meiner Rosinante!"
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