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04.2
Märchen der
Völker
Stefan Mart
Kapitel XIX -
Holzzipfel der Flüchtige
Spanischer Ritterroman nach Miguel Cervantes
Als
Don Quixote und Sancho
Pansa in das Schloß einzogen, rief alles: "Willkommen der Held aller
Helden, der Ruhm der fahrenden Ritterschaft!" Sechs Edelknaben warfen
ihm
einen großen Scharlachmantel um die Schultern; sodann führte der
Haushofmeister
den edlen Spanier und seinen Knappen zur Tafel. Unter tausend
Höflichkeitsbezeugungen ging das fürstliche Essen von statten. Sancho
Pansa
wunderte sich nicht wenig über die Ehren, die seinem Herrn zuteil
wurden, und
trug mit seinen tapsigen Bemerkungen viel zur Belustigung bei. Don
Quixote saß
in voller Würde da und nahm solche Ehrung mit Fug und Recht für sich in
Anspruch. - Während der Tafel und allerlei ergötzlichen Gesprächen
wurde
draußen im Hofe der schrille und gellende Ton einer Pfeife vernehmbar,
der von
dem dumpfen Gerassel einer alten knarrenden Trommel
begleitet wurde. Der Ritter und Sancho Pansa stutzten über diese
mißtönende
Musik. Der Herzog gab des Rätsels
Lösung, indem er sich an Don Quixote wandte: "Mein werter Ritter! Es
ist
der Stallmeister Trifaldin, der auf solche Weise das Unglück seiner
Herrin, der
Gräfin Duenna Dolorida, verkündet. Die einst in Schönheit glänzende
Dame ist
von dem schändlichen Giftkoch und Zauberer Malambruno in ein
abscheuliches,
bärtiges und borstiges Wesen verwandelt worden. Der Stallmeister hat
von Euch,
dem berühmten und tapferen Ritter von la Mancha gehört, hat erfahren,
daß Ihr in
meinem Schlosse weilt, und hofft zuversichtlich, von Euch Schutz und
Beistand
für seine Herrin erwarten zu können, wenn nicht gar Befreiung aus ihrem
Unglück." - Don Quixote war an das hohe Saalfenster getreten und sah
nun
unten im Hofe einen Mann mit langem weißen Barte, der in düstere
Trauerflore
gehüllt war. Hinter dieser gruseligen Gestalt trugen vier wilde mit
Efeu
behangene Männer ein riesiges hölzernes Pferd. - "Das ist 'Holzzapfen,
der
Flüchtige'," erklärte jetzt der Herzog dem staunenden Ritter, "ein
Zauberding, von dem großen Mystiker Merlin verfertigt. Es hat die
Eigenschaft,
durch die Lüfte zu ziehen, und wer es wagt, sich auf seinen Rücken zu
schwingen,
hat allein die Möglichkeit, den Zauberer Malambruno zu finden und zu
vernichten. Erst dann würde die edle Gräfin Duenna Dolorida befreit
sein und in
die
Schönheit
ihrer zarten weißen
Glieder zurückkehren können." - "Los, Sancho Pansa, hinunter und auf
das Pferd!" brüllte Don
Quixote mit einer Donnerstimme und zog seinen Knappen die Treppe
hinunter bis
auf den Hof. - "Augenblick! Ritter Don Quixote! Merlin verlangt, daß
dem
Befreier die Augen verbunden werden!" rief der Herzog und sprang ihnen
nach. Die beiden Helden ließen es geschehen und saßen bald auf dem
Rücken des
hölzernen Pferdes. Don Quixote tastete nach dem Zapfen, durch den das
Zaubertier lenkbar war, und nun ging es mit einem Sausen durch die
Luft. -
"Ich sitze schlecht!" brummte Sancho Pansa, "mein alter Esel ist
mir lieber!" - "Halt's Maul, voller Wanst; es gilt eine edle Fürstin
zu befreien!" Don Quixote schwang sein Schwert, als kämpfe er gegen
einen
unsichtbaren Feind. - Ein Diener hatte auf Befehl des Herzogs den
Schwanz von
"Holzzapfen, dem Flüchtigen", der sich natürlich noch keinen Zoll vom
Hofpflaster erhoben hatte, angesteckt. Eine ganze Masse
Feuerwerkskörper, die
sich in dem hohlen Bauche des Tieres befanden, entzündeten sich. Mit
furchtbarem Krachen und unter dem Freudengeschrei der ganzen
Hofgesellschaft,
explodierte der Zaubergaul. Don Quixote und Sancho Pansa, von
Pulverdampf und
Ruß geschwärzt wie zwei Kaminfeger, flogen in hohem Bogen durch die
Luft.
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