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Märchen der Völker
Stefan Mart
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Abrakadabra
Zaubermärchen
aus dem Orient
Jussuf
Abdul Ben Ulemma, kurz Jussuf genannt, war ein Lastträger in Bagdad,
nährte sich schlecht und recht, lebte in Allah und eiferte den
Propheten nach. Nur eine unangenehme Eigenschaft hatte der alte Jussuf;
er spionierte gern, faßte alles an, guckte überall hinein und hatte hin
und wieder Kleinigkeiten in der Tasche, die - mit Fug und Recht
behauptet - nicht sein Eigentum waren. Doch war er nicht "der große
Dieb von Bagdad"; er war nur ein ganz kleiner. Einst entdeckte er auf
dem Hofe eines verstorbenen Kalifen eine eiserne Kassette und fand wie
durch Zufall den Schieberiegel. - "Oh, Unglück über alle Kalifen!" -
die Kassette war leer. Doch plötzlich warf er sich zur Erde und
beschwor alle Propheten. - Ein Geist stieg aus der Leere, der befreit
aufatmete: "Du hast mich erlöst aus dem Banne dieses Eisens; ich
schenke Dir dafür das Zauberwort "Abrakadabra" -!" Der Geist sprach's
und verschwand. Jussuf
sprang in einen leeren Ölkrug, versuchte das Zauberwort und flog seinem
Wunsche gemäß eiligen Flugs davon über alle Dächer Bagdads hinweg nach
Hause. Hier angekommen bekam er erst mal von seiner Alten, wegen seines
langen Ausbleibens, eine tüchtige Tracht Prügel. Doch gleich hinterher
zauberte er "Abrakadabra" und ein fabelhaftes Frühstück stand auf dem
Tisch mit allem Drum und Dran. - "So ist das Leben schön!" schwelgte
der Lastträger laut. Leise flüsterte er nur noch hinzu: "Wenn nur meine
Alte nicht wär!" Er bekam trotz vieler Scheffel Gold, die er
herbeizauberte, morgens, mittags und abends Prügel. Da entschloß sich
Jussuf ein Doppelleben zu führen und zwar aus zwei Gründen; erstens -
sein plötzlicher Reichtum war verdächtig; er war bekannt als Dieb und
Langfinger; zweitens - seine Alte vergällte ihm das Dasein. Ohne daß
diese es wußte, flog er in seinem Ölkrug tagsüber nach Damaskus,
zauberte dort ein Haus aus Gold, in dem die Diamanten und Edelsteine in
Haufen lagen und lebte allhier, wie ein Scheich im siebenten
Himmel.Hier
in Damaskus "der reiche Jussuf" - dort in Bagdad "der arme Jussuf".
Hier unumschränkter Herrscher seiner Wünsche - dort Pantoffelheld. Das
war ein Doppelleben nach allen Regeln der Kunst, und seine Seele ward
ausgeglichen. Hier Leckereien und Liebkosungen - dort die nötige Tracht
Prügel. Nur eine winzige Kleinigkeit störte: Er hing wie ein Kind an
einigen Armseligkeiten, kleinen Erinnerungen und Sächelchen, wie ein
jeder Mensch sie besitzt; - drum wünschte er sich alle Armseligkeiten,
die er in Bagdad besaß, auch noch für seinen goldenen Palast in
Damaskus. - "Abrakadabra", alles, was ich in Bagdad besitze, doppelt! -
bitte! Jussuf schmunzelte. Er lag gerade auf einem seidenen Diwan, ließ
sich von schönen Odalisken Kühlung zufächeln und aß die dritte Portion
Haschisch, als die gewünschten Sachen ankamen: - die doppelte Auflage
aus Bagdad. - - -
"Allmächtiger
Allah!!! Oh, neunmalgeschwänzte Katze!!! Was ist das???" Als letzte
Verdoppelung kam seine Frau, seine Alte, wie eine Furie hereingestürzt.
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