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Märchen der
Völker
Stefan Mart
Sindbad der
Seefahrer
Märchen aus 1001
Nacht
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Dritte
Reise - Mehr vom Vogel Roch
Nach
der Erzählung der zweiten Reise folgte eine kurze und nachdenkliche
Pause; dann wandte sich der reiche Sindbad an den armen Lastträger
Sindbad mit den Worten: "Du siehst, mein Freund, daß man nur unter
Einsatz seines Lebens, wie du eben vernommen hast, zu Reichtümern
gelangen kann. Als Taglöhner kommt man nicht in die Gefahr, dem Tod ins
Auge zu schauen; - so merke dir denn, daß so, wie der Einsatz, auch der
Gewinn ist!" Sindbad der Seefahrer winkte einem seiner Sklaven und ließ
dem Lastträger hundert Goldmithkal als Geschenk aushändigen. - Noch
immer im Banne der abenteuerlichen Erzählung, saß die Gesellschaft
Sindbad des Seefahrers vergnügt und fröhlich da, als dieser auch schon
wieder sich vernehmen ließ und mit der Erzählung seiner dritten Reise
begann:
"Wisset,
meine edlen Herren, daß die Geschichte mit dem Vogel Roch hiermit noch
nicht ihr Ende gefunden hatte. Nach all den Gefahren, Elend und
Drangsalen, die ich auszustehen gehabt hatte, gab der Seeteufel, der
scheinbar nicht von mir weichen wollte, meiner armen gequälten Seele
ein, dem Kreis meiner Freunde in Bagdad von dem wunderlichen Vogel Roch
und seinem Ei zu erzählen. Man begegnete meinen Worten mit Mißtrauen,
was meinen Stolz und meine Eitelkeit aufs tiefste verletzte. Ich
rüstete ein großes, hohes und neu aufgetakeltes Schiff, forderte die
Zweifler auf, mir nach der Insel selbst zu folgen, um sie an Ort und
Stelle von der Wahrheit meiner Worte zu überzeugen. Als wir an dem öden
und wüsten Eiland anlangten, sahen wir schon von weitem die weithin
leuchtende Kuppel, die das Ei des Vogels Roch war. Die Kaufleute, meine
Freunde und Gäste, gingen an Land und waren, obwohl der Verwunderung
voll, doch noch nicht überzeugt, daß es einen solch mächtigen Vogel
gäbe, der ein so großes Ei legen könne, und glaubten vielmehr, dieser
schimmernde und runde Gegenstand sei ein Wundergebilde der Natur. Sie
gingen daher mit frevelnder Hand daran, die Schale des Eies mit großen
Steinen zu bombardieren, bis sie zerbrach. -
"Um
des Himmels willen, tut es
nicht, damit nicht der Vogel Roch unser Schiff zertrümmert und uns
vernichtet!" rief ich sie flehentlich an. Sie hörten jedoch nicht auf
meine Worte und ließen nicht ab, ihre unsinnige Tat zu vollenden, als
mit einem Male die Sonne verschwand, und der Tag sich verfinsterte.
Sobald wir nun unsere Häupter erhoben hatten, um zu schauen, was
zwischen uns und die Sonne gekommen wäre, sahen wir, daß es der Vogel
Roch mit seinen mächtigen Schwingen war. Als das fliegende Ungeheuer
sein Ei zerbrochen fand, stieß es einen entsetzlichen Schrei wider uns
aus, der lauter als ein Donner erschallte. Alles flüchtete kopflos auf
mein Schiff. Aber es war zu spät. Kaum waren wir so weit, die Segel zu
reffen und umzulegen, als auch schon der Vogel über uns erschien, mit
einem gewaltigen Felsstück in seinen Krallen. Er ließ den Felsenstein
mit solcher Gewalt auf das Hinterteil unseres
Schiffes fallen,
daß wir
mit den Planken unseres zertrümmerten Fahrzeuges in die Luft flogen;
das Wasser ging dabei so hoch, daß wir den Meeresgrund zu sehen
vermochten. Mühsam konnte ich mich, als Einziger an eine Schiffsplanke
geklammert, retten.
Mein
glücklicher Stern trieb mich nun an eine Insel, die mit ihren
schimmernden Fruchtbäumen, den Blumen, strömenden Bächen und singenden
Vögeln einem der Gärten Eden glich. Dabei ahnte ich jedoch nicht, welch
neue Plage hier schon wieder auf mich wartete. Dicht vor mir sah ich
ein Männchen mit langen grauen Haaren am Ufer eines Baches sitzen;
seine Hautfarbe war grün, wie die unreife Frucht des Bananenbaumes. Er
gab mir durch Zeichen zu verstehen, daß er gern über den Bach hinüber
möchte. Da ich Mitleid mit dem Alten empfand, lud ich ihn auf meinen
Rücken und wollte ihn hinübertragen. Doch
kaum saß er mir im Huckepack, als der Bösewicht seine Beine so fest um
meinen Hals klammerte, daß mir der Atem ausging und ich bewußtlos zu
werden befürchtete. Immer
mehr schnürte er mir die
Kehle zusammen. Mein einziger Gedanke war: Jetzt hat mich der Seeteufel
überlistet und fest in seinen Klauen. Da stolperte ich auf einmal über
eine große runde Frucht. Ich erkannte sogleich, daß es diejenige war,
deren Saft eine berauschende Wirkung ausübt. Gerade in diesem
Augenblick stürzte ich wie besinnungslos zu Boden; im Fallen ergriff
ich diese Kürbisart und nahm einen kräftigen Schluck. Das grüne Untier
in meinem Nacken, das mich zu Tode würgte, wurde sofort auch begierig
und trank den ganzen Rest des Saftes aus. Alsbald fiel es hintenüber in
einen tiefen Schlaf, und ich war erlöst. - Nicht lange nach
dieser
meiner wunderbaren Errettung landete ein Schiff an jener Insel, das
mich aufnahm. Die Passagiere ließen sich meine Geschichte erzählen und
wunderten sich sehr darüber. - "Der 'grüne Alte', der auf deinen
Schultern ritt," sagten sie, "heißt der Scheich des Meeres, und du bist
der einzige, der unter seine Schenkel kam und sich dennoch von ihm
losmachen konnte."
Nach
Wochen glücklicher Fahrt kamen wir an eine Stadt mit hohen Gebäuden,
genannt die Affenstadt, weil es in jener Gegend so viele Affen gibt,
daß sie sogar bis in die Stadt vordringen und ihren Bewohnern
nachstellen. In dieser Affenstadt blühte nun ein schwungvoller Handel
in Kokosnüssen. Die
Bewohner setzten
sich auf eine absonderliche Art in den Besitz derselben. Indem
sie nämlich mit Steinen nach
den Gipfeln der Palmen warfen, auf denen die
Affen sitzen, werden diese
gereizt, so daß sie die Nüsse abpflücken und mit diesen nach den
Menschen werfen, die ihre wertvolle Beute dann bloß einzusammeln
brauchen. Da ich mittellos war, beteiligte ich mich ausgiebig an diesem
Geschäft. Ich warf Tag und Nacht nach den Affen und hatte eine
gewaltige Ernte, die ich für eine große Geldsumme verkaufte. Nun konnte
ich alles kaufen, was mir gefiel und wonach ich Verlangen trug, und
verbrachte so meine Zeit in der Affenstadt heiter und vergnügt. Das
nächste Schiff, das am Strande Anker
warf, benutzte ich, um nach Bagdad
zurück zu kommen. Hier angelangt begrüßte ich meine Angehörigen und
Freunde und berichtete ihnen, daß die Zweifler, die mir gefolgt waren,
die Opfer ihres Mißtrauens und Unglaubens geworden waren und daß der
Vogel Roch selbst sie vernichtet habe.
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