|
|
|
|
|
lifedays-seite
moment
in time
|
|
|
Märchen der
Völker
Stefan Mart
Sindbad der
Seefahrer
Märchen aus 1001
Nacht
_____________________________
Fünfte
Reise - Der Affenberg
Als
Sindbad der Seefahrer sah, daß seine Erzählung einen tiefen Eindruck
hinterlassen hatte und seine Zuhörer noch immer munter und voller neuer
Erwartung da saßen, fuhr er ohne Unterbrechung fort:
"Merket
auf, meine edlen Herren, und höret die Geschichte meiner fünften Reise,
welche noch wunderbarer ist, als die früheren. Doch Gott ist allwissend
und allweise und kennt allein seinen verborgenen Ratschluß. Als ich
nun, wie ich Euch erzählte, mit reichem Gewinne heimgekehrt war,
verteilte ich mit dankbarem Herzen Almosen und Spenden, kleidete Waisen
und Witwen und machte meinen Angehörigen und Freunden Geschenke.
Unversehens aber riß mich eine lockende Gelegenheit wieder aus meinen
festen Entschlüssen, nämlich meinem abenteuerlichen Leben zu entsagen
und meine Sehnsucht nach der großen Welt und dem weiten Meere zu
unterdrücken. Ein großes Schiff sah ich viele Kaufleute, brave und gute
Menschen, besteigen, alle in freudigster Hoffnung auf glückliche Fahrt
und guten Gewinn. Des Menschen Seele neigt zum Bösen; auch ich vergaß,
wie gesagt, meine guten Vorsätze. und schiffte mich ein. Ununterbrochen
segelten wir, bis sich eines Tags der Kapitän vor das Gesicht schlug
und sich verzweifelt gebärdete. Wir fragten ihn: "Kapitän was ist los?"
Er antwortete uns mit bebenden Lippen: "Wisset,
ihr Reisenden, ein heimtückischer Wind hat mich irregeführt und uns
mitten in ein Meer getrieben, das mir unbekannt ist und das ich nur vom
Hörensagen kenne. Es muß jemand an Bord unseres Schiffes sein, der zu
unser aller Unheil dem Seeteufel verfallen ist. Dieser unnatürliche
Wind treibt uns mit aller Wucht gegen den Affenberg, der dort aus der
Brandung emporragt. Der Allmächtige möge geben,
daß eine Rettung möglich ist!" - Kaum hatte der
Kapitän seine Worte beendet, da umgaben auch schon die Affen von allen
Seiten das Schiff und fielen vom Lande wie Heuschreckenschwärme über
uns her, packten alle Kaufleute und Matrosen und schleppten sie auf die
Insel, worauf sie ohne uns auf das Schiff zurücksprangen und mit allem,
was sich darauf befand, abfuhren. Als wir uns nun in einem unbekannten
Meere auf dieser schrecklichen Insel allein befanden und schon mit dem
Gedanken vertraut gemacht hatten, von ihren Früchten, ihrem Gemüse
und
Obst uns ernähren zu müssen, erblickten wir mit einem Male einen
riesigen Drachen mit gewaltigem Rumpf, der meine Gefährten und mich
umringelte. Im Nu hatte er einen von uns gepackt und mit furchtbarem
Schmatzen gänzlich verschluckt, dann war er befriedigt fortgekrochen.
Jeden Tag nun holte sich der Drachen einen von uns. Er war sichtlich
angenehm enttäuscht, statt der ewigen Affen jetzt Menschenbraten zu
bekommen. Unser Herz aber war von dem Verlust unserer Gefährten
bekümmert und erstarrte in dem Gedanken, selbst eines Tages den Tod in
dem feuerspeienden Rachen dieses gräßlichen Untiers erleiden zu müssen.
Doch es gibt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott! Ich sann
unaufhörlich darüber nach, wie ich diesem furchtbaren Ende, das uns
allen beschieden war, entrinnen könnte. Die restlichen drei Kaufleute,
mit denen ich auf einen hohen Baum geklettert war, der uns auch als
Schlafstätte diente, hatte ich weit unter mir gelassen und war bis auf
den höchsten Ast gestiegen. Meine
Hoffnung, der Drache würde sich die untersten zuerst holen, hatte sich
bestätigt. Als er meine letzten
Gefährten erreicht und verschlungen
hatte, war ein Entschluß in mir gereift. Ich
nahm fünf breite und starke Äste
und band, so fest ich nur konnte,
einen von ihnen quer über meine Füße, drei andere gleiche über meine
linke und rechte Seite und meinen Bauch und zuletzt einen langen und
breiten Ast wieder quer über meinen Kopf, ähnlich dem ersten an meinen
Füßen. In dieser Weise rings von Holz umgeben, warf ich mich der Länge
nach auf die Erde und lag wie in einer Kammer da. Wie gewöhnlich
erschien der Drache zur Nachtzeit, um sich sein letztes Opfer zu holen.
Da er mich jedoch wegen des
Holzes, das mich von allen Selten umgab,
nicht verschlingen konnte, ringelte er sich um mich, während ich ihm
halbtot vor Furcht und Grausen zusah. Als der grausige Lindwurm nun
einsah, daß er mich in meiner hölzernen Schutzwehr nicht verschlingen
konnte, ließ er von mir ab und zog sich in grimmigster Wut zurück.
Seine Versuche, mich zu verspeisen, hatten vom Sonnenuntergang bis
zum
Anbruch der Morgenröte gedauert. Nun erhob ich mich und zog wie einer,
der von den Toten erwacht ist, an den Strand, wo ich fern auf hoher See
ein Schiff gewahrte. Mit einem riesigen Ast, den ich hin und her
schwenkte, machte ich mich bemerkbar. Man entdeckte mich und nahm mich
auf.
Auf
die Fragen des Kapitäns und der Mannschaft erzählte ich ihnen zu ihrer
höchsten Verwunderung alle meine Erlebnisse und Abenteuer, was sie
veranlaßte, mich mit neuen Sachen zu bekleiden und meine Füße zu
bedecken; dann brachten sie mir Speise und reichten mir kühles
Süßwasser zu trinken, so daß sich mein Herz wieder aufrichtete, meine
Seele sich erholte und tiefe Ruhe in mir einkehrte. - An
der Insel Es-Salahita wurde Anker
geworfen. Hier stiegen alle Kaufleute
und Passagiere ans Land, nahmen ihre Waren mit, tauschten und
verkauften. Ich stand mit dem Schiffsherrn an Deck und mußte diesem
Treiben als mittelloser Schiffbrüchiger tatenlos zuschauen. Das brach
mir das Herz. Der Kapitän sah mir meine innere Qual an und sprach zu
mir: "Wisset, verehrter Fremdling, mit uns reiste ein Mann, den wir
verloren haben; wir wissen nicht, ob er noch lebt oder bereits
ertrunken ist, da wir nie wieder etwas von ihm gehört haben. Der ganze
Laderaum unseres Schiffes liegt voll von seiner reichen Ware, die jetzt
herrenlos ist. Ich möchte euch von diesem Überfluß einige Ballen
übergeben, mit denen ihr euer Glück versuchen könnt." - Als ich den
Laderaum betrat, sah ich, daß sämtliche Ware mein einst verlorenes
Eigentum war und auch jedes Stück das Signum "Sindbad der Seefahrer"
trug. - Alles weitere erübrigt sich zu erzählen. In Bagdad, meine edlen
Herren, konnte ich mich ausweisen. Nun war mein Reichtum nicht mehr zu
ermessen." - Als Sindbad seinen armen Namensvetter, den Lastträger, mit
offenem Munde zuhören sah, winkte er schnell seinem Sklaven und ließ
jenem wiedermals hundert Goldmithkal als Spende überreichen.
oben
weiter
_______________________
|
lifedays-seite
- moment in time |
|
|
|
|
|
|
|