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04.3
Märchen der
Völker
Stefan
Mart
Bobby Box
Erstes
Abenteuer Mississippifahrt
Amerikanische
Bildergeschichte
Durch
die weiten Steppen Arkansas', durch Sonnenbrand, hohes Gras und lichten
Busch wälzen sich träge die Fluten des Mississippi. - Eine Tagreise von
Greenville entfernt hatte ein Ohio-Dampfer nach längerer Rast die
Trossen gelöst, um weiter stromaufwärts zu fahren. Schwere Sottfahnen
hingen aus den Schornsteinen des mächtigen Raddampfers. Sein Name
"Ballerich" stand vorn dick mit Teer drauf geschrieben. - Uuuuuuuuuuu
!! dröhnte es durch die flimmernde Luft, und der Mann auf der hohen
Brücke gröhlte: "Los!" -
Da
kam vom öden Land her noch ein verspäteter Fahrgast im Galopp. Es war
Bobby Box mit seiner großen Reisetasche, der ein "Stopp!" über das
andere rief. Aber das Schiff hatte den Steg schon ein gut' Stück
verlassen, und Bobby rannte den Bootsleuten in die Arme. Das
waren zwei riesige Neger mit weißglühenden Augen. "Anschluß ist
verpaßt, Sir!" lachten die beiden Schwarzen und machten sich einen Spaß
daraus, den feinen Herrn mal herzukriegen. - "Hohohohooooo!!" Bobby Box
wurde einige Male hin und her gependelt und flog dann in hohem Bogen
übers Wasser. Bobby war expediert. Er erreichte das Schiff noch "per
Backbord" - das tat scheußlich weh. - "Au!" Der Schwung wirkte so
kräftig, daß Bobby weiter flog, durch eine Tür flitzte und in einen
tiefen Ladeschacht fiel, der ihm mit finsterer Leere entgegengähnte.
Glücklicherweise hatte sich der Griff seiner Reisetasche in den Haken
der Winde eingeklemmt und nun ging es - am Tau hängend - klaftertief
hinunter. - Klaftertief? Das schien nur so; Bobby schwebte ganz langsam
abwärts. Am anderen Ende der Winde hing nämlich eine Orangenkiste, die
fast so schwer war, wie Bobby selbst, und die sein eigenes Gewicht bis
auf ein Weniges aufhob. Also ein Gleichgewichtsexempel, wie es im
Lehrbuch steht. Bald war Bobby unten und die Orangenkiste oben. Plumps!
- "Das ging großartig," meinte Bobby, "aber..." Rrrrrrrr! Rrrrrrrr! -
sauste von oben die
Kiste herunter. Kraaaackss!! Das Holz
zersplitterte, die Orangen sprangen wie Gummibälle nach allen Seiten.
"Hu! - die hätte mich plattgemacht!!" dachte Bobby Box ganz verwirrt
und stieß dabei hinten an eine hängende Bananenstaude, die ihn mit
ihrem Duft einhüllte.
Ah! -
es lachte etwas Greifbares, etwas für Herz und Leib - Bananen! Bobby
griff hinein in die langen Früchte und verproviantierte sich. Dann
wühlte er im Dunkeln des Laderaumes wie ein Maulwurf und strebte
lichtan. Endlich hatte er eine Sprossenleiter gegriffen, die ihm
geeignet erschien. Er kletterte hinauf. - Vorsicht! - dabei stieß er
oben an eine Decke - eine Luke lüftete sich. Hier also führte der Weg
zurück zu seinen Zeitgenossen. Vergnügt schob Bobby Tasche, Stock und
Hut durch die Klappe aufs Schiffsdeck. Doch bevor er selbst aus der
Luke stieg, machte er sich über die Bananen her, und sang mit vollem
Mund:
Mimmele,
mammele, mumm!
Bananen
machen dumm,
Bananen
machen 'nen kleinen Fuß,
Drum
send' Ich dir ein Paar zum Gruß. -
Mimmele,
mammele, mumm!
Eine
Bananenschale nach der anderen flog aus der Luke. - Auf Deck war alles
eitel Wonne. Man lag in der Sonne, plauderte, streckte sich und
faulenzte. Drüben auf den langen Bänken saßen zwei alte Globetrotter in
Zylinderhüten - Mister Ix und Master Ypsilon - und logen sich
gegenseitig die Hucke voll. Aber die Strafe folgte auf dem Fuße.
Schwipp - schwapp! zwei Bananenschalen kamen geflogen und klebten den
Beiden plötzlich an der Nase wie nasse Fledermäuse. Wutschnaubend
suchten sie nach dem Übeltäter. Bobby Box schwang sich gerade
akrobatenhaft leicht aus der Luke heraus. Er war von dem, was er nun
sah, vollständig eingenommen und bezaubert.
Unter
einem der Schornsteine saß auf Kistchen, Taschen und Köfferchen ein
außergewöhnlich schönes Mädchen mit einem Engelsgesicht. Ein weites
Röckchen - cremerosa mit vergißmeinnichtblauen Punkten - ein ganz
kleiner Sonnenschirm und ein noch kleineres Strohhütchen, standen ihr
gut. Sie lächelte holdselig über Bobbys Kunststücke. Dieser aber war
Kavalier. Voll Grandezza bot er dem lieblichen Mädchen eine Banane an,
nicht bevor er die Schale der Frucht nach allen Seiten heruntergezogen
hatte, um sie so wie eine Blume zu überreichen. - "Ich bin ein Dichter
und mache Verse!" stellte er sich galant vor und machte ein
Sonntagsgesicht. Sie nahm die Bananenblume mit einem feinen Lächeln und
sagte ganz leise: "Marygold". Bobby konnte nichts anderes daraus
entnehmen, als daß dieses klangvolle Wort "Marygold" ihr Name sei. In
seiner gehobenen Stimmung fühlte er plötzlich einen leichten Schreck,
der wie etwas Dumpfes in ihn drang. Einem Schatten gleich, glaubte er
hinter dem Mädchen eine düstere Gestalt zu entdecken, die ihre
stechenden Blicke auf ihn gerichtet hatte. "Him-hem-ham-hum!" hörte er
die Gestalt murmeln. Ein teuflischer Rhythmus lag in diesem
"Him-hem-ham-hum". "Das ist der Teufel!" ; davon war Bobby Box
überzeugt, und es war plötzlich in seinem Dichterherzen eine
ausgemachte Sache, daß da, wo in der Welt ein Engel zu finden ist, es
auch einen Teufel geben müßte. Er
hatte keine Zeit, länger darüber nachzudenken, denn Ix und Ypsilon
stürzten sich vor Wut platzend auf ihn. Die heiße Luft drückte in
diesem Augenblick den Schornsteinqualm auf das Deck nieder und hüllte
Bobby Box ein, was den beiden Wüterichen recht hinderlich wurde. Sie
packten trotzdem fest zu. - "O Bobby, wie wird es Dir ergehn?!"
flüsterte Marygold, die alles mit ansehen mußte. Ping, pang! - es
blitzten die Sterne, man hörte die Schläge, wie sie saßen, obwohl man
vor Rauch und Qualm nichts sehen konnte. Doch als der Rauch sich erhob,
mußte Marygold laut und anhaltend lachen. Mister Ix und Master Ypsilon
verkeilten sich beide ganz fürchterlich, und Bobby Box, der sich gleich
hinter den Schornstein geflüchtet hatte, lachte jetzt mit Marygold um
die Wette. Hoho hihi! - hoho hihi!! die ganze Luft hing voller Lache.
Bobby Box hörte zwischen dem Lachen das unheimliche "Him-hem-ham-hum";
er schielte zu Marygold hinüber und sah gerade noch, wie sie der
dunklen Gestalt hinter sich einen Klaps mit dem Sonnenschirm
verabreichte. - "Still Jim! und benimm dich!" hörte Bobby sie dabei
sagen und nun wußte er auch, daß der Teufel "Jim" hieß. Als
er so hinter dem Schornstein hervorlugte, sah er auch noch zwei ganz
kleine und sonderbar gekleidete Jungen, die mit Pusterohren und allen
möglichen Schabernacken den Fahrgästen von hintenrum zu Leibe gingen.
Darauf hörte er eine gellende weibliche Stimme: "Wo sind meine beiden
Diabolen?!" Bobby stand noch immer gebückt hinter dem Schornstein, und
ihm kam alles, was er sah und hörte, traumhaft vor. Als er über alles
noch einmal nachdachte, ahnte er nicht, daß die beiden Diabolen auch
schon hinter ihm waren und ihm hinterlistigerweise eine kleine Flasche
an den Rockschoß banden, auf der mit großen Buchstaben "Nitroglyzerin"
zu lesen war. -
Da
tönte die Schiffsglocke, und der Dampfer hielt. Bobby Box griff nach
Reisetasche und Spazierstock; Gutes und Böses drängten sich in seinem
Kopfe. Aber die Sonne strahlte so schön, daß er gleich wieder an zu
dichten fing:
Die
Mississippifahrt war schön.
Adieu, partie - auf Wiedersehn !
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