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04.3
Märchen
Ut Oler Welt
Wilhelm Busch
Das Öl der Zwerge
Es
ist einmal eine Hebamme
gewesen, zu der kam in der Nacht ein kleines Männlein mit einer Laterne
und
forderte sie auf, eilig mit ihm zu gehen. Sie nahm ihren Mantel über
und folgte
dem Zwerge, welcher über Feld und Wiesen voranschritt bis zu einem
Wasser,
unter welchem er seine Wohnung hatte. Hierinnen lag die Frau des
Zwerges in
Kindesnöten. Nachdem die Hebamme ihr Beistand geleistet und das
Kindlein
geboren und gewaschen war, reichte ihr das Männlein ein Glas mit
wohlriechendem
Öle und forderte sie auf, das Kindlein damit einzureiben. Nun hatte die
Hebamme
trübe, tränende Augen und darum die Gewohnheit, von Zeit zu Zeit mit
der Hand
darüber zu streichen. Als sie nun so mit dem Einreiben des Kindes
beschäftigt
war, juckte und flirrte es ihr auch wieder in dem einen Auge, so
dass sie
mit dem Finger herüberfuhr und es auswischte.
Nachdem
sie nun das Kind
angezogen hatte und sich zum Weggehen anschickte, gab ihr der Zwerg
einiges
Geld. Sie ging darauf an das Bett der Wöchnerin, um ihr gute Besserung
zu
wünschen und Adieu zu sagen. Die Wöchnerin zog sie aber nahe zu sich
und sagte
ihr heimlich ins Ohr: sie sollte das Geld, welches ihr der Mann
gegeben, nur
wegwerfen, aber statt dessen den Kehricht aufraffen, der da vor der
Stubentür
an der Schwelle läge. Das tat sie, behielt aber doch auch das Geld.
Während dem
hatte der Zwerg seine Laterne wieder angezündet, begleitete die Hebamme
nach
Hause und verabschiedete sich von ihr, nachdem er sich noch vielmals
für die
gute Hilfe bedankt hatte. Als jetzt die Frau nach ihrem Gelde sehen
wollte, war
es Pferdemist, der Kehricht aber war eitel rothes Gold.
Einige
Zeit darnach ging
die Hebamme zum Jahrmarkt in die nächste Stadt und gedachte da tüchtig
einzukaufen, denn sie hatte nun Geld in Menge. Sie musste sich
ordentlich
drängen lassen, so voll war's da auf dem Markte. Da sah sie auf einmal
denselben Zwerg, der sie in der Nacht zu seiner Frau geholt hatte; er
ging von
einer Krambude zur andern und packte in seinen Schnappsack, was ihm
gefiel,
schöne Honigkuchen und gute, braune Pfeffernüsse, Bänder und Tücher,
ohne daß
die Eigentümer das Geringste zu merken schienen. Die Frau drängte sich
zu ihm
hin, tupfte ihm mit dem Finger auf die Schulter und redete ihn
an: »Sieh
da! Guten Tag, guten Tag, Herr Zwerg! Auch hier?« Der Zwerg drehte
sich
rasch um und sah die Frau so recht verwundert an. »J!
Frau!« – sagte
er – »kann Sie mich denn sehen?« »O ja, recht gut! Warum das
nicht?« »Und mit beiden Augen?« fragte der Zwerg. Die Frau
hielt das
rechte Auge zu. »Nein, nun sehe ich ihn nicht.« Darauf
drückte sie
das linke Auge zu. »Ja, nun sehe ich ihn wieder.« »J!« –
sagte
der Zwerg – »das ist doch sonderbar! Zeige Sie mal her!
Puh!« Da
pustete er ihr ins rechte Auge, dass es sogleich blind wurde und sie
nicht
wieder damit sehen konnte ihr Lebelang.
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