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04.3
Märchen
Ut Oler Welt
Wilhelm Busch
Die bestrafte Hexe
Es
ist einmal eine rechte
alte Hexe gewesen, die hatte zwei Töchter, eine rechte Tochter und eine
Stieftochter, und die Stieftochter war schön und gut, die rechte
Tochter aber
boshaft und hässlich. Da kam ein junger Jäger, nahm die Stieftochter
zur Frau,
weil sie ihm gut gefiel und zog mit ihr in sein Haus, das im Walde lag.
Die
alte Hexe stellte sich dazu ganz freundlich; in ihrem Herzen wusste sie
sich
aber vor Ärger und Bosheit nicht zu lassen, darum, dass der Jäger ihre
eigene
Tochter nicht genommen hatte, sondern die Stieftochter, die sie gar
nicht
leiden konnte.
Über
eine Zeit kriegte die
Jägersfrau einen kleinen Jungen und musste zu Bett liegen. Da wurde die
Stiefmutter geholt, dass sie das Kind wüsche und anzöge, auch die Suppe
kochte
und sonst zur Hand wäre, wenn die kranke Frau ihrer bedürfen sollte.
Der Jäger
aber hatte zur Erheiterung und Kurzweil seiner Frau allerlei Vögel in
die Stube
gebracht, die sangen, und ein Spiel hatte er gemacht von allerlei
Glocken, die
klangen.
Dicht an dem Hause lag ein
großer Teich, auf dem viele Enten schwammen. Nun stand eines Tages die
Stiefmutter am offenen Fenster und sah auf den Teich hinaus, und weil
des
Jägers Frau schon wieder auf Besserung war und zuweilen aufstehen
konnte, rief
ihr die Hexe zu: »Steh doch auf, mein Kind, und sieh einmal die
vielen
Enten, die da auf dem Teiche schwimmen.« Ohne an Arges zu denken,
stand
die Frau auf und lehnte sich aus dem Fenster, und indem, so gab ihr das
boshafte Weib einen heftigen Stoß, dass sie hinab in den Teich stürzte,
und
verwünschte sie in eine Ente; da schwamm sie nun mit den anderen Enten
auf dem
Teiche herum. Ihr Kind aber fing an zu weinen, und ihren Mann befiel zu
derselben Stunde eine große Traurigkeit und wusste doch nicht warum;
die Vögel
sangen nicht, die Glocken klangen nicht. Da nahm die Hexe ihre eigene
Tochter,
legte sie in der Frauen Bett und band ihr ein Tuch um den Kopf, als ob
sie
krank wäre, sodass sie der Mann nicht erkennen konnte, als er kam,
seine Frau
zu besuchen.
Als es nun Abend ward und
die Magd allein in der Küche war, kam auf dem Teich her eine Ente
angeschwommen, die schnatterte vor dem Gossensteine wie Enten
tun: »Niep,
Niep! Natt, Natt!« und dann fing sie ordentlich an zu sprechen:
»Weint mein liebes Kind
auch noch?
Weint
mein lieber Mann auch noch?
Singen
meine Vögel auch noch?
Klingen
meine Glocken auch noch?«
Da
antwortete die Magd:
»Eure
Glocken klingen
nicht,
Eure
Vöglein singen nicht,
Euer
Mann und Kind die weinen.«
Darauf
ist die Ente wieder
weggeschwommen. – Den zweiten Abend kam sie wieder, steckte den Kopf
durch das
Gossenloch und schnatterte ganz betrübt: »Niep, Niep! Natt,
Natt!« und dann fing sie an zu sprechen:
»Weint mein liebes Kind
auch noch?
Weint
mein lieber Mann auch noch?
Singen
meine Vögel auch noch?
Klingen
meine Glocken auch noch?«
Und
die Magd antwortete:
»Eure
Glocken klingen
nicht,
Eure
Vöglein singen nicht,
Euer
Mann und Kind die weinen.«
Darauf
sprach die
Ente: »Nun komme ich noch ein einziges Mal; dann fasse mich und
haue mir
den Kopf ab, so bin ich erlöst,« und schwamm fort. Das alles
erzählte die
Magd ihrem Herrn, der sagte: »Wenn die arme Ente so erlöst werden
kann, so
musst du es tun.« Als nun die Ente den dritten Abend wieder den
Kopf durch
das Gossenloch steckte, fasste die Magd ein Beil und hieb ihn ab; in
demselben
Augenblicke, da das Blut floss, wich der Zauber; die Frau war erlöst
und ging
zu ihrem Manne; der freute sich, dass er seine liebe Frau wieder hatte,
denn
sie erzählte ihm, wie das alles so gekommen und welcher großen Gefahr
sie
entgangen war.
Der
Jäger, der nun wusste,
was die Stiefmutter für ein böses Weib war, ließ sich nichts merken,
sondern
sann, wie er sich am besten an ihr rächen könnte. Auf den andern Abend
lud er
eine große Gesellschaft; doch musste seine Frau noch zurückbleiben. Wie
sie nun
alle zu Tische saßen, stand der Jäger auf und fragte, was sie wohl
meinten,
dass der Mutter geschehen müsste, die ihr Tochter in ein unvernünftiges
Tier
verwünscht hätte. Da sprang die Stiefmutter auf von ihrem Stuhle und
war ganz
verblendet und schrie: »Die verdient, dass sie in ein
durchnageltes Fass
gesteckt und darin so lange gewälzt wird, bis sie tot ist.« »Du
hast dir
selbst dein Urtheil gesprochen, du Hexe!« rief der Jäger und ließ
seine
Frau herein in die Stube treten. Wie das die Hexe sah, dass sie
verraten war,
ward sie kreideweiß vor Schreck und stürzte der Länge nach auf den
Boden hin.
Da wurde sie in ein Fass gesteckt, welches mit eisernen Nägeln
durchschlagen
war; das wurde auf den höchsten Berg gebracht und da hinabgerollt. So
hat die
Hexe ihren verdienten Lohn erhalten.
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