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04.3
Märchen
Ut Oler Welt
Wilhelm Busch
Des Todtengräbers
Sohn
Es
war einmal ein armer
Kulengräber (Todtengräber), der hatte einen einzigen Sohn mit Namen
Fritz, und
ist da auch ein reicher Bürgermeister gewesen, der hatte eine einzige
Tochter,
die hieß Karoline. Weil nun die beiden Kinder zusammen in die Schule
gingen und
täglich bei einander waren, auch gleiches Alter hatten, so wurden sie
sich von
Herzen gut. Die Jahre kamen und vergingen, die Kinder wurden groß, aber
ihre
Liebe blieb dieselbe. Das war aber dem Vater des Mädchens gar nicht
recht, daß
sie sich zu so einem armen Jungen hielt, dessen Vater nur ein
Todtengräber war.
Er machte dem Fritz das Leben sauer, wie und wo er nur konnte, und
verbot
seiner Tochter zuletzt auf das strengste, mit ihm zu verkehren und zu
sprechen,
sodaß die zwei sich nur zuweilen heimlich sehen konnten. Da dachte der
Fritz
endlich: »Ich will nun in die weite Welt gehen, ob ich nicht da
mein Glück
machen und Geld erwerben kann; so geht es doch nie und nimmer
gut.« Und
als er nun zum letzten Mal zu seiner Karoline ging, ihr Lebewohl zu
sagen, fing
sie bitterlich zu weinen an und gab ihm einen Ring und sagte, daß er
sie doch
nicht vergessen möchte, wenn er nun so weit in der Fremde
wäre. »Nie und
nimmer will ich dich vergessen«, hat er da gesagt; »ich gehe nun
nach
Spanien, das ist ein weiter, weiter Weg; darum versprich mir, daß du
mir sieben
Jahre lang treu bleiben willst; bin ich dann nicht zurück, so bin ich
todt und
komme niemals wieder«. Das haben sich die zwei fest versprochen und
haben mit
Weinen von einander Abschied genommen; der Fritz ist dann fortgewandert
auf dem
Wege, der nach Spanien geht.
Gegen Abend kam er zu
einem
Schlosse, drinnen wohnte ein alter Ritter mit seiner Frau, die nahmen
ihn
freundlich auf und gaben ihm Herberge. Er erzählte ihnen, als sie zu
Tische
saßen, wie es ihm so traurig ergangen sei, und daß er nun hinwollte
nach
Spanien, ob er da nicht sein Glück machen könne. Weil er nun so offen
und
treuherzig war, gewannen ihn der Ritter und seine Frau lieb, und da sie
keine
Kinder hatten, so behielten sie ihn bei sich als ihren Sohn, gaben
ihm gute
Kleider und ließen ihn in allem unterrichten, was einem Rittersmann
zukommt.
Über eine Zeit, so ging
die
Kunde, der König von Spanien, der schon alt und des Regierens müde sei,
hätte
eine Krone ausgehängt, wer die in vollem Jagen herunterstäche, der
sollte Vizekönig
von Spanien sein und des Königs Tochter zur Frau haben. Da bat Fritz
seine
Pflegeeltern, daß sie ihn möchten nach Spanien an des Königs Hof ziehen
lassen,
denn das Kronenstechen hätte er doch gar zu gerne mitgemacht. »Wer
weiß,
ob es dir nicht glückt,« dachte er und bat so lange, bis ihm der
Ritter
ein Pferd gab und ihn ziehen ließ. So ritt er denn fort auf dem Wege,
der nach
Spanien geht, und als er dort ankam, da hatten sich schon alle Ritter
im
Stechen versucht, aber keiner hatte die Krone erlangen können. So war
er der
letzte an der Reihe, und richtig! es gelang ihm, die Krone
herunterzustechen.
Da wurde er zum Vizekönig von Spanien gemacht und sollte des Königs
Tochter
haben.
Es waren aber zu der Zeit
gerade die sieben Jahre herum, darum sprach er: »Ehe die Hochzeit
ist,
will ich noch einmal in meine Heimath zu meinem alten Vater
reisen.« Des
war der König zufrieden. So zog er denn fort in seine Heimath, und als
er da
ankam, war es Abend; da kehrte er in dem ersten Gasthofe ein, der des
Bürgermeisters
Hause gerade gegenüber lag. Dem Bürgermeister sein Haus war aber ganz
hell
erleuchtet und war Musik darin und wurde getanzt.
Da fragte er den Wirth, was
denn das zu bedeuten hätte, daß es in dem Hause da auf der andern Seite
so
lustig herginge. »Das kommt daher,« antwortete der
Wirth, »daß
unsers Bürgermeisters Tochter heute Hochzeit hält.« Da fragte er
weiter,
ob er es als Fremder wohl wagen könnte, auch mal hinüber auf die
Hochzeit zu
gehen. »Das könnt Ihr nur dreist thun,« sagte der
Wirth, »so einen
feinen, reichen Herrn, wie Ihr seid, wird man da gerne sehen.« So
ging er
denn auf die Hochzeit; aber von den Leuten, die da waren, kannte ihn
keiner
wieder und alle freuten sie sich, daß so ein vornehmer Herr ihnen die
Ehre
anthäte, bei ihnen einzusprechen. »Ist es wohl
erlaubt,« fragte er
da, »mit der Braut einen Tanz zu machen?« »Ei ja
wohl,« sprachen
alle, »das wird der Braut eine große Ehre sein.« Da ging er
hin zu
den Musikanten und bestellte seinen Lieblingswalzer, den er sonst mit
seiner
Karoline immer so gern getanzt hatte, und als er sie nun zum Tanze
holte und
die Musik den Walzer zu spielen anfing, wurde sie ganz still und dachte
bei
sich: »Es ist doch sonderbar, daß dieser fremde Herr mich gerade
heute an
meinen Fritz erinnern muß, der doch gewiß schon lange todt ist; nun ich
seinen
Lieblingswalzer spielen höre, wird mir ordentlich das Herz
schwer;« aber
doch erkannte sie ihn nicht. Als nun der Tanz zu Ende war und der
fremde Herr
wieder fortgehen wollte, drückte er der Braut ein Papier in die Hand,
und als
sie das aufmachte, so lag darin der Ring, den sie ihrem Fritz vor
sieben Jahren
gegeben hatte, als sie von einander Abschied nahmen. Sowie sie aber den
Ring
erkannte, wurde sie ganz blaß und fiel für todt auf den Boden hin. Da
nahm die
Hochzeit ein trauriges Ende. Fritz aber ging zu seinem Vater und gab
sich ihm
zu erkennen und erzählte ihm, daß er nun Vizekönig von Spanien sei; das
ist dem
alten Manne eine große Freude gewesen.
Den andern Tag wurde
Karoline in ihrem Sarge in das Todtengewölbe gebracht, denn sie war
nicht
wieder zum Leben zurückgekommen. Mittlerweile kam ein Bote von Spanien,
der
brachte die Nachricht an Fritz, die Königstochter wäre plötzlich
gestorben und
der König wollte nun die Regierung ganz abtreten; darum solle er doch
schnell
nach Spanien zurückkommen. Weil er aber, ehe er fortreiste, seine liebe
Karoline doch noch zum letzten Male sehen wollte, so ging er mit seinem
Vater,
der den Schlüssel zu dem Todtengewölbe hatte, in der Nacht dahin; da
lag sie
still in ihrem Sarge, und als er sich nun weinend über sie beugte, um
sie zu
küssen, fühlte er mit einem Male, daß sie noch leise Athem holte. Da
brachte er
sie mit seinem Vater aus dem kalten Gewölbe ins Haus, und in der Wärme
kam sie
nach und nach wieder ins Leben zurück; und als sie ihren Fritz
erkannte, fielen
sie sich beide um den Hals und weinten vor Freude, daß sie sich nun
endlich
wieder hatten.
Den
folgenden Tag mußte
Fritz wieder fort nach Spanien; seine Karoline ließ er aber bei seinem
Vater
und sagte ihr, daß sie da heimlich bleiben sollte, bis er wieder käme.
Es
verging ein Jahr und ein Tag, da kam er zurück und veranstaltete ein
großes
Gastmahl, dazu ließ er auch den Bürgermeister einladen, und als sie zu
Tische
saßen, sagte er, er wolle ihnen mal ein Gleichnis aufgeben, darüber
sollten sie
ihm alle ihre Meinung sagen. »Es war mal ein Gärtner,« sprach
er
da, »der hatte eine wunderschöne Blume; die Blume verwelkte, und
der
Gärtner riß sie aus und warf sie aus seinem Garten. Nun kam des Wegs
ein Mann,
der fand die Blume, nahm sie mit und pflanzte sie in seinen
Blumengarten, und
weil er sie pflegte und wohl begoß, so wurde die Blume wieder frisch
und schön
wie vorher. Nun sagt! Wem kam die Blume zu? Dem Gärtner, der sie aus
seinem
Garten warf, oder dem Manne, der sie fand und pflegte, bis sie wieder
frisch
und grün geworden war?« Da sagten sie alle, daß dem die Blume
gehörte, der
sie gefunden und gepflegt hätte. »Nun denn,« sagte
er, »so will
ich Euch die Blume zeigen!« und indem so machte er die Thür auf
und ließ
seine Karoline hereinkommen. »Seht her! dies ist die Blume, die
ich fand
und pflegte und wieder ins Leben brachte, als sie verwelkt war; nun
will ich
sie auch behalten, so lange ich lebe.«
Da nahm er sie mit in
sein
Königreich und lebte glücklich mit ihr bis an sein Ende.
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