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04.3
Märchen
Ut Oler Welt
Wilhelm Busch
Das verwünschte
Schloss
In
alter Zeit ist mal ein
Edelmann gewesen, der hatte einen großen, schönen Wald und vieles Wild
darin,
aber alle seine Jägersburschen, die er noch gehabt hatte, wenn sie
ausgingen,
in dem Wald zu jagen, so kamen sie nicht wieder zurück, so daß zuletzt
keiner
mehr bei dem Edelmann in Dienst gehen wollte.
Nach
langer Zeit kam
endlich mal wieder ein junger, hübscher Bursche zugereist, der stellte
sich dem
Edelmann als Jäger vor; da sagte ihm der Edelmann, wie es mit dem Walde
bestellt wäre, und daß noch keiner wieder daraus zurückgekommen sei,
aber der
Bursche bat so viel, er möchte ihn doch annehmen, daß er ihn zuletzt
doch in
seinen Dienst nahm.
Gleich
den andern Tag
sattelte der Jäger sein Pferd und zog zum Jagen in den Wald hinein.
Nicht lange
war er geritten, so sah er auf einmal dicht vor sich elf prächtige
Hirschkühe
und einen prächtigen Hirschbock, der trug ein Geweih von purem Golde.
Da faßte
den Jäger ein heftiges Verlangen, dem wunderbaren Hirsche zu folgen,
daß er ihn
womöglich erjagen möchte; darum trieb er sein Pferd zu raschem Laufe
an. Die
zwölf Hirsche aber, als er ihnen nachsetzte, sprangen eilig davon; und
zuletzt
wurde der Wald so wüst und dicht, daß er die Hirsche ganz aus den Augen
verlor
und sich verirrte. Mit dem, so brach auch die Nacht herein. Da stieg
der Jäger
auf einen hohen Baum und sah von da aus der Ferne her ein Licht
schimmern. Als
er nun in der Richtung, wo das Licht herschien, weiter ritt, so kam er
an einen
großen Pferdestall, darin brannte die Stallaterne, und das war das
Licht
gewesen, welches er von dem Baume aus hatte schimmern sehen. Da band er
sein
Pferd wie die andern Pferde in den Stall.
Der
Pferdestall gehörte
aber zu einem Schlosse, das stand nicht weit davon, und als der Jäger
da
hineinging, so fand er alles aufs schönste eingerichtet, aber es war
ganz still
darin und kein lebendes Wesen zu hören und zu sehen. Nun stand da ein
Schrank
voll schöner Lesebücher, da nahm der Jäger eins von in die Hand, um
sich die
Zeit zu kürzen. Mit einem Male so wurde eine Stimme wach, die
rief: »Was
beliebt?« »Ei!« sprach der Jäger, »wenns nach
meinem Belieben geht, so möchte ich wohl Waschwasser haben und ein
gutes Abendbrot.« Und was er verlangt hatte, das wurde ihm auch
alles
hergebracht. Da wusch er sich und setzte sich zum Abendessen, und als
er
gegessen hatte, nahm er wieder sein Buch zur Hand und las.
Um
elf Uhr ließ sich wieder
die Stimme vernehmen und sagte: wenn es zwölf wäre, so kämen vier
Männer und
schleppten ihn im ganzen Schlosse herum; dabei dürfte er aber ja keinen
Laut
von sich geben, sonst müßte er sterben.
Und
richtig! Mit dem
Schlage zwölf that sich die Thür auf und herein traten vier schwarze
Männer,
die faßten ihn unsanft an, schleiften ihn Trepp auf, Trepp ab im ganzen
Schlosse herum; er gab aber keinen Laut von sich, und als der Schlag
eins aus
der Glocke ging, da brachten sie ihn wieder in sein Zimmer zurück.
Da
sagte die Stimme: auf
dem Tische stände Salbe, da sollte er sich mit einreiben, und dann
stände in
dem Nebenzimmer ein schönes Bett, da sollte er sich hineinlegen.
Das
that der Jäger auch und
den andern Morgen, da er erwachte, waren all seine Schmerzen vorüber.
Es stand
auch schon sein Morgenbrod bereit. Er erhob sich, als er das sah, von
seinem
Lager, verzehrte was ihm gebracht war, und nachdem, so setzte er sich
wieder
hin und las schöne Geschichtsbücher, die er nach Belieben aus dem
Schranke
nehmen konnte. Den ganzen Tag über wurde er mit Essen und Trinken wohl
versorgt, so daß es ihm sicher alles wohlgefallen hätte, wenn ihm nicht
die
unheimlichen schwarzen Männer von der Nacht vorher noch zu lebhaft in
Gedanken
gewesen wären. Darum gedachte er, als der Abend anbrach, heimlich davon
zu
gehen. Aber o weh! Die Zugbrücke war aufgesogen und alle Anstrengungen,
sie
herunter zu lassen, waren vergeblich. Da mußte er denn wohl wieder
umkehren, er
mochte wollen oder nicht.
Um
elf Uhr wurde wieder die
Stimme laut und sagte: statt daß gestern vier gekommen wären, würden
heute
Nacht acht kommen und ihn im ganzen Schlosse herumtragen; wenn er aber
den
geringsten Laut von sich gäbe, so müßte er sterben.
Und
richtig! Mit dem
Schlage zwölf that sich die Thüre auf und hereintraten acht große
schwarze Männer,
die packten ihn bei den Beinen und schleiften ihn mit dem Kopfe zu
unterst
Trepp auf, Trepp ab im ganzen Schlosse herum, daß ihm alle Rippen im
Leibe
knackten und sein Kopf voll Beulen wurde. Aber doch gab er keinen Laut
von
sich; und wie der Schlag eins aus der Glocke ging, da brachten sie ihn
wieder
hin, wo sie ihn hergeholt hatten.
Da
sagte die Stimme wieder:
auf dem Tische stände Salbe, da solle er sich mit einreiben, und in dem
Nebenzimmer stände ein schönes Bett, da solle er sich hineinlegen.
Das
that der Jäger auch;
und den andern Morgen, als er aufwachte, war sein Kopf wieder heil und
that ihm
kein Finger weh. Es stand auch schon ein gutes Morgenbrod bereit, das
verzehrte
er mit Behagen, und nachdem so setzte er sich wieder hin und las noch
viel
schönere Bücher als er den Tag vorher gelesen hatte, und zu bestimmter
Zeit
kriegte er auch wieder sein gutes Essen und war ganz vergnügt bis zum
Abend, wo
es anfing dunkel zu werden; da fielen ihm die schwarzen Männer wieder
ein und
herzlich gerne hätte er sich auf und davon gemacht, wenn er nur gekonnt
hätte.
Um
elf Uhr sagte die
Stimme: anstatt daß gestern acht gekommen wären, kämen heute zwölf; er
sollte
aber nur standhaft bleiben und kein Wort sagen, sonst müsste er sterben.
Und
richtig! Mit dem Schlage
zwölf that sich die Thür auf und herein traten zwölf kohlschwarze
Männer, die
banden ihm Hände und Füße mit eisernen Ketten und schleiften ihn im
ganzen
Schloße herum und zuletzt hinaus auf den Hof zu einem tiefen Brunnen
und
thaten, als ob sie ihn hineinwerfen wollten. Aber doch blieb er
standhaft und
gab keinen Laut von sich. Sowie der Schlag eins aus der Glocke ging,
brachten
sie ihn wieder zurück in sein Gemach. Er war halb todt und alle Knochen
thaten
ihm im Leibe weh, aber diesmal kam keine Salbe und wurde ihm auch kein
Bett
gegeben, so daß er auf allen vieren in eine Ecke kroch und da liegen
blieb.
Die
ganze Nacht that er vor
Schmerz kein Auge zu, und den andern Morgen wurde auch kein Essen
gebracht;
aber es dauerte nicht lange, so klopfte jemand an die Thür, und als der
Jäger »herein!« rief, da erschien ein wunderschönes Mädchen,
das gab
ihm von der Heilsalbe und sagte: in dem Nebenzimmer im Schranke, da
hingen
königliche Kleider, die sollte er anziehen, und wenn er das gethan
hätte, so
sollte er nur oben heraufkommen. Damit ging sie wieder hinaus.
Der
Jäger zog nun, nachdem
er mit der Salbe seine Schmerzen gestillt hatte, die königlichen
Kleider an und
ging dann oben in das Schloß hinauf, und als er in den Saal trat, so
saß da
eine wunderschöne Prinzessin mit ihren elf Jungfrauen; das waren die
zwölf
Hirsche gewesen, die der Jäger verfolgt hatte; der mit den goldenen
Hörnern war
die Prinzessin. Da bedankten sie sich bei dem Jäger, daß er sie durch
seine
Standhaftigkeit nun erlöst hatte. Nachdem so wurde der Jäger König und
hielt
Hochzeit mit der schönen Prinzessin, und wurde getanzt und geschmaust;
und wenn
die Hochzeit noch nicht zu Ende ist, so dauert sie heute noch.
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