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04.3
Märchen
Ut Oler Welt
Wilhelm Busch
Der Soldat und das
Feuerzeug
Es
zog ein abgedankter Soldat die Landstraße daher; sein
Geld und seine Wegzehrung waren zu Ende; arbeiten konnte er nicht,
stehlen
mochte er nicht und so blieb ihm nichts anderes übrig, als sich mit
Betteln
sein Brod zu suchen. Das gefiel ihm aber auch nicht sonderlich. So kam
er einst
in einen dichten Wald, und ganz
verloren in seine trüben Gedanken, kam er vom Wege ab und verirrte
sich. Da
begegnete ihm ein kleines schwarzes Männchen, das fragte ihn, was ihm
denn
fehlte, er wäre ja so traurig? »Ach Gott,« sprach der
Soldat, »wie sollt ich nicht traurig sein! Im Kriege ging es
lustig her,
da hatt ich Geld und Wein vollauf, aber jetzt muß ich Hunger und Durst
leiden,
meine Kleider sind zerrissen, mein Muth ist hin.« Das Männchen
tröstete ihn
und sprach:
»Geh nur diesen
Weg hier, so kommst du an ein verwünschtes
Schloß, das wird von vielen wilden Thieren bewacht. Vor dem Schlosse
liegt ein
großer Stein, wenn du dich darauf setzest, so werden die Thiere
fürchterlich an
zu brüllen fangen, aber bleib nur ruhig sitzen bis die Glocke zwölf
schlägt, da
schlafen die Thiere ein. Dann geh in das Schloß hinein, da kannst du
dir so
viel Geld nehmen, daß du deine Lebtag genug daran hast; mit dem Schlage
Eins
mußt du aber zurück sein, sonst geht es dir schlecht.«
Der Soldat bedankte sich
und ging auf dem Wege weiter,
den das Männlein ihm gezeigt hatte. Als er nun an das Schloß kam und
sich auf
den großen Stein setzte, fingen alle die wilden Thiere, die das Schloß
bewachten, auf einmal fürchterlich zu brüllen an, aber der Soldat
kehrte sich
an nichts, blieb ruhig sitzen bis um zwölf, wo die Thiere einschliefen,
und
ging dann in das Schloß hinein. Zuerst kam er in ein schönes Zimmer,
das war
ganz voll Kupfergeld und lag ein schlafender Riese dabei. Der Soldat
füllte
seine Taschen und wollte schon wieder fortgehen, als er noch eine
zweite Thür
bemerkte. Er machte sie auf und kam nun in ein zweites Zimmer, das war
viel
schöner als das erste, und auf dem Boden lagen große Haufen Silbergeld,
lauter
blanke Thaler, und ein Riese lag dabei und schnarchte. Da warf der
Soldat
schnell sein Kupfergeld wieder fort, steckte seine Taschen voll
Silbermünze, so
viel nur hineinging und dachte: »Nun hast du dein Lebelang Geld
genug, nun
sollst nur wieder umkehren.« Er sah aber da noch eine dritte Thür,
machte
sie auf und guckte hinein, und gut! daß er es gethan hatte, denn da lag
lauter
rothes Gold in großen Haufen und auch ein Riese dabei, aber der
schnarchte und
schlief ganz fest, und das Zimmer war so schön, wie der Soldat noch
keins in
seinem Leben gesehen hatte.
Schnell warf er sein
Silbergeld weg und packte nun
so viel Gold ein, wie er nur tragen konnte und wollte wieder
zurückgehen. Da
sah er aber noch eine vierte Thür, die machte er auch auf und kam nun
in das
vierte und letzte Zimmer, das war schöner als das schönste Zimmer in
des Königs
Schlosse. Geld war da nicht, aber auf der Tafel stand Wein und Braten,
der roch
so schön, und die Teller, Messer und Gabeln waren von purem Golde. Da
setzte
sich der Soldat und pflegte seinen hungrigen Magen nach Herzenslust und
trank
von dem Weine so viel er nur mochte. Mittlerweile war es aber Zeit
geworden,
daß er wieder umkehren mußte. Nun hing an der Wand eine Pfeife und ein
Tabaksbeutel und auf dem Tische stand
ein Feuerzeug, das steckte er auch noch alles ein, denn er war ein
großer
Freund vom Rauchen, und darnach so beeilte er sich, daß er aus dem
Schlosse
noch zu rechter Zeit wieder herauskam. Es war auch die höchste Zeit
gewesen,
denn kaum war er wieder bei dem großen Stein angelangt, so schlug die
Glocke
Eins, und die wilden Thiere erwachten und brüllten fürchterlich.
Der Soldat ging nun mit
seinem vielen Gelde weiter, kam
auch glücklich aus dem Walde und gelangte in die Stadt, wo der König
Hof hielt.
Er erkundigte sich gleich nach dem vornehmsten Gasthofe, ging hinein
und
verlangte Herberge und weil er so zerlumpt und schmutzig aussah,
brachte ihn
der Wirth in die Bedientenstube. »Das ist ja hier eine elende
Wirthschaft«, sprach der Soldat; »bringt mir Wein her!« Da
ging der
Wirth hin und holte ein Flasche von der schlechtesten Sorte und meinte,
die
wäre für so einen Lump wohl gut genug; aber der Soldat, der in dem
verwünschten
Schlosse den köstlichen Wein getrunken hatte, wußte wohl was gut
schmeckte,
probte den Wein, schnitt ein Gesicht und rief: »Bah! der Wein ist
ja gar
nicht zu genießen! Bringt bessern her!« Der Wirth bequemte sich
und holte
eine Flasche von der Mittelsorte; aber der Soldat, da er ihn geprobt
hatte,
rief wieder: »Bah! bringt bessern her! Es koste, was es will; hier
ist
Geld!« Damit warf er ein paar Goldstücke auf den Tisch. Als das
der Wirth
sah, wurde er auf einmal ganz höflich, ging in den Keller und brachte
eine
Flasche vom besten. »So!« sprach der Soldat, »der läßt
sich
trinken. Nun gebt mir auch ein besseres Quartier, daß ich aus diesem
elenden
Loche komme.« Da brachte ihn der Wirth mit tiefen Bücklingen in
das
schönste Zimmer, das er im Hause hatte. »Jetzt, Herr
Wirth!« sprach
der Soldat, »bringt mir einen Juden her, daß er mir Kleider und
Wagen und
Pferde schafft.« Der Jude kam. »Hör mal Jude,« sprach
der
Soldat, »du kannst mir wohl schöne Kleider schaffen, wie sie der
König
trägt, auch drei Kutschen und zu jeder Kutsche sechs Pferde; sechs
Schimmel,
sechs schwarze und sechs Isabellen.« »Das ist recht
schön!« schmunzelte
der Jud; »aber hat der Herr auch Geld dazu, mit Verlaub zu
fragen?« »Hier, Jude, hast du Geld,« sprach der Soldat, griff
in die
Tasche und warf ein paar Hände voll Goldstücke auf den Tisch. Der Jude
strich
das Geld schmunzelnd ein und ging unter tiefen Bücklingen zur Thür
hinaus. Er
hatte auch bald alles aufs beste besorgt, wie es der Soldat gewünscht
hatte.
Der lebte nun alle Tage in Saus und Braus, und jeden Mittag, wenn er
gegessen
hatte, fuhr er in seiner Kutsche durch die Stadt und vor des Königs
Schlosse vorbei.
Es hatte der König aber
drei Töchter, die sahen von ihrem
Fenster aus, wie der Soldat in seinem prächtigen Kleide und in seiner
schönen
Kutsche da jeden Tag vorbei fuhr.
Da sprach die älteste: »Das ist gewiß
ein reicher Prinz, den will ich mal zu Gaste bitten.« Sie schickte
ihren
Diener nach dem Gasthofe und ließ den Soldaten zu sich einladen. Er kam
auch
und brachte eine ganze Tasche voll Goldstücke mit. Nach dem Essen
wurde Karten gespielt; der Soldat spielte
aber so unglücklich, daß er all sein Geld verlor, was er mitgebracht
hatte.
Den
andern Abend ließ ihn die zweite Prinzessin einladen; da erging es ihm
auch so
unglücklich beim Spiele, daß er wieder sein mitgenommenes Geld
verspielte, und
das war sein letztes.
Den dritten Abend wurde er zu der jüngsten und schönsten
Prinzessin eingeladen, und weil er da für sein Leben gern hinging, sein
Geld
aber zu Ende war, so verkaufte er Wagen und Pferde und bekam eine
hübsche Summe
dafür. Damit ging er zu der Prinzessin. Nach dem Essen wurde wieder
Karten gespielt,
und wieder verlor der Soldat alles Geld, das er mitgebracht hatte. Nun
war er
so arm, wie er gewesen war, da er seinen Abschied kriegte und bettelnd
durch
die Welt zog.
Ganz mißmuthig und
zerzweifelt ging er in seinen Gasthof
zurück und legte sich zu Bett. Er konnte kein Auge zuthun und wälzte
sich voll
Unruhe von einer Seite auf die andere. Endlich, weil ers im Bette gar
nicht
aushalten konnte, stand er auf und ging im Zimmer auf und ab. Da fiel
ihm mit
einem Male die Pfeife und das Feuerzeug ein, das er mit aus dem
verwünschten
Schlosse gebracht hatte, und weil ihm seine trüben Gedanken gar keine
Ruhe
ließen, so dachte er zu seiner Zerstreuung eine Pfeife zu rauchen, nahm
das
Feuerzeug und pinkte, daß die Funken flogen. So wie er aber den ersten
Schlag
that, stand plötzlich ein allmächtig großer Riese vor ihm, der war
einer von
den dreien, die in dem verwünschten Schlosse das Geld
bewachten. »Was
befiehlt der Herr?« fragte der Riese. »Bringe mir einen Sack
voll
Geld!« sprach der Soldat. Kaum hatte er das Wort gesagt, so war
der Riese
auch schon wieder fort, und kam bald zurück und schleppte einen großen
Maltersack voll Geld herein. »So!« sprach der
Soldat; »nun hole
mir auch die jüngste Prinzessin her.« Der Riese lief fort und
brachte die
Prinzessin mit sammt der Bettstelle. Nachdem nun der Soldat die
Prinzessin
tüchtig abgeküßt hatte, mußte sie der Riese wieder forttragen.
Den
andern Morgen sprach die Prinzessin zu ihrer
Mutter: »Ach liebe Mutter, diese Nacht wars mir doch gerade, als
hätte
mich ein Riese mit der Bettstelle zu einem schönen Prinzen getragen und
der
hätte mich geküßt.« »Liebes Kind«, sprach die Mutter, »das
sind
Träume, denke nicht mehr daran.«
In der folgenden Nacht
nahm der Soldat wieder sein
Feuerzeug und schlug Feuer. Sogleich erschien der Riese und
fragte: »Was
befiehlt der Herr?« »Hole mir die Prinzessin her«, sprach der
Soldat. Der
Riese lief fort und brachte sie mit sammt der Bettstelle. Nachdem nun
der
Soldat die schöne Prinzessin wieder tüchtig abgeküßt hatte, mußte sie
der Riese
wieder forttragen.
Den andern Morgen sprach
die Prinzessin zu ihrer
Mutter: »Ach liebe Mutter, diese Nacht war mir’s doch grade so
wieder wie
vorige Nacht; ein Riese trug mich zu dem schönen Prinzen und der hat
mich
geküßt.« »Liebes Kind«, sprach die Mutter, »das sind Träume;
denke
nicht mehr daran.« Es kam
der Königin aber doch sonderbar vor, daß das Mädchen zwei Nächte hinter
einander immer denselben Traum gehabt hatte, und weil sie gern gewußt
hätte, ob
etwas Wahres daran sei, so nähte sie einen Beutel, füllte ihn mit
Erbsen,
schnitt ein kleines Loch hinein, daß die Erbsen allmählich herauslaufen
könnten, und hängte ihn an der Prinzessin ihr Bett. In der Nacht kam
der Riese
auch richtig wieder an; während er aber die Prinzessin forttrug,
fielen, ohne
daß er etwas merkte, die Erbsen nach und nach aus dem Beutel heraus auf
den
Boden den ganzen Weg entlang, und als nun die Königin am andern Morgen
nachsah,
merkte sie wohl, daß ihres Töchterleins Träume nicht ohne Grund waren.
Die
ausgestreuten Erbsen verriethen ihr den Weg, den der Riese gegangen
war, nach
dem Gasthause bis vor des Soldaten Zimmerthür. Da nahm sie den Wirth
heimlich
beiseite und befragte ihn, wes Standes und Herkommens der Gast wäre,
der da bei
ihm im Hause wohnte. Der Wirth sprach, er wüßte es selber nicht so
recht, aber
es müßte wohl ein abgedankter Soldat sein, der plötzlich zu vielem
Gelde
gekommen sei; als er angekommen, hätte er eine alte schmutzige
Soldatenuniform
getragen. Da lief die Königin schnell hin und holte die Wache, die nahm
den
Soldaten, ehe er sich’s versah, gefangen und brachte ihn in einen
festgemauerten Gefängnißthurm. Der König, da er die Sache erfuhr,
verurtheilte
den Soldaten zum Tode.
Nun hätte sich der Soldat
leicht befreien können, wenn er
nur sein Feuerzeug gehabt hätte, das hatte er aber in der Eile in
seinem
Gasthofe liegen lassen. Den andern Tag sollte er hingerichtet werden.
Da saß er
nun schon des Morgens ganz früh, da eben der Tag anbrach, ganz traurig
vor dem
Gefängnißgitter, und wie er so auf die Straße hinaussah, ging da gerade
seines
Wirthes Dienstmagd vorbei und hatte Milch geholt. Da rief er das
Mädchen an und
versprach ihr viel Geld, wenn sie ihm sein Feuerzeug holen wollte, das
er auf
seinem Zimmer vergessen hätte. Das Mädchen lief auch schnell hin und
brachte es
ihm. Da schlug der Soldat Feuer und sogleich stand der Riese vor ihm
und
fragte: »Was befiehlt der Herr?« »Befreie mich aus diesem
Gefängnisse«,
sprach der Soldat. Da lief der Riese fort und holte seine beiden
Kameraden, und
nun brachen sie die Mauer entzwei, daß der Soldat glücklich in Freiheit
kam.
Als das geschehen war, sprachen die Riesen: »Wir haben dir nun so
viele
Dienste geleistet, daß du uns auch wohl den Gefallen thun kannst, uns
zu
erlösen. In dem verwünschten Schlosse hängt in dem ersten Zimmer ein
Schwert an
der Wand, damit mußt du uns und den wilden Thieren die Köpfe
abschlagen, dann
hört die Verwünschung auf.« »Ja,« sagte der Soldat, »so
schwer
es mir auch wird, an euch meinen Wohlthätern so zu handeln, wenn es
nicht
anders sein kann, will ich es doch gerne thun. Nur müßt ihr mir aber
noch zu
guter Letzt die jüngste Prinzessin holen, denn ohne die kann ich nicht
leben.« Da liefen die Riesen fort und brachten sie ihm. Der Soldat
nahm
sie nun mit nach dem verwünschten Schlosse.
Dort setzte er sich wieder auf den großen Stein bis die Glocke zwölf
schlug,
ging dann in das Schloß, fand das Schwert und hieb damit den Riesen und
den
wilden Thieren, die das Schloß bewachten, die Köpfe ab. Da ertönte auf
einmal
die schönste Musik und entstand ein Gewühl fröhlicher Menschen, die
huldigten
dem Soldaten als ihrem König. Der Soldat aber hielt bald darnach
Hochzeit mit
seiner schönen Prinzessin.
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