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04.3
Märchen
Ut Oler Welt
Wilhelm Busch
Der Bettler aus
dem Paradies
(Hochdeutsch)
Eine
Witwe hatte wieder
geheirathet. Ihr zweiter Kerl aber schalt viel, und wenn sie was nicht
recht
machte, so sagte er immer »Du Gosekopp« zu ihr.
– »Ach,« seufzte sie oft, »wenn doch mein seliger
Martin noch lebte.« – Einst, als ihr Mann nicht zu Haus war, kam
ein
Bettler. – »Wo seid ihr denn her?« fragte die Frau.
– »Aus
Paris«, sagte der Bettler. – »Aus dem Paradies?« rief die
Frau; »dann kennt ihr auch wohl meinen seligen
Martin.« – »Tja!« meinte der Bettler; »es giebt da
viele
Martins; da ist ein kleiner Martin, ein langer Martin, ein dünner
Martin, ein
dicker Martin« – – »Der dicke«, rief die Frau, »der ist
es. Wie
geht es ihm denn da?« –»Recht betrübt,« sagte der
Bettler; »er
muß schnurren gehn, wie ich. Wenn ihr ihm was schicken wollt, so will
ich es
gern mitnehmen, denn in ein paar Tagen, denk ich, krieg ich ihn
wieder zu
sehn.« –
Da lief die Frau vor das
Schapp, holte ihrem Martin sein bestes
Sonntagszeug, band es in ein Bündel, nahm einen Beutel voll Geld aus
der Lade,
reichte alles dem Bettler hin und gab ihm zuletzt auch fürs Mitnehmen
noch was
extra überher. – »Och«, sagte der Bettler, »das wäre ja nicht
nötig
gewesen; aber es ist nur bloß von wegen der Steuer an der
Grenze.« – Damit
verabschiedete sich der Bettler, nachdem sie ihm noch viele herzliche
Grüße an
ihren seligen Martin aufgetragen hatte. – Als ihr Mann nach Haus kam,
war seine
erste Frage: »Warum siehst du denn heute so vergnügt aus?« –
Da
erzählte sie ihm, was ihr eben passiert war. – »Du
Gosekopp!« schrie
der Mann. Er setzte sich aufs Pferd und jagte hinter dem Bettelmann her.
Dieser, sowie er das Pferdegetrappel hörte, wußte Bescheid. Schnell zog
er sich
splitternackt aus, warf das Zeug in den Graben und huckte auf einer
Stelle
immer risch in die Höhe. – »Was machst du denn da?« fragte
der Kerl.
– »Och, och!« jammerte der Bettler. »wir hatten einen
Tanz da
oben, da kam ich der Luke zu nah, und nun kann ich noch immer den
rechten
Sprung nicht treffen, daß ich wieder hinauf komme.« Da erkundigte
sich der
Kerl bei ihm, ob er nicht Wen gesehen hätte mit einem Bündel Zeug.
– »Jüst
eben,« sagte der Bettler, »lief so Einer, der sich ängstlich
umsah,
dort in das Buschwerk hinein.« – »Dann will ich ihn wohl
kriegen,« rief der Kerl; »halt mal eben mein Pferd so
lange.« –
Der Kerl sprang ins Gebüsch, der Bettler zog sich schnell an, schwang
sich aufs
Pferd und galoppierte davon.
»Na, hast’n
wiedergekriegt?« fragte die Frau ihren Mann, als er kleinlaut
zurückkehrte.
– »Ja,« sagte er, »aber der arme Mensch that mir
leid, weil er solch einen weiten Weg hat, und da hab ich ihm auch noch
mein
Pferd gegeben.«
Seitdem sagte er nie mehr
Gosekopp zu seiner Frau.
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