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Gedichte
Der Rauch der Opfer
Ein Frauenbuch zum Kriege 1916
Eleonore
Kalkowska
____________________________________
Den bangenden Frauen
und den trauernden Frauen
zu eigen
O, letzte
Nacht, die er zuhaus verbringt,
Geschützt
von unsrer Liebe breitem Dache!
Wie
eine Woge hebt sich, schwebt und sinkt
Sein
Atem in die Nacht. Wir halten Wache.
Und
sehn ihn an. Das Auge wird zum Mund
Und
trinkt die Züge, alle Zeichen, Narben
Und
Schatten. Um dereinst, selbst todeswund,
Nach
diesem Bild vergebens nicht zu darben.
Die
samtne Nacht quillt durch das offne Fenster
Und
grüßt mit einem flügelzarten Wind;
Das
weiße Bett steht fester und begrenzter
Im
Dunkel, das wie lautlos Wasser rinnt.
Wie
möchten wir im Dunkel ewig kauern!
Und
in uns denkt’s: Wird erst die Erde fahl,
Schleicht
sich der Morgen scheu durch unsre Mauern,
Dann
. . . und wir rufen Gott in tiefster Qual:
„Der
du die Erd zur Sonne ziehen läßt,
Beschenk
sie heut mit andrem Wind und Segeln,
Und
nagle mit den hellen Sternennägeln
Den
dunklen Mantel an den Himmel fest!
Halt
auf der Zeiten Rad, das gräßlich surrt!
Du
nahmst den Isaak vom Opferblocke,
Eh
ihm vom Haupt gefallen eine Locke,
Da
Abraham nicht gegen dich gemurrt.
Wir
trugen alles still jahraus, jahrein;
Doch
diesen Kelch nimm, Herr, von unsrer Lippe,
Wir
lagen lächelnd nie in einer Krippe
Und
nie umwebte uns der Glorienschein . . .
Schwach
sind wir, elend, Herr, und voll Gebrechen;
Drum
rette uns!“ Da, wie wir’s schluchzend sprechen,
Wälzt
sich von Osten grau das Ungeheuer,
Von
seinem Rücken Blut in Strömen rinnt,
Und
speit ins Antlitz uns sein schwelend Feuer,
Der
Tag, der Tag, der letzte Tag beginnt!
zurück
Lippen bewegen sich
Lautlos,
erblassen —
Können
zu schwere
Worte
nicht fassen.
Hände
suchen sich ganz
Ineinander
zu schlingen,
Als
könnte so Leben
Leben
durchdringen.
Augen
in Augen
Sich
bleischwer versenken,
Noch
einmal die Seele
Am
Born zu tränken.
Und
über allem ein rauschend Gefieder
Lautlosen
Schreies:
„Kehre
mir wieder!“
Tausend
Seelen knien betend nieder.
zurück
Ist das
noch dieselbe Sonne
Noch
dieselben
Platze, Gärten,
Straßen, Häuser, Wagen, Menschen?
Wie sind alle Dinge laut!
Wie mit scharfen Spitzen bohren
Sie sich ein in Aug und Ohren,
Und der Pferde schwere Hufe
Schlagen hart auf unser Herz . . .
Ist das noch dasselbe Haus,
Unsre guten, alten Stufen,
Die sich heute widerstrebend
— Eine Herde tückscher Tiere —
Unserm Fuß entgegenbäumen?
Ist das noch
dieselbe Türe,
Die, wie eines kranken Vogels
Schwinge, vor uns leise bebend
In den leeren Bauer schwebt?
Und sind wir, wir selbst, noch dieses
Graunverzerrte Angesicht,
Das der hämisch blöde Spiegel
Unserm Gram entgegenspeit? . . .
Gott hat uns
emporgeschleudert
In die Luft, wie eine Münze,
Und was unten war, liegt oben,
Und was oben war, liegt unten,
Und er kann es nicht mehr hören,
Wenn das Herz gen Himmel
schreit!
zurück
Vielleicht nie wieder .
. . Noch bebt in der Luft
Dein Atem
. . . Noch schwebt scheu auf matten Schwingen
Dein
letztes Wort . . . Noch liegt auf allen Dingen
Ein wenig deiner Wärme und dein Duft;
Noch tickt die Uhr, der du befohlen,
Noch zittern unterm Fuß die Bohlen
Von deinem Schritte nach.
Noch blüht dein letzter Strauß
schwankstieliger Blumen,
Der süß beklommnen Duft ins Dämmern haucht;
Noch sind wir selbst durch deines letzten
Blickes
Schmerzhelle Weihe ganz in Glanz getaucht . .
.
Und eingespannt
Fast schmerzhaft ist dein Bild in unsre Lider
. . .
Von fern kommt deine Hand
Und sinkt besänftigend auf das Haupt uns
nieder . . .
.
.
. .
.
. .
.
. .
.
. .
. . . . . . .
Vielleicht
nie wieder
zurück
Müde, müde
und tränenleer
Leergeweint . . .
Schaukelt
träge auf schlaftrunknem Meer . . .
Türen werden sacht zugetan,
Dunkle Vorhänge rauschen nieder,
Tagmüde Blumen schließen die Lider . . .
Leishufig ins Grau ziehen graue Schimmel,
Schiffe betasten den blauenden Hafen,
Irgendwo dunkelt langsam ein Himmel . . .
. .
. .
.
. .
.
. .
.
. .
Schlafen, o schlafen!
zurück
Seine liebe
Wärme
Füllt das Haus nicht mehr;
Es sind alle Stuben
Kalt und leer.
Dunkle Schleier wallen
Durch das ganze Haus,
löschten aller Dinge
Glanz uns aus.
Und in Traum und Nebel
Unser Sein versinkt,
Bis zum Tag, der ihn uns
Wiederbringt!
zurück
Nur die Uhr tickt schwesterlich:
"Bau auf mich, bau auf
mich,
Einst mein Zeiger bringt
die Stund:
Hand in Hand und Mund
auf Mund."
zurück
Keine ertrüge
dies Leid allein,
Aber
überall, auf den Straßen und Gassen,
In den Häusern und Kirchen, den Gärten und Plätzen,
Wo die ruhlosen Füße dich immer hinhetzen,
Findest du Augen, die dich rufen, dich fassen,
Sich an dich klammern und nimmer dich lassen,
Und so sinkst du hinein, wie ein Tropfen ins Meer,
Und es trägt dich die Welle, trägt hoch dich und weit
In eine bebende, warme Unendlichkeit.
Schulter an Schulter, auch wie ein Heer,
Gehen wir Frauen, gehn ich-befreit,
Gehn ich-entblößt,
Gehn ich-erlöst,
Zusammen in einer Wolke von Leid —
Als Einheit gehn wir durch unsre Zeit.
zurück
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