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Gedichte
Der Rauch der Opfer
Ein Frauenbuch zum Kriege 1916
Eleonore
Kalkowska
____________________________________
Den bangenden Frauen
und den trauernden Frauen
zu eigen
Keine ist
Anfang und keine ist Ende,
Hemmungslos
stürzen durch uns wie durch Rohre,
Wälzen
sich in die Weite die Brände
Flammender
Not.
Keine
ist Anfang und keine ist Ende,
Über uns
alle strömt gleich fort die Flut
Des
Schmerzes, wie über flaches Gelände
Der
Wassertod.
Keine
ist Anfang und keine ist Ende!
Heulend
durchbraust uns wie Sturm das Graun,
Und ein
Windstoß fegt hoch empor alle Hände
Ins Himmelblaun!
zurück
Aus
seinem Verstecke
Kriecht durch
der Nacht geöffnetes Tor
Das unaussprechliche Grauen hervor . . .
zurück
Dunkel istʼs,
Nacht hat die Erde umkrallt
Wir
liegen, ohnmächtig die Hände geballt,
Und in
uns ruft es in tiefster Pein:
Mußtʼ es
denn sein?
Atemberaubend,
gleich eiserner Decke,
Befällt
uns die Stille; aus seinem Verstecke
Kriecht
durch der Nacht geöffnetes Tor
Das
unaussprechliche Grauen hervor —
Und
packt uns am Hals. Und mit weiter Pupille
Starren
wir in die gräßliche Stille.
Da
plötzlich — was war das? Welch Laut
durch die Nacht?
Wir
schluchzen auf,
Tief
schreit unser Blut,
Irgendwo wieder: "Es ist
vollbracht!"
zurück
Und immer
breiter klafft der Schlund der Nacht
Und was
dem kurzen Tag wir abgerungen
An Kraft
und Fassung, wird verschlungen
Vom
schwarzen Schacht, —
Noch eh
der ersten Nachtstund Schlag verklungen.
Und dann
das Nichts, das Nichts, die schwarze Leere,
Die
schlammgleich Aug und Ohren uns verklebt,
Nur
fühlen können wir, wie steil sich hebt
Das
Herz, gleich einer Woge in dem Meere
Der
Nacht. Und krampfhaft wie des Krebses Schere,
Die eine
Hand sich in die andre gräbt,
Um etwas
doch zu halten im Entrinnen . . .
Wie weh
tut starre Stille wachen Sinnen!
Weit
halten die Augen wir aufgespannt,
Und
saugen sie gierig fest an der Wand.
Da,
langsam, spinnwebgleich, aus allen Ecken
Beginnt
ein leichter Schleier sich zu recken.
Und
weht... und füllt die Luft mit grauem Flor
Und
sinkt,
Sinkt
bis herab auf unser Aug und Ohr,
Und
bringt,
—
Lautlos die schwarze Schale um uns bricht —
Ein
zweit Gehör, ein zweit Gesicht.
Und
plötzlich ist die Nacht um uns voll Rufe,
Und über
unser Herz
Ein
Stampfen funkensprühnder Pferdehufe . . .
Und
unterm Bett hervor ein leises Wimmern,
Und in
den Ecken ringsumher ein Schimmern
Entblößter
Knochen . . . Und die Mauern lang
Gelagert,
so wie halsgebrochne Flaschen,
Kopflose
Körper . . . Schwer in dunkeln Tropfen
Gluckst
Blut daraus, die Nacht mit Rot zu waschen.
Das
Fenster ist ein gutes, lichtes Vlies;
Doch wie
bewegt durch eines Herzens Klopfen,
Und
plötzlich aus des Vorhangs Fläche sprießt,
Wie eine
riesige kurzgestielte Blume,
Ein
Haupt hervor; es grinst, es nickt, es grüßt . . .
Rief da
nicht jemand schluchzend unsern Namen?
Was ist
das? — Schwarz das Fenster steht im Rahmen:
Der Kopf
verschwand und nahm den Vorhang mit. —
Nun
strömen sie hinein in langen Ketten,
Nicht
mehr gebändigt von den weißen Toren ...
Und ihre
Augen nägelgleich sich bohren
In uns.
Sie nahn! — Wir können euch nicht retten,
Geht, geht, o
geht! Wir selber sind verloren . . .
Licht,
Rettung, Rettung, Licht! Es hat die Nacht
Uns irre
gemacht! —
Eine
helle Woge das Bett überspült,
Wie ist
es zerwühlt,
Wie nach
Kämpfen, die Leidenschaft heiß gewann . . .
Tod
grinst im Räume die Liebe an.
zurück
Aber schleicht
der Morgen näher,
Sendet
aus die ersten Späher,
Kommen
durch die vielgewundnen
Gassen
unsrer Dämmerseelen
Frauen,
Frauen, endlos Frauen,
Mit
zerschundnen, mit verbundnen
Füßen,
die von langer Reise
Dämmerleise
Uns
erzählen,
Kommen
in den Grund der Seelen
Sich zu
stehlen,
Dort, wo
unser Bestes ruht . . .
Frauen,
Frauen, endlos Frauen —
Und sie
drängen, und sie eilen,
Wie zur
Zeit der Hungersnot
An den
Ort, wo man das Brot
An die
Ärmsten mag verteilen . . .
Ein
Gemurmel wirr verschlungen,
Fremde
Laute fremder Zungen,
Fremder
Glieder Glanz im Grau,
Fremder
Blick und fremder Bau,
Und auf
irren, schmutzverklebten
Zügen
und an schweißdurchwebten
Haaren:
Blut!
Ihrer
Söhne, unsrer Feinde
Blut . .
.
Denn die
graue Spukgemeinde,
Alle
diese Schattenseelen,
Steigen
auf aus den Kanälen,
Die man
um die Erde schlang,
Wo sie
viele Monat lang
Wachend,
lauschend bei den Ihren
In der
Zukunft Dunkel stieren,
Ganz wie
wir —
Bei den
Unsern.
Und sie
dringen in uns ein
Bis zu
jenem tiefsten Schrein,
Der das
Beste warm und still
Birgt,
und sich nicht öffnen will.
Und die
Worte, die verwegnen,
Und die
wilden Flüche regnen
Auf die
Tür umsonst und schrill.
Da wird
eine von den jungen
Jäh von
ihrem Schmerz bezwungen,
Hilflos
schluchzt sie wie ein Kind,
Und die
ältern, und die grimmern
Sind
erfaßt vom gleichen Wimmern,
Wie von
einem Wirbelwind . . .
Unsre
Türe muß zerfallen —
Und das
tränenfeuchte Brot
Unsrer
Not
Teilen
wir mit ihnen allen,
Bei der Sonne erstem Rot.
zurück
In der Menschenpflanze ragenden Schaft
Strömt herauf der
heilige Erdensaft,
Strömt die Sonne
hernieder . . .
zurück
Gottes milde, gütige Hände gleiten
über die Erde,
Über die
winterwunde, sturmzerrissene Erde,
Gleiten
Gottes wundertätige Hände,
Daß
Nacht sich wende,
Daß
Frühling werde!
.
.
. .
.
. .
.
. .
.
. . .
O
Mensch, sei Erde!
zurück
Tief in die
Seele schnitt das erste Grün.
Die
kargen Äste, die, gleich dürren Armen,
Sich in
den Himmel reckten um Erbarmen,
Die
paßten uns viel besser als dies Blühn
Der Welt
umher, dies sorglos rohe „Werde“
Viel
besser gingen wir auf harter Erde,
Hart wie
die Narbe, wo das Fleisch verletzt,
Denn als
ward aufgewühlt die Ackerkrume,
Und als
die Flur ersproß in Gras und Blume
Hat unser Schmerz auch
Keime angesetzt.
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